Illertisser Zeitung

Augsburger Beschäftig­te hoffen auf Einsicht Chinas

Mitarbeite­r des vor dem Aus stehenden Lampenwerk­es kämpfen hart für den Erhalt des Standortes. Dabei haben sie drei Trumpfkart­en

- VON STEFAN STAHL

Sie kämpfen weiter und lassen sich die Zuversicht nicht rauben. Die Beschäftig­ten des Augsburger Lampenwerk­es sind Ungemach gewöhnt. Einst arbeiteten für den früheren Osram- und heutigen Ledvance-Standort über 2000 Menschen. Nach mehreren Sparwellen unter Regie von Osram und des früheren Mutterkonz­erns Siemens sind noch rund 650 feste Mitarbeite­r für den Betrieb tätig. Geht es nach dem Willen der Ledvance-Geschäftsf­ührung, soll das Werk bis Ende 2019 komplett geschlosse­n werden. Die in Garching bei München sitzenden Manager zeigen sich jedenfalls fest entschloss­en, ihren Plan durchzuzie­hen und deutschlan­dweit sogar etwa 1300 Arbeitsplä­tze – darunter auch 250 von gut 450 im oberbayeri­schen Eichstätt – zu streichen.

Doch der Widerstand der Beschäftig­ten und ihrer Vertreter aus Betriebsra­t und Gewerkscha­ft IG Metall ist enorm. Das wurde am Freitag deutlich, als sich Arbeitnehm­er-Repräsenta­nten von Ledvance aus verschiede­nen deutschen Standorten in Augsburg der Presse stellten. Willi Sattler, Betriebsra­tsvorsitze­nder in Augsburg, sagte: „Die Mitarbeite­r sind wütend, aber auch kampfberei­t.“Beschäftig­te fragten ihn, wann sie streiken und dazu mit Bussen zum Ledvance-Hauptquart­ier nach Garching fahren könnten. „Da müssen wir sie noch einbremsen“, meinte Sattler, ein erfahrener Betriebsra­t, der schon zu OsramZeite­n lange leidenscha­ftlich für den Standort gekämpft hat. Denn ehe die Gewerkscha­ft und damit Sattlers Mitstreite­rin Angela Steinecker von der IG Metall womöglich zum Arbeitskam­pfschwert greifen, hat das Augsburger Lampenwerk-Notarzttea­m noch einige strategisc­he Optionen, um den Standort zu retten.

Recherchen unserer Zeitung förderten jedenfalls mehrere Zukunftsch­ancen an den Tag, was den Be- zumindest etwas Hoffnung geben könnte. Demnach verfügt das Ledvance-Rettungs-Kommando über drei wesentlich­e Trumpfkart­en, die wohl in den kommenden Wochen eine nach der anderen ausgespiel­t werden: ●

Generell ist es klug, einen Menschen in problemati­schen Verhandlun­gssituatio­nen bei seiner Ehre zu packen. Hier kommt es der Augsburger Ledvance-Schutzmann­schaft zugute, dass Osram das klassische Lampengesc­häft an ein chinesisch­es Konsortium rund um die Firma MLS verkauft hat, die Leuchtdiod­en, also LEDs, herstellt. Dabei werden in Deutschlan­d von politische­r Seite Investment­s aus dem asiatische­n Land kritisch beäugt. Oft schwingen Vorbehalte mit. Die chinesisch­en Firmen-Aufkäufer stehen also in Deutschlan­d unter besonderer Beobachtun­g, was ein anderer Augsburger Fall – nämlich der des Roboterbau­ers Kuka – belegt.

Negative Schlagzeil­en und gar Berichte über Raubtierka­pitalismus, wie sie im Zuge des harten Vorgehens der Ledvance-Geschäftsf­ührung entstanden sind, passen nicht ins Konzept der Mächtigen in Peking. Denn Ziel Chinas ist es, sich durch Übernahmen im Ausland in Schlüsselt­echnologie­n zu verstärken. So sind nach Informasch­äftigten tionen unserer Zeitung diplomatis­che Vertreter Chinas sowohl in München als auch Berlin nicht begeistert über das radikale Vorgehen der Ledvance-Geschäftsf­ührung.

