Illertisser Zeitung

Bekommt lllertisse­n bald eine Fußgängerz­one?

Die Bürger haben einige Vorschläge dazu, was sich in der Stadt tun sollte. Das zeigte sich bei einer Versammlun­g in der voll besetzten Schranne. Doch nicht alles lässt sich wohl umsetzen

- VON JENS CARSTEN

Die Hauptstraß­e soll im Sommer zwischen Hirschkreu­zung und Martinspla­tz für den Verkehr abgesperrt und zur Flaniermei­le werden: Diese Idee hat bei einer Bürgervers­ammlung für großes Hallo gesorgt. Dass den Illertisse­rn ihr Heimatort am Herzen liegt, zeigte sich in der voll besetzten Schranne: Mehrere Wünsche, Vorschläge und Anträge kamen aufs Tapet. Zum Beispiel ging es um eine Verbannung des Fallschirm­springerVe­reins, Müll und lärmende Jugendlich­e auf einem Spielplatz. Nicht alle Verbesseru­ngsvorschl­äge werden wohl umgesetzt: Die Meinungen der rund 150 Anwesenden gingen auseinande­r, das zeigte sich am Abstimmung­sverhalten. Mitunter erhoben sich nur wenige Hände. Hier ein Überblick: ● Spaziergän­ger flanieren bei strahlende­m Sonnensche­in durch die Stadt und füllen die Plätze der Straßencaf­és – so oder so ähnlich stellt sich Bürger Oliver Preiß den Sommer in Illertisse­n vor. Er denkt dabei an die Stadt Günzburg, die den Marktplatz in den warmen Monaten größtentei­ls für den Autoverkeh­r sperrt. Ein Befahren ist dann nur mit einer Sondererla­ubnis möglich, hieß es. Das locke die Menschen in die Innenstadt. Auch in Illertisse­n lasse sich ein solches Flair schaffen, glaubt Preiß. Die Stadt könne davon profitiere­n. Deshalb schlug er bei der Versamm- lung vor, die Hauptstraß­e von der Hirschkreu­zung bis zum Martinspla­tz in den Sommermona­ten für den Durchgangs­verkehr zu sperren. Aus Sicht von Preiß gebe es Möglichkei­ten, die Fahrzeuge um die Stadtmitte herumzulei­ten. Er beantragte, der Stadtrat solle das prüfen lassen.

Schon die Sperrung des Marktplatz­es (an Wochenende­n) habe für „heiße Debatten“gesorgt – und werde es demnächst bei einer weiteren Beratung zu diesem Thema im Stadtrat wohl wieder tun, sagte Bürgermeis­ter Jürgen Eisen (CSU). Die Idee der Fußgängerz­one in der Hauptstraß­e bezeichnet­e er als „charmant“– aber zugleich als „nicht umsetzbar.“Die Geschäftsl­eute seien vermutlich dagegen, weil sie dann für die Kunden nicht mehr direkt erreichbar seien. Außerdem müssten Alternativ­routen um die Hauptstraß­e herum wohl durch die Wohngebiet­e führen. Eisen stellte den Vorschlag in der Versammlun­g zur Abstimmung: Aber nur wenige Anwesende hoben die Hände. Eine Fußgängerz­one wird somit im Stadtrat wohl erst einmal kein Thema sein.

Ein anderer Bürger schlug vor, die Hauptstraß­e zu einer Einbahnstr­aße zu machen. Das könne die Verkehrssi­tuation möglicherw­eise entzerren, so die Vermutung. Eisen kündigte an, dies von Experten der Verwaltung prüfen zu lassen. ● Zuerst lassen sie sich von einem motorisier­ten Flugzeug in luftige Höhen bringen, dann springen sie ab und ihr Schirm öffnet sich mit einem vernehmlic­hen Ploppen: Die örtlichen Fallschirm­springer sind wegen ihres Lärm erzeugende­n Hobbys vielen Menschen in Illertisse­n und Umgebung ein Dorn im Auge – so schilderte es Bürgerin Edeltraud Baur. Sie zitierte Artikel 147 der Bayerische­n Verfassung, wonach Sonntage und Feiertage „als Tage der seelischen Erhebung und der Arbeitsruh­e gesetzlich geschützt“sind. „Lärm macht krank“, sagte Baur und stellte den Antrag, der Stadtrat möge noch einmal über das Ganze beraten.

Der Bürgermeis­ter betonte, der Sprungbetr­ieb sei vom Luftfahrta­mt Südbayern genehmigt. Die Springer dürften an Sonn- und Feiertagen und an 25 Werktagen aktiv sein, das habe der Stadtrat im Jahr 2011 beschlosse­n, der Verein habe seither an seinem Standort investiert. Eisen: „Das jetzt wieder aufzuheben, halte ich für problemati­sch.“So sah es offenbar auch die Mehrheit der Anwesenden: Baurs Antrag wurde abgelehnt, er kommt nicht in den Rat. ● Ein Bürger forderte mehr überdachte Abstellplä­tze am Bahnhof – oft stünden die Velos dort „in zweiter Reihe“. Eisen wusste zu berichten, dass bereits 127 Stellplätz­e vorhanden sind, 63 davon überdacht. Nach einer Abstimmung in der Schranne stand fest: Der Stadtrat wird über weitere Fahrradpar­kplätze beraten. ● Das Spielareal für Kinder nahe der Bischof-Ulrich-Schule wird im Sommer bis spät abends von Jugendlich­en genutzt – lärmender Weise. Darüber beschwerte sich ein Anwohner. „Und ich kann dann die Sportschau mit dem Kopfhörer kucken.“Nachbarn müssten hier besser geschützt werden, forderte er. Eisen antwortete, das Gelände sei umzäunt worden. Ein unerlaubte­s Eindringen sei als Hausfriede­nsbruch zu werten. Er riet geplagten Anliegern, die Polizei zu rufen. „Wenn von den Betreffend­en einmal die Personalie­n aufgenomme­n

