Bekommt lllertissen bald eine Fußgängerzone?
Die Bürger haben einige Vorschläge dazu, was sich in der Stadt tun sollte. Das zeigte sich bei einer Versammlung in der voll besetzten Schranne. Doch nicht alles lässt sich wohl umsetzen
Die Hauptstraße soll im Sommer zwischen Hirschkreuzung und Martinsplatz für den Verkehr abgesperrt und zur Flaniermeile werden: Diese Idee hat bei einer Bürgerversammlung für großes Hallo gesorgt. Dass den Illertissern ihr Heimatort am Herzen liegt, zeigte sich in der voll besetzten Schranne: Mehrere Wünsche, Vorschläge und Anträge kamen aufs Tapet. Zum Beispiel ging es um eine Verbannung des FallschirmspringerVereins, Müll und lärmende Jugendliche auf einem Spielplatz. Nicht alle Verbesserungsvorschläge werden wohl umgesetzt: Die Meinungen der rund 150 Anwesenden gingen auseinander, das zeigte sich am Abstimmungsverhalten. Mitunter erhoben sich nur wenige Hände. Hier ein Überblick: ● Spaziergänger flanieren bei strahlendem Sonnenschein durch die Stadt und füllen die Plätze der Straßencafés – so oder so ähnlich stellt sich Bürger Oliver Preiß den Sommer in Illertissen vor. Er denkt dabei an die Stadt Günzburg, die den Marktplatz in den warmen Monaten größtenteils für den Autoverkehr sperrt. Ein Befahren ist dann nur mit einer Sondererlaubnis möglich, hieß es. Das locke die Menschen in die Innenstadt. Auch in Illertissen lasse sich ein solches Flair schaffen, glaubt Preiß. Die Stadt könne davon profitieren. Deshalb schlug er bei der Versamm- lung vor, die Hauptstraße von der Hirschkreuzung bis zum Martinsplatz in den Sommermonaten für den Durchgangsverkehr zu sperren. Aus Sicht von Preiß gebe es Möglichkeiten, die Fahrzeuge um die Stadtmitte herumzuleiten. Er beantragte, der Stadtrat solle das prüfen lassen.
Schon die Sperrung des Marktplatzes (an Wochenenden) habe für „heiße Debatten“gesorgt – und werde es demnächst bei einer weiteren Beratung zu diesem Thema im Stadtrat wohl wieder tun, sagte Bürgermeister Jürgen Eisen (CSU). Die Idee der Fußgängerzone in der Hauptstraße bezeichnete er als „charmant“– aber zugleich als „nicht umsetzbar.“Die Geschäftsleute seien vermutlich dagegen, weil sie dann für die Kunden nicht mehr direkt erreichbar seien. Außerdem müssten Alternativrouten um die Hauptstraße herum wohl durch die Wohngebiete führen. Eisen stellte den Vorschlag in der Versammlung zur Abstimmung: Aber nur wenige Anwesende hoben die Hände. Eine Fußgängerzone wird somit im Stadtrat wohl erst einmal kein Thema sein.
Ein anderer Bürger schlug vor, die Hauptstraße zu einer Einbahnstraße zu machen. Das könne die Verkehrssituation möglicherweise entzerren, so die Vermutung. Eisen kündigte an, dies von Experten der Verwaltung prüfen zu lassen. ● Zuerst lassen sie sich von einem motorisierten Flugzeug in luftige Höhen bringen, dann springen sie ab und ihr Schirm öffnet sich mit einem vernehmlichen Ploppen: Die örtlichen Fallschirmspringer sind wegen ihres Lärm erzeugenden Hobbys vielen Menschen in Illertissen und Umgebung ein Dorn im Auge – so schilderte es Bürgerin Edeltraud Baur. Sie zitierte Artikel 147 der Bayerischen Verfassung, wonach Sonntage und Feiertage „als Tage der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe gesetzlich geschützt“sind. „Lärm macht krank“, sagte Baur und stellte den Antrag, der Stadtrat möge noch einmal über das Ganze beraten.
