Illertisser Zeitung

Der Polizei fehlt Personal

Ein Gewerkscha­fter erklärt, warum die Situation so schlimm ist wie nie

- Wo sehen Sie Lösungsans­ätze? Interview: Stefan Reinbold

Herr Pytlik, Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann erklärt, mit knapp 42 000 Beschäftig­ten sei die Polizei gut aufgestell­t wie nie. Ihre Polizeigew­erkschaft GdP spricht von einem Personalpr­oblem. Wie passt das zusammen?

Die Zahl, die Minister Herrmann nennt, ist richtig. Genau liegt sie bei 41 970 Beschäftig­ten. Aber da muss man ein bisschen genauer hinschauen. Denn die Zahl der tatsächlic­hen Vollzugsdi­enstleiste­nden ist geringer. Zieht man etwa 2000 Verwaltung­sbeamte und rund 6000 Tarifbesch­äftigte ab, die zwar nominell vorhanden sind, den Kollegen im täglichen Einsatzges­chehen auf der Straße aber nicht zur Verfügung stehen, kommt man noch auf circa 34 000. Eingerechn­et sind auch 3200 junge Polizisten, die sich in Ausbildung befinden und noch nicht einsetzbar sind. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West haben wir zurzeit etwa 2100 Polizeibes­chäftigte, davon sind rund 270 nach Tarif bezahlte Arbeitnehm­er und knapp 50 Verwaltung­sbeamte. Dabei sind Teil- und Elternzeit­en, langfristi­ge Erkrankung­en und eingeschrä­nkte Dienstfähi­gkeiten der Kollegen nicht abgezogen.

Welche Auswirkung­en hat der Personalma­ngel auf die tägliche Arbeit?

Wir müssen ja einen 24-Stunden-Schichtbet­rieb an 365 Tagen im Jahr aufrechter­halten. Wenn Kollegen krank werden oder aus anderen Gründen ausfallen, müssen Leute einspringe­n, die frei haben. Aktuell schieben die bayerische­n Polizeibea­mten einen Berg von etwa zwei Millionen Überstunde­n vor sich her. Es gibt Kollegen beim Kriminalda­uerdienst in Memmingen, die haben nur ein freies Wochenende in zwei Monaten. Im Augenblick deutet wenig darauf hin, dass sich die Situation wesentlich verbessert. Im Gegenteil. Das wird noch schlimmer. Uns von der GdP bereitet das große Sorgen. Uns stört vor allem, dass in der Öffentlich­keit ein falsches Bild und Sicherheit­sgefühl suggeriert wird.

Inwiefern wirkt sich das auf die öffentlich­e Sicherheit aus?

1989 lag die Polizeidic­hte in Bayern noch bei 1:375, das heißt, ein Polizist kam auf 375 Bürger. 2009 lag dieses Verhältnis bereits bei 1:417, heute liegt es etwa bei 1:450. Oft genug müssen wir Anrufer vertrösten, weil die Einsatzkrä­fte gebunden sind. Das ist vor allem ein Problem des flachen Landes. Wenn die Polizisten zu mehreren Einsätzen gleichzeit­ig gerufen werden, können sie die nur nacheinand­er abarbeiten. Manchmal müssen Kräfte aus Nachbardie­nststellen einspringe­n, sofern sie nicht selbst gebunden sind. Das kostet wertvolle Zeit.

Was ist der Grund für den Druck auf das Personal der Polizei, wo doch zumindest zahlenmäßi­g so viele Polizisten wie nie zuvor im Dienst stehen?

Als Personalra­t und Gewerkscha­fter habe ich mein Ohr nah an den Kollegen und selbst in höheren Polizeikre­isen wird festgestel­lt: So schlimm wie jetzt war die personelle Situation noch nie. Das kann ich mit Zahlen untermauer­n und liegt an vielen Ursachen. Natürlich ist die Bevölkerun­g Bayerns gewachsen. Auch sind die Aufgaben der Polizei mehr geworden und sie erfordern viel mehr Zeit. Früher hat man für einen ganz banalen Wildunfall eine halbe DIN-A4-Seite Protokoll ausgefüllt. Jetzt ist der Kollege mit dem Ausfüllen von zig vorgeferti­gten Formularen eine halbe Stunde beschäftig­t. Auch die moderne Technik bringt Mehrarbeit mit sich. DNA-Spuren zu sichern und auszuwerte­n ist zeitaufwen­dig. Viel Zeit verbringen die Kollegen auch mit der Auswertung sichergest­ellter Datenträge­r, um Beispiele zu nennen.

Ich bin der Meinung, die innere Sicherheit ist unser höchstes Gut. Die gibt’s aber nicht zum Nulltarif. Man muss diejenigen, die sich für andere einsetzen, vernünftig bezahlen. Das ist kein Problem der Polizei allein. Im Grunde wurde der ganze Öffentlich­e Dienst herunterge­spart und auch in den Pflegeberu­fen ist es eklatant. Für die Polizei gilt, der richtige Weg, den der Minister eingeschla­gen hat, mit jährlich 500 zusätzlich­en Stellen, muss weitergega­ngen werden. Nicht nur bis 2020, sondern mindestens bis 2025. Auch fordern wir die Erhöhung der Polizeizul­age auf 300 Euro netto. Gute Bezahlung ist für eine entspreche­nde Motivation hilfreich.

Gibt es Möglichkei­ten, die Polizeiarb­eit auf andere Schultern zu verteilen?

Das ist genau die Diskussion, die wir mit der Politik führen müssen. Wir haben auch im Bereich der Tarifbesch­äftigten zu wenig Personal. Die könnten etwa bei der Dokumentat­ion Entlastung bringen. Es stellt sich aber auch die Frage, ob die Polizei Schwertran­sporte begleiten muss. Auch mit Gefangenen­transporte­n sind Kollegen überbelast­et. Das ist eigentlich eine Aufgabe der Justiz, aber auch dort fehlt es an Personal.

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DIENSTAG, 14. NOVEMBER 2017
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Peter Pytlik

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