In der Schuldenfalle
Die Konjunktur brummt. Trotzdem geht es nicht allen Menschen im Landkreis Unterallgäu wirtschaftlich gut. Wer besonders betroffen ist und was die Auslöser sind
Die Konjunktur brummt, die Zahl der Arbeitslosen ist auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken – und das Unterallgäu kann besonders gute Zahlen vorweisen. Im Oktober war die Quote auf 1,6 Prozent gesunken. Dennoch können immer mehr Menschen ihre Schulden nicht bezahlen. Im Landkreis nimmt ihr Anteil seit zwei Jahren wieder leicht zu.
Dem Schuldneratlas Deutschland der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zufolge stieg die Zahl der überschuldeten Personen in der Bundesrepublik heuer um rund 65 000 auf über 6,9 Millionen. Bei gut jedem zehnten Erwachsenen sind demnach die Gesamtausgaben dauerhaft höher als die Einnahmen. Im Unterallgäu sind es dieser Studie zufolge 6,19 Prozent der Haushalte, die überschuldet sind. Im Vorjahr waren es 6,08 Prozent. 2015 lag der Wert bei 5,87 Prozent. Vor fünf Jahren war das Problem ähnlich hoch wie heute. Deutlich größer als im Landkreis Unterallgäu ist das Problem in der kreisfreien Stadt Memmingen. Dort sind 10,3 Prozent der Menschen überschuldet. Der Wert ist seit Jahren weitgehend stabil. 2012 lag er bei 10,42 Prozent.
Dabei ist Überschuldung längst nicht mehr nur ein Problem von Menschen mit geringem Einkommen. In diesem Jahr stammten laut Creditreform praktisch alle neuen Überschuldungsfälle aus der Mittelschicht. Die Zahl der Fälle aus den „gehobeneren Schichten“und den „unteren Schichten“habe dagegen leicht abgenommen, berichteten die Forscher.
Gerade für die Betroffenen aus der Mittelschicht sei es sehr schwer, mit den persönlichen und sozialen Auswirkungen der Überschuldung umzugehen, so das Ergebnis einer Studie der Universität DuisburgEssen. Denn Überschuldung gelte in der Mittelschicht als Stigma. Die Folge sei häufig eine selbst gewählte soziale Isolation der Betroffenen – meistens, weil diese sich dafür schämen.
Die Gründe für den Sturz in die Überschuldung haben sich aufgrund der guten Konjunktur spürbar verändert. Zwar ist nach wie vor Arbeitslosigkeit der Hauptauslöser für Überschuldungsprozesse, wie das Statistische Bundesamt herausfand. Doch ganz so dominierend wie noch vor einigen Jahren ist das Thema Arbeitsplatzverlust in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr. Stattdessen gewannen in den vergangenen Jahren Erkrankungen, Suchtprobleme und Unfälle, aber auch unwirtschaftliche Haushaltsführung immer größere Bedeutung als Auslöser für Überschuldung.
Überdurchschnittlich stark zugenommen hat 2017 nach Angaben der Experten die Altersüberschuldung. Vier von fünf neuen überschuldeten Personen seien in diesem Jahr älter als 50. Die Zahl überschuldeter Senioren im Alter ab 70 stieg sogar um rund zwölf Prozent auf 194 000. Dagegen nehme die Zahl überschulde- ter Personen unter 30 ab. Zwar sei Altersüberschuldung immer noch vergleichsweise selten, „aber da bewegt sich die Überschuldung hin“, meinte Michael Bretz von Creditreform. Immer häufiger betroffen sind zudem Frauen. Zwar stellen Männer insgesamt nach wie vor das Gros der überschuldeten Personen. Doch von neuen Überschuldungsfällen entfielen 2017 rund 60 Prozent auf Frauen. Besonders häufig geraten alleinerziehende Mütter in die Schuldenfalle.
Das Gesamtvolumen der Schulden bezifferten die Experten auf rund 209 Milliarden Euro. Doch sind die regionalen Unterschiede nach wie vor groß. Die höchste Überschuldungsquote unter den Bundesländern verzeichnete mit knapp 14 Prozent auch 2017 Bremen, gefolgt von Sachsen-Anhalt und Berlin. Am geringsten war die Überschuldung in Bayern (7,47 Prozent) und Baden-Württemberg (8,31 Prozent). Am niedrigsten lag die Verschuldung im bayerischen Landkreis Eichstätt.
Die Gründe für Verschuldung sind vielfältiger geworden