Der Bürgermeister betonte, der Sprungbetrieb sei vom Luftfahrtamt Südbayern genehmigt. Die Springer dürften an Sonn- und Feiertagen und an 25 Werktagen aktiv sein, das habe der Stadtrat im Jahr 2011 beschlossen, der Verein habe seither an seinem Standort investiert. Eisen: „Das jetzt wieder aufzuheben, halte ich für problematisch.“So sah es offenbar auch die Mehrheit der Anwesenden: Baurs Antrag wurde abgelehnt, er kommt nicht in den Rat. ● Ein Bürger forderte mehr überdachte Abstellplätze am Bahnhof – oft stünden die Velos dort „in zweiter Reihe“. Eisen wusste zu berichten, dass bereits 127 Stellplätze vorhanden sind, 63 davon überdacht. Nach einer Abstimmung in der Schranne stand fest: Der Stadtrat wird über weitere Fahrradparkplätze beraten. ● Das Spielareal für Kinder nahe der Bischof-Ulrich-Schule wird im Sommer bis spät abends von Jugendlichen genutzt – lärmender Weise. Darüber beschwerte sich ein Anwohner. „Und ich kann dann die Sportschau mit dem Kopfhörer kucken.“Nachbarn müssten hier besser geschützt werden, forderte er. Eisen antwortete, das Gelände sei umzäunt worden. Ein unerlaubtes Eindringen sei als Hausfriedensbruch zu werten. Er riet geplagten Anliegern, die Polizei zu rufen. „Wenn von den Betreffenden einmal die Personalien aufgenommen
Der Marktplatz sorgte für „heiße Debatten“
wurden, kommen diese Leute nicht wieder.“Allerdings müssten junge Leute eine Anlaufstelle haben und die Skateanlage schließe eben bei Anbruch der Dunkelheit. Das Schulareal könne erst abgesperrt werden, wenn Schwimm- und Sporthalle abends schließen. ● Außerdem beklagte der Bürger, dass das Laub vieler Bäume die Straßen verschmutze. Hier war Eisen zu keinen Zugeständnissen bereit: „Gesunde Bäume werden nicht gefällt, damit brauchen Sie nicht zu mir kommen.“Grün in der Stadt sei wünschenswert. Er wohne gegenüber eines Baumes, so Eisen: „Für mich ist Laub kein Müll.“● Anders als das, was mitunter unzulässig an den Wertstoffcontainern im Stadtgebiet illegal hinterlassen wird. Zu einer entsprechenden Bemerkung eines Bürgers empfahl Eisen, die Anwohner sollten sich die Nummern der Autokennzeichen mutmaßlicher Müllsünder notieren und diese melden: „Hier ist Zivilcourage gefragt.“»
Zeit für eigene Fragen, für Anmerkungen und Kritik: In vielen Orten der Region haben in diesen Tagen wieder die Bürger das Wort. Die Resonanz, auf die die Bürgerversammlungen stoßen, ist dabei ganz unterschiedlich: mal wird leidenschaftlich diskutiert, mal plätschert das Treffen vor sich hin. In manchen Orten stoßen die Versammlungen auf wenig Interesse, in anderen wünschen sich die Bürger mehr Möglichkeiten, sich aktiv am Geschehen zu beteiligen – wie kürzlich in Klosterbeuren.
Bei der Versammlung im Babenhauser Ortsteil wurde rege diskutiert – mit dem Ergebnis, dass die Bürger dort gerne öfter ihre Ideen und Wünsche äußern würden. Ob es so schnell eine Wiederholung geben wird, ist allerdings offen. Bürgermeister Otto Göppel hat nur im Zusammenhang großer Projekte vor, die Versammlungen in den Ortsteilen abzuhalten.
So viel Interesse am gemeindlichen Geschehen ist dabei nicht selbstverständlich. In manchen Orten spricht der Bürgermeister vor nicht einmal 30 Zuhörern. Andernorts ergreift neben dem Rathauschef niemand das Wort. Das mag daran liegen, dass die Bürger in diesem Moment tatsächlich keinen Bedarf sehen, Kritik oder Wünsche vorzubringen. In vielen Fällen ist aber auch der Aufbau der Treffen schuld daran, dass die Versammlungen zu zähen Veranstaltung werden: Bürgermeister blicken auf das Jahr zurück und geben einen Ausblick auf das nächste, Kämmerer nennen Eckdaten zum Haushalt. Oftmals dauert es mehr als eine Stunde, ehe die Bevölkerung das Wort hat und Fragen loswerden kann. Was auch immer sich an Wut aufgestaut haben mag, ist nach einem ermüdenden Rechenschaftsbericht oft wie verflogen.
Dabei sollten Rathauschefs vielmehr die Bürger dazu animieren, ihre Stimme zu erheben. Gerade in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit sind Bürgerversammlungen ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Sowohl Bürgermeister als auch Bevölkerung sollten das ernst nehmen – und die Treffen einerseits regelmäßig abhalten, andererseits auch besuchen.
Wie gut das funktionieren kann, zeigt die aktuelle Versammlung in Illertissen. Weil sich so viele Bürger für das Geschehen in der Stadt interessierten, mussten zusätzliche Stühle in der Schranne gestellt werden. Welche Bürgeranträge es letztlich auf die Tagesordnung der Stadträte schaffen, entschieden die Zuhörer per Abstimmung selbst. Ein gutes Beispiel.
Die Skateanlage schließt bei Anbruch der Dunkelheit