Augsburger Beschäftigte hoffen auf Einsicht Chinas
Mitarbeiter des vor dem Aus stehenden Lampenwerkes kämpfen hart für den Erhalt des Standortes. Dabei haben sie drei Trumpfkarten
Sie kämpfen weiter und lassen sich die Zuversicht nicht rauben. Die Beschäftigten des Augsburger Lampenwerkes sind Ungemach gewöhnt. Einst arbeiteten für den früheren Osram- und heutigen Ledvance-Standort über 2000 Menschen. Nach mehreren Sparwellen unter Regie von Osram und des früheren Mutterkonzerns Siemens sind noch rund 650 feste Mitarbeiter für den Betrieb tätig. Geht es nach dem Willen der Ledvance-Geschäftsführung, soll das Werk bis Ende 2019 komplett geschlossen werden. Die in Garching bei München sitzenden Manager zeigen sich jedenfalls fest entschlossen, ihren Plan durchzuziehen und deutschlandweit sogar etwa 1300 Arbeitsplätze – darunter auch 250 von gut 450 im oberbayerischen Eichstätt – zu streichen.
Doch der Widerstand der Beschäftigten und ihrer Vertreter aus Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall ist enorm. Das wurde am Freitag deutlich, als sich Arbeitnehmer-Repräsentanten von Ledvance aus verschiedenen deutschen Standorten in Augsburg der Presse stellten. Willi Sattler, Betriebsratsvorsitzender in Augsburg, sagte: „Die Mitarbeiter sind wütend, aber auch kampfbereit.“Beschäftigte fragten ihn, wann sie streiken und dazu mit Bussen zum Ledvance-Hauptquartier nach Garching fahren könnten. „Da müssen wir sie noch einbremsen“, meinte Sattler, ein erfahrener Betriebsrat, der schon zu OsramZeiten lange leidenschaftlich für den Standort gekämpft hat. Denn ehe die Gewerkschaft und damit Sattlers Mitstreiterin Angela Steinecker von der IG Metall womöglich zum Arbeitskampfschwert greifen, hat das Augsburger Lampenwerk-Notarztteam noch einige strategische Optionen, um den Standort zu retten.
Recherchen unserer Zeitung förderten jedenfalls mehrere Zukunftschancen an den Tag, was den Be- zumindest etwas Hoffnung geben könnte. Demnach verfügt das Ledvance-Rettungs-Kommando über drei wesentliche Trumpfkarten, die wohl in den kommenden Wochen eine nach der anderen ausgespielt werden: ●
Generell ist es klug, einen Menschen in problematischen Verhandlungssituationen bei seiner Ehre zu packen. Hier kommt es der Augsburger Ledvance-Schutzmannschaft zugute, dass Osram das klassische Lampengeschäft an ein chinesisches Konsortium rund um die Firma MLS verkauft hat, die Leuchtdioden, also LEDs, herstellt. Dabei werden in Deutschland von politischer Seite Investments aus dem asiatischen Land kritisch beäugt. Oft schwingen Vorbehalte mit. Die chinesischen Firmen-Aufkäufer stehen also in Deutschland unter besonderer Beobachtung, was ein anderer Augsburger Fall – nämlich der des Roboterbauers Kuka – belegt.
Negative Schlagzeilen und gar Berichte über Raubtierkapitalismus, wie sie im Zuge des harten Vorgehens der Ledvance-Geschäftsführung entstanden sind, passen nicht ins Konzept der Mächtigen in Peking. Denn Ziel Chinas ist es, sich durch Übernahmen im Ausland in Schlüsseltechnologien zu verstärken. So sind nach Informaschäftigten tionen unserer Zeitung diplomatische Vertreter Chinas sowohl in München als auch Berlin nicht begeistert über das radikale Vorgehen der Ledvance-Geschäftsführung.
