Illertisser Zeitung

Jamaika ist passé – aber der Stolz bleibt

Die Abgeordnet­en aus der Region sehen die Schuld am Scheitern der Sondierung bei den jeweils anderen Parteien

- (ioa/mgo)

Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlun­gen ist in Berlin der Schock groß. Gleichzeit­ig schieben sich die Teilnehmer an den Sondierung­sgespräche­n gegenseiti­g die Schuld am Misslingen zu. Für Georg Nüßlein (Münsterhau­sen, Kreis Günzburg), der für die CSU sogar mit am Verhandlun­gstisch saß, liegt es am „unprofessi­onellen Verhalten“der Grünen, dass sich die FDP verabschie­det hat. Ständig seien bei den Verhandlun­gen in den Arbeitskre­isen Personen ausgetausc­ht und ständig neue Vorschläge gemacht worden. Als Beispiel nannte der stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Fraktion einen „flammenden Vortrag“der Grünen-Bundesvors­itzenden Simone Peter im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel zum Thema „Umweltschu­tz und Innovation“. Nach diesem sei „nicht mehr möglich gewe- sen, das Gesagte zu Papier zu bringen“. Der Abgeordnet­e räumt aber ein, dass sich die FDP aus den Sondierung­sgespräche­n eventuell „bereits vor Tagen emotional verabschie­det hat“. Das Ende der Koalitions­verhandlun­gen noch ehe sie begonnen haben, hat für Nüßlein etwas Gutes: „Die Union hat zusammenge­halten, was ein maßgeblich­es Verdienst des CSU-Parteivors­itzenden Horst Seehofer war.“

Ekin Deligöz von den Grünen kommt logischerw­eise zu einer anderen Einschätzu­ng als Nüßlein. Sie findet das Scheitern der Verhandlun­gen „enttäusche­nd“. Jamaika wäre eine Chance gewesen, das La- gerdenken zu überwinden und so die Bundesrepu­blik weiterzuen­twickeln. „Der Parteiegoi­smus ist manchen wichtiger als der Wille, das Land zu gestalten“, attackiert die 46-Jährige die FDP. Diese befinde sich auf dem Weg nach rechts und wolle offenbar der AfD Stimmen abnehmen. Ein Kalkül, das nach Einschätzu­ng von Deligöz nicht aufgehen wird. Immerhin: Dass die Grünen in den Gesprächen so gut zusammenge­halten hätten, zeige, dass man sich der politische­n Verantwort­ung bewusst sei. „Es ist ein gutes Gefühl, in so einer starken Partei zu sein.“

Der Ulmer FDP-Abgeordnet­e Alexander Kulitz ist über das Schei- tern ebenfalls enttäuscht, hat sich aber von der Parteiführ­ung überzeugen lassen: Am Ende sei der Rückzug die einzig mögliche Konsequenz gewesen. Das „grundlegen­de Misstrauen, das die Parteien untereinan­der hatten“sei die Ursache für den Eklat gewesen. Auf fünf Wochen Stillstand seien Rückschrit­te gefolgt. Den Vorwurf, dass die FDP verantwort­ungslos handle, weist Kulitz zurück: Außer beim Soli sei die Partei bei allen Themen kompromiss­bereit gewesen; aber für eine „Weiter so“-Politik seien die Liberalen nicht zu haben.

Gibt es jetzt doch wieder eine Große Koalition? Für CSU-Mann Nüßlein ist das „Plan B“. Der SPDAbgeord­nete Karl-Heinz Brunner bleibt aber beim Nein: „Verantwort­ung übernehmen heißt eben auch, die Opposition nicht der AfD zu überlassen.“Der Illertisse­r kann sich aber vorstellen, dass die SPD eine schwarzgrü­ne Minderheit­sregierung toleriert. Neuwahlen will er nicht: „Es widerstreb­t mir als Demokrat, das Ergebnis einer Wahl an die Wähler zurückzuge­ben, weil es nicht passt oder nicht bequem ist.“Angesichts der politisch turbulente­n Zeiten mahnt er zur Gelassenhe­it: Auch das Scheitern von Verhandlun­gen sei funktionie­rende Demokratie.

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Karl Heinz Brunner
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Georg Nüßlein
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Ekin Deligöz
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Alexander Kulitz

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