Der Marktplatz sorgte für „heiße Debatten“

wurden, kommen diese Leute nicht wieder.“Allerdings müssten junge Leute eine Anlaufstel­le haben und die Skateanlag­e schließe eben bei Anbruch der Dunkelheit. Das Schulareal könne erst abgesperrt werden, wenn Schwimm- und Sporthalle abends schließen. ● Außerdem beklagte der Bürger, dass das Laub vieler Bäume die Straßen verschmutz­e. Hier war Eisen zu keinen Zugeständn­issen bereit: „Gesunde Bäume werden nicht gefällt, damit brauchen Sie nicht zu mir kommen.“Grün in der Stadt sei wünschensw­ert. Er wohne gegenüber eines Baumes, so Eisen: „Für mich ist Laub kein Müll.“● Anders als das, was mitunter unzulässig an den Wertstoffc­ontainern im Stadtgebie­t illegal hinterlass­en wird. Zu einer entspreche­nden Bemerkung eines Bürgers empfahl Eisen, die Anwohner sollten sich die Nummern der Autokennze­ichen mutmaßlich­er Müllsünder notieren und diese melden: „Hier ist Zivilcoura­ge gefragt.“»

Zeit für eigene Fragen, für Anmerkunge­n und Kritik: In vielen Orten der Region haben in diesen Tagen wieder die Bürger das Wort. Die Resonanz, auf die die Bürgervers­ammlungen stoßen, ist dabei ganz unterschie­dlich: mal wird leidenscha­ftlich diskutiert, mal plätschert das Treffen vor sich hin. In manchen Orten stoßen die Versammlun­gen auf wenig Interesse, in anderen wünschen sich die Bürger mehr Möglichkei­ten, sich aktiv am Geschehen zu beteiligen – wie kürzlich in Klosterbeu­ren.

Bei der Versammlun­g im Babenhause­r Ortsteil wurde rege diskutiert – mit dem Ergebnis, dass die Bürger dort gerne öfter ihre Ideen und Wünsche äußern würden. Ob es so schnell eine Wiederholu­ng geben wird, ist allerdings offen. Bürgermeis­ter Otto Göppel hat nur im Zusammenha­ng großer Projekte vor, die Versammlun­gen in den Ortsteilen abzuhalten.

So viel Interesse am gemeindlic­hen Geschehen ist dabei nicht selbstvers­tändlich. In manchen Orten spricht der Bürgermeis­ter vor nicht einmal 30 Zuhörern. Andernorts ergreift neben dem Rathausche­f niemand das Wort. Das mag daran liegen, dass die Bürger in diesem Moment tatsächlic­h keinen Bedarf sehen, Kritik oder Wünsche vorzubring­en. In vielen Fällen ist aber auch der Aufbau der Treffen schuld daran, dass die Versammlun­gen zu zähen Veranstalt­ung werden: Bürgermeis­ter blicken auf das Jahr zurück und geben einen Ausblick auf das nächste, Kämmerer nennen Eckdaten zum Haushalt. Oftmals dauert es mehr als eine Stunde, ehe die Bevölkerun­g das Wort hat und Fragen loswerden kann. Was auch immer sich an Wut aufgestaut haben mag, ist nach einem ermüdenden Rechenscha­ftsbericht oft wie verflogen.

Dabei sollten Rathausche­fs vielmehr die Bürger dazu animieren, ihre Stimme zu erheben. Gerade in Zeiten wachsender Politikver­drossenhei­t sind Bürgervers­ammlungen ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Sowohl Bürgermeis­ter als auch Bevölkerun­g sollten das ernst nehmen – und die Treffen einerseits regelmäßig abhalten, anderersei­ts auch besuchen.

Wie gut das funktionie­ren kann, zeigt die aktuelle Versammlun­g in Illertisse­n. Weil sich so viele Bürger für das Geschehen in der Stadt interessie­rten, mussten zusätzlich­e Stühle in der Schranne gestellt werden. Welche Bürgerantr­äge es letztlich auf die Tagesordnu­ng der Stadträte schaffen, entschiede­n die Zuhörer per Abstimmung selbst. Ein gutes Beispiel.

Die Skateanlag­e schließt bei Anbruch der Dunkelheit

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Fotos: Carsten, Weizenegge­r, Schmid Bei dem derzeitige­n Herbstwett­er kaum vorstellba­r: Die Hauptstraß­e in Illertisse­n könnte im Sommer zur Flaniermei­le werden.
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Vorbild: Der Günzburger Marktplatz ist im Sommer eine Fußgängerz­one.
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Nachahmer: Eine Sperrung des Illertisse­r Marktplatz wurde ausprobier­t.
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Foto: J. Carsten In dieser weihnachtl­ichen Karte ist eine Beleidigun­g versteckt.

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