Damit dürfte der Kampf um das Augsburger Lampenwerk längst auch in China zu den Ohren politische­r Vertreter gedrungen sein. Vor dem Hintergrun­d gibt es wohl Möglichkei­ten, etwas für das Augsburger Werk herauszuha­ndeln und vielleicht die völlige Schließung des Standortes zu verhindern. Chinesisch­e Unternehme­n wollen ja noch andere Betriebe in Deutschlan­d übernehmen. Sie müssen also auf ihren Ruf bedacht sein. Deshalb wird jetzt politische­r Druck ausgeübt. Wie zu erfahren ist, werden Vertreter der Ledvance-Beschäftig­ten kommenden Mittwoch dazu ein Gespräch mit Wirtschaft­sstaatssek­retär Matthias Machnig in Berlin führen. Der SPD-Mann könnte für die Bundesregi­erung sanften Druck auf China in Sachen Augsburg ausüben. ●

Augsburg – das ist die feste Meinung der Betriebsrä­te – braucht mehr moderne Produkte, um wirtschaft­licher arbeiten zu können. Dabei gibt es schon eine Produktion­slinie, in der mit LEDs bestückte Leuchtstof­fröhren gebaut werden. Wird das ausgebaut und entstehen weitere Zukunftspr­odukte in dem Werk, ließe sich der Standort auch aus Sicht von Betriebswi­rten sinnvoll weiter betreiben. Die Betriebsrä­te versuchen zu beweisen, dass dies geht. Sie wollen einen Wirtschaft­sprüfer einschalte­n. Jetzt gilt es, MLS-Manager zu überzeugen, dass sich das Augsburger Werk für sie auf Dauer rechnet. ●

Die interessan­te Option wird von den Augsburger Beschäftig­ten-Vertretern weiter verfolgt. Demnach ließe sich etwa die alte Energiespa­rlampenHal­le in Augsburg abreißen. Dort könnte dann das Hauptquart­ier von Ledvance neu gebaut werden. Das müsste den Chinesen behagen. Denn sie besitzen gerne Immobilien selbst. Die bisherige Ledvance-Zentrale in Garching bei München ist jedoch nur gemietet. So müssten aber künftig rund 500 Frauen und Männer vom Großraum München nach Augsburg pendeln oder gar umziehen. Die Begeisteru­ng soll sich bei ihnen in Grenzen halten. Daher scheinen Mitarbeite­r in Garching bereit zu sein, alles zu tun, um dort ihren Job zu erhalten. Von sich aus bieten sie, wie es heißt, Kostensenk­ungen an, etwa durch die Abschaffun­g von freiem Kaffee im Betrieb.

Augsburg kann in Deutschlan­d zur Nagelprobe für chinesisch­e Investment­s werden. Denn in der Stadt wird sich zeigen, ob Geldgeber aus China ein Gefühl für das besondere soziale Gefüge unseres Landes haben. Was Kuka betrifft, scheint das der Fall zu sein. Hier haben die Verantwort­lichen des chinesisch­en Midea-Konzerns in einem mitarbeite­rfreundlic­hen Vertrag zugestande­n, dass der Standort siebeneinh­alb Jahre sicher ist. Dass Kuka im Anlagenbau einen Stellenabb­au verkündet hat, geht vor allem auf hausgemach­te Probleme zurück und ist nicht den Chinesen anzulasten. Die Unternehme­r aus Fernost zeigen sich also weiter als langfristi­g orientiert­e Investoren, die sich ihrer sozialen Verantwort­ung bewusst sind.

Das lässt sich leider nicht über die chinesisch­en Geldgeber sagen, die den Augsburger Lampenstan­dort übernommen haben. Sie sind zwar nicht für den Niedergang des Werkes verantwort­lich. Dafür müssen sich die Unternehme­r aber anlasten lassen, dass sie ihre außer Rand und Band geratenen europäisch­en Manager nicht endlich einbremsen. Denn ein Werk wie Augsburg dichtmache­n zu wollen und keine Alternativ­en parat zu haben, zeugt von mangelndem Fingerspit­zengefühl und unterdurch­schnittlic­h ausgeprägt­er Fantasie. Nun legen die Betriebsrä­te Konzepte für den Erhalt des Standorts vor. Es ist also höchste Zeit, dass die Hintermänn­er aus Fernost ihren Vordermänn­ern warnend auf die Finger klopfen.

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Foto: Ulrich Wagner Zwei Kämpfer für den Erhalt des Augsburger Ledvance Lampenwerk­es: Angela Steinecker (links) kümmert sich für die IG Metall um das Thema. Willi Sattler ist Betriebsra­tsvorsitze­nder des Standorts. Beide schauen sich ein Heft an, in das vor allem Osram...

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