Damit dürfte der Kampf um das Augsburger Lampenwerk längst auch in China zu den Ohren politischer Vertreter gedrungen sein. Vor dem Hintergrund gibt es wohl Möglichkeiten, etwas für das Augsburger Werk herauszuhandeln und vielleicht die völlige Schließung des Standortes zu verhindern. Chinesische Unternehmen wollen ja noch andere Betriebe in Deutschland übernehmen. Sie müssen also auf ihren Ruf bedacht sein. Deshalb wird jetzt politischer Druck ausgeübt. Wie zu erfahren ist, werden Vertreter der Ledvance-Beschäftigten kommenden Mittwoch dazu ein Gespräch mit Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig in Berlin führen. Der SPD-Mann könnte für die Bundesregierung sanften Druck auf China in Sachen Augsburg ausüben. ●
Augsburg – das ist die feste Meinung der Betriebsräte – braucht mehr moderne Produkte, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Dabei gibt es schon eine Produktionslinie, in der mit LEDs bestückte Leuchtstoffröhren gebaut werden. Wird das ausgebaut und entstehen weitere Zukunftsprodukte in dem Werk, ließe sich der Standort auch aus Sicht von Betriebswirten sinnvoll weiter betreiben. Die Betriebsräte versuchen zu beweisen, dass dies geht. Sie wollen einen Wirtschaftsprüfer einschalten. Jetzt gilt es, MLS-Manager zu überzeugen, dass sich das Augsburger Werk für sie auf Dauer rechnet. ●
Die interessante Option wird von den Augsburger Beschäftigten-Vertretern weiter verfolgt. Demnach ließe sich etwa die alte EnergiesparlampenHalle in Augsburg abreißen. Dort könnte dann das Hauptquartier von Ledvance neu gebaut werden. Das müsste den Chinesen behagen. Denn sie besitzen gerne Immobilien selbst. Die bisherige Ledvance-Zentrale in Garching bei München ist jedoch nur gemietet. So müssten aber künftig rund 500 Frauen und Männer vom Großraum München nach Augsburg pendeln oder gar umziehen. Die Begeisterung soll sich bei ihnen in Grenzen halten. Daher scheinen Mitarbeiter in Garching bereit zu sein, alles zu tun, um dort ihren Job zu erhalten. Von sich aus bieten sie, wie es heißt, Kostensenkungen an, etwa durch die Abschaffung von freiem Kaffee im Betrieb.
Augsburg kann in Deutschland zur Nagelprobe für chinesische Investments werden. Denn in der Stadt wird sich zeigen, ob Geldgeber aus China ein Gefühl für das besondere soziale Gefüge unseres Landes haben. Was Kuka betrifft, scheint das der Fall zu sein. Hier haben die Verantwortlichen des chinesischen Midea-Konzerns in einem mitarbeiterfreundlichen Vertrag zugestanden, dass der Standort siebeneinhalb Jahre sicher ist. Dass Kuka im Anlagenbau einen Stellenabbau verkündet hat, geht vor allem auf hausgemachte Probleme zurück und ist nicht den Chinesen anzulasten. Die Unternehmer aus Fernost zeigen sich also weiter als langfristig orientierte Investoren, die sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind.
Das lässt sich leider nicht über die chinesischen Geldgeber sagen, die den Augsburger Lampenstandort übernommen haben. Sie sind zwar nicht für den Niedergang des Werkes verantwortlich. Dafür müssen sich die Unternehmer aber anlasten lassen, dass sie ihre außer Rand und Band geratenen europäischen Manager nicht endlich einbremsen. Denn ein Werk wie Augsburg dichtmachen zu wollen und keine Alternativen parat zu haben, zeugt von mangelndem Fingerspitzengefühl und unterdurchschnittlich ausgeprägter Fantasie. Nun legen die Betriebsräte Konzepte für den Erhalt des Standorts vor. Es ist also höchste Zeit, dass die Hintermänner aus Fernost ihren Vordermännern warnend auf die Finger klopfen.