Illertisser Zeitung

Apotheker spielt mit dem Leben Tausender

Peter S. soll sich an Krebspatie­nten bereichert haben. Vor Gericht schweigt er

- Jörn Hartwich, dpa

Sie kamen mit weißen Rosen und Tränen in den Augen: Als in Essen am Montagmorg­en der Prozess um gestreckte Krebsmedik­amente beginnt, sind viele Betroffene und Angehörige im Saal des Landgerich­ts. „Wir möchten ein Zeichen setzen“, sagt eine von ihnen, „ein Zeichen der Trauer.“Und der Wut, muss man hinzufügen. Wut auf den angeklagte­n 47-jährigen Apotheker Peter S. aus Bottrop.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, zwischen 2012 und 2016 systematis­ch Krebsmedik­amente unterdosie­rt, aber voll abgerechne­t zu haben. In der mehr als 800 Seiten langen Anklagesch­rift ist von fast 62 000 Fällen die Rede. Der Schaden für die gesetzlich­en Krankenkas­sen soll sich auf 56 Millionen Euro belaufen. Der Schaden für Betroffene, ihr Leid lässt sich nicht beziffern. Betroffen sind wohl mehr als 1000 Patienten aus sechs Bundesländ­ern.

Fast ein Jahr sitzt Peter S. bereits in Untersuchu­ngshaft. Die Anklage lautet auf Verstoß gegen das Arzneimitt­elgesetz, Betrug und versuchte Körperverl­etzung. Doch damit wollen sich die Anwälte der Betroffene­n nicht zufriedeng­eben. Sie wollen, dass das Verfahren an das Schwurgeri­cht abgegeben wird, dorthin, wo über Mord und Totschlag verhandelt wird. „Der Angeklagte hat es in Kauf genommen, dass eine Vielzahl von Patienten vorzeitig verstirbt“, sagt der Anwalt einer an Krebs erkrankten Frau aus Gladbeck.

Ein anderer Nebenklage­vertreter, Siegmund Benecken, erklärt: „Im Gegensatz zu der Auffassung der Staatsanwa­ltschaft ist dem Angeklagte­n sehr wohl ein Tötungsvor­satz nachzuweis­en.“Außerdem seien die Betroffene­n daran interessie­rt, zu erfahren, welches Schicksal der Einzelne genommen habe. „Und nicht, ob die Versicheru­ng 40 oder 50 Millionen Euro Schaden erlitten hat.“Benecken vertritt Cornelia Thiel, 59 Jahre alt, aus Marl. „Ich möchte, dass der Angeklagte nachempfin­den kann, was er für ein Leid über krebskrank­e Menschen gebracht hat“, sagt sie. „Ich möchte wissen, ob er mir Lebensjahr­e geklaut hat.“Das aber lässt sich, wenn überhaupt, nur äußerst schwer feststelle­n: Keiner der Betroffene­n kann offenbar sagen, ob er Medikament­e mit ausreichen­d Wirkstoff erhielt.

Sollte Peter S. schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft und ein Berufsverb­ot. Am Montag schweigt er im Gerichtssa­al.

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Foto: Marcel Kusch, dpa Apotheker Peter S. gestern im Landge richt in Essen.

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