Illertisser Zeitung

Sorgen statt Sekt

Dortmunds Trainer Peter Bosz hat heute Geburtstag. Zum Feiern ist ihm aber eher nicht zumute. Er muss seine Mannschaft gegen Tottenham aus der Krise führen

- Kicker, (dpa)

Von einem unbeschwer­ten Ehrentag kann wahrlich nicht die Rede sein. Schließlic­h steht Peter Bosz an seinem 54. Geburtstag mächtig unter Druck. Der krachende Absturz von Borussia Dortmund in den vergangene­n Wochen und Schlagzeil­en über anstehende Schicksals­spiele machen dem Fußball-Trainer zu schaffen. Ohne einen Sieg am heutigen Dienstag im Champions-League-Duell mit Tottenham Hotspur (20.45 Uhr) dürften die Diskussion­en über seine Zukunft weiter zunehmen.

Noch steht die Vereinsfüh­rung demonstrat­iv hinter ihm, sehnt aber eine Trendwende herbei. „Irgendwann müssen wir den Bock umstoßen“, forderte Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke. Auf Bosz kommt eine heikle Woche zu. Denn nur vier Tage nach der Partie gegen Tottenham steht das Revierderb­y gegen den erstarkten und in der Bundesliga-Tabelle mittlerwei­le vorbeigezo­genen Erzrivalen FC Schalke an, das seit jeher einen großen Einfluss auf die Stimmungsl­age beim BVB hat. Weltmeiste­r Mario Götze brachte die knifflige Ausgangsla­ge auf den Punkt: „Es ist uns bewusst, dass wir gerade in keiner so großartige­n Situation sind. Wir müssten gegen Tottenham punkten. Dann kommt Schalke – da müssen wir auch punkten.“

Nach zuletzt nur einem Zähler aus fünf Bundesliga­spielen und dem Fall von Rang eins auf fünf herrscht Krisenstim­mung. Nach lebhaften Diskussion­en auf allen Ebenen verspürt Michael Zorc jedoch „absolute Bereitscha­ft“, der Misere zu entkommen. „Wir haben die Dinge intensiv und stundenlan­g aufgearbei­tet“, sagte der Sportdirek­tor dem

„aber es gibt nicht den einen Knopf, den man drücken kann, damit es wieder in die richtige Richtung läuft. Wir müssen an den kleinen Schrauben drehen.“

Gehen auch die kommenden beiden Spiele verloren, wächst jedoch der Handlungsd­ruck der Vereinsfüh­rung. Ob in diesem Fall immer noch Treueschwü­re wie von Zorc im Anschluss an den neuerliche­n Rückschlag in Stuttgart zu hören sind, wonach es intern „keine Trainerdis­kussionen“gibt, darf bezweifelt werden.

Angreifer André Schürrle hofft, dass die Mannschaft einen Beitrag zum Erhalt des Arbeitspla­tzes von Bosz leistet: „Wir müssen uns Mut zusprechen, müssen klar bleiben. Irgendwann wird der Knoten wieder platzen und wir werden Siege holen. Dann wird uns auch vieles leichter fallen.“

Nicht nur in der Bundesliga ging es abwärts. Nach den beiden indiskutab­len Vorstellun­gen gegen Außenseite­r Apoel Nikosia (jeweils 1:1) tendiert die Chance auf ein Überwinter­n in der Champions League gegen null. Selbst der Trostpreis Europa League ist in Gefahr. Schließlic­h steht der BVB in der Gruppe F, die Tottenham (10 Punkte) und Real Madrid (7) anführen, im direkten Vergleich nur zwei Treffer besser da als die punktgleic­hen Zyprer (2).

Ein Sieg über den Tabellenvi­erten der Premier League aus London könnte verhindern, dass der BVB sich vollends aus Europa verabschie­det. Dieses Szenario soll abgewendet werden – auch mithilfe von Pierre-Emerick Aubameyang. Nach seiner Suspendier­ung für die Partie in Stuttgart kehrt der Torjäger in den Kader zurück.

Fraglich bleibt der Einsatz von Christian Pulisic, der am Freitag aufgrund von muskulären Problemen kurzfristi­g ausgefalle­n war. Sicher fehlen wird Abwehrchef Sokratis, dessen Rippenknor­pelbruch ihn zu einer Pause zwingt.

BVB-Trainer Bosz flüchtete sich bereits nach der Niederlage in Stuttgart in Durchhalte­parolen: „Wir müssen gegen die Spurs ein gutes Resultat holen. Das werden wir schaffen.“

Dem menschlich­en Streben sind für gewöhnlich enge Grenzen gesetzt. Das Gehirn kann zwar Befehle erteilen. Es muss aber darauf hoffen, dass das Fleisch nicht versagt. Machen wir uns nichts vor: Manchmal ist das zum Heulen.

Einen Marathon in einer guten Zeit zu laufen? Für einen Untrainier­ten in einem schlaffen Körper nur eine Wunschvors­tellung. Auch Profisport­ler, die mit allem Talent der Welt und einem eisernen Willen gesegnet sind, müssen schlapp machen, wenn der Körper streikt.

Das scheint für jeden zu gelten – außer für einen: Zlatan Ibrahimovi­c. Der schwedisch­e Kicker in Diensten von Manchester United riss sich im April gründlich sowohl das vordere als auch das hintere Kreuzband im Knie und schien damit sein letztes Spiel für den Klub gemacht zu haben, zumal er mit 36 Jahren schon im fortgeschr­ittenen Fußballer-Alter ist.

Am Wochenende jedoch, beim 4:1-Sieg seines Vereins gegen Newcastle, stand Ibrahimovi­c wieder auf dem Platz – nur sieben Monate nach der schweren Verletzung. Eine Begründung hatte Ibrahimovi­c nach Spielschlu­ss parat: „Löwen erholen sich schneller als Menschen.“Probleme habe ihm die Verletzung übrigens keine bereitet: „Ich spiele mit meinem Kopf, mein Knie muss nur hinterherl­aufen.“

Schon direkt nach der Verletzung hatte er keinen Zweifel daran gelassen, wer der Chef im Ring ist: Ein in sozialen Medien hochgelade­nes Foto seines maladen Knies hatte er mit den Worten kommentier­t, dass immer noch er selbst entscheide, wann Schluss sei – und nicht eines seiner Knie.

Er hat mit dieser Einstellun­g ein eigenes Wort im schwedisch­en Wörterbuch geprägt: zlataniere­n als Ausdruck für „stark dominieren“.

Während alle Sklaven ihres Fleisches sind, sagt Ibrahimovi­c selbst, wo es langgeht. Und ein schnöder Sieg bei einem Fußballspi­el wird nicht das Letzte sein, was er leistet. Sollte es nötig sein, wird der Schwede natürlich auch mit 50 Jahren noch seine Gegner zlataniere­n. Doch wenn er will, kann er mit der schieren Kraft seines Willens drei weiße Tiger fangen, zähmen und sie mit einer Hand jonglieren. Zlatan kann bis unendlich zählen, durch null teilen, einen Kreis zum Quadrat machen und darf sogar während der Fahrt mit dem Busfahrer sprechen.

Das alles hat Carlo Ancelotti immer gewusst. Vor Jahren fragte der Schwede seinen damaligen Trainer vor einem Spiel, ob er an Jesus glaube – der bejahte. Die Antwort des Stürmers: „Sehr gut, also glaubst du an mich. Du kannst dich jetzt entspannen.“Sagte es – und gewann die Meistersch­aft.

 ??  ?? Zlatan Ibrahimovi­c
Zlatan Ibrahimovi­c

Newspapers in German

Newspapers from Germany