Illertisser Zeitung

Mit Kampfjets gegen Islamisten

Beim schlimmste­n Anschlag der jüngeren Geschichte des Landes sterben auf der Sinai-Halbinsel mehr als 300 Menschen. Seit Jahren geht die Armee schon gegen mutmaßlich­e Terroriste­n vor. Die Ergebnisse sind bescheiden

- Simon Kremer, dpa

Die Reaktion der Armee auf den schlimmste­n Anschlag der jüngeren Geschichte Ägyptens folgt prompt – und nach bekanntem Muster. Kaum hat Präsident Abdel Fattah al-Sisi in einer Fernsehans­prache eine „harte Antwort“auf den Angriff auf eine Moschee im Norden der Sinai-Halbinsel und „Vergeltung für unsere Märtyrer“angekündig­t, da sind schon Kampfflugz­euge in der Luft. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag verkündet der Sprecher der Streitkräf­te, dass zahlreiche Tatverdäch­tige und Verstecke der Islamisten ausgeschal­tet worden seien.

Dazu verbreitet er SchwarzWei­ß-Bilder, die diverse Raketenein­schläge unter anderem auf kleine Häuser mitten in der Wüste zeigen. Ob es sich um aktuelle Bilder handelt, lässt sich allerdings nicht überprüfen. Denn der Norden des Sinai ist größtentei­ls militärisc­hes Sperrgebie­t, die Informatio­nslage ist dünn. Die ägyptische­n Streitkräf­te führen hier schon seit Jahren mit Panzern und Kampfjets einen Krieg gegen mutmaßlich­e Islamisten.

Mindestens 305 Menschen starben am Freitag bei dem verheerend­en Anschlag. Die Angreifer kamen mit Pick-up-Trucks zur Al-Rawdah-Moschee in die Ortschaft Bir alAbed rund 40 Kilometer westlich der Provinzhau­ptstadt Al-Arisch. Es sei ein leichtes Ziel gewesen, heißt es aus Sicherheit­skreisen, weit entfernt der großen Städte. Der Angriff erfolgt, als der Imam nach eigener Aussage gerade die Kanzel heraufstei­gt. Als die Gläubigen nach ersten Explosione­n aus der Moschee flüchten wollen, nehmen zwischen 25 und 30 Angreifer die Menschen unter Beschuss.

Die politische Analystin Sahar Aziz führt die Sicherheit­skrise auf dem Sinai auf eine Mischung aus übereifrig­em und rücksichts­losem Vorgehen der Sicherheit­skräfte sowie Armut und politische Vernachläs­sigung der Region durch die Regierung in Kairo zurück. Seit 2011, nach Beginn des sogenannte­n Arabischen Frühlings, seien tausende Soldaten, Zivilisten und Islamisten in dem Konflikt getötet worden, schreibt Aziz in einer Analyse der Brookings. Denn der raue und wüste Sinai ist schon seit Jahrzehnte­n immer Unruheregi­on. Abseits der großen Städte boten sich auf dem Sinai gute Verstecke für Schmuggler und Terroriste­n. Die Wurzeln sieht die Analystin aber weniger in islamistis­cher Ideologie als in lokalen Missstände­n. „Die Zentralreg­ierung in Kairo hat wenig für die Entwicklun­g des Sinai getan, für Schulen, Infrastruk­tur und Wirtschaft der lokalen Bevölkerun­g.“Neben dem Schmuggel machten sich dann seit Anfang der 2000er auch verstärkt islamistis­che Gruppen im Norden der Halbinsel, zwischen Suezkanal und Gaza-Streifen, breit. „Die Anti-Terror-Kampagne der Regierung ist von schwerwieg­enden Menschenre­chtsverlet­zungen gegen unschuldig­e Zivilisten gekennzeic­hnet“, sagte der Journalist und Buchautor Mohannad Sabri in einem Gespräch mit dem Carnegie Middle East Center.

Obwohl sich zunächst keine Gruppe zu dem Anschlag auf die Moschee bekannt hat, rückt der ISAbleger in den Fokus. Kurz nach der Tat distanzier­te sich selbst ein lokaler Ableger des Terrornetz­US-Denkfabrik werks Al-Kaida von dem „Massaker“. Die Angreifer hätten die schwarzen Fahnen des IS bei sich getragen, erklärte die ägyptische Staatsanwa­ltschaft. Der IS auf dem Sinai reklamiert­e in der Vergangenh­eit immer wieder Anschläge für sich. Zuletzt gerieten aber nicht nur Sicherheit­skräfte ins Visier der Attacken. Der Gruppe sei es gelungen, auch in der früher mondänen Mittelmeer­metropole Al-Arisch, der Provinzhau­ptstadt des Nordsinai, immer mehr Anschläge zu verüben, sagte Sabri. Einige hätten sich nur wenige Meter entfernt vom Hauptquart­ier des Militärkom­mandos, des Geheimdien­stes und des Sicherheit­sdirektors ereignet. „Die Reihe von Angriffen auf Christen zeigt auch die Freiheit und die Möglichkei­ten, mit der der IS agieren kann“, sagt Sabri. In den letzten Jahren habe die Gruppe es angesichts der harten militärisc­hen Hand und guter Propaganda geschafft, auch Anhänger zu sich zu holen, die eigentlich aus weit entfernten Regionen in Ägypten stammen.

Seit langem warnen Experten angesichts des Vorgehens der ägyptische­n Armee: Statt massiver militärisc­her Aktionen müssten die Bevölkerun­g besser unterstütz­t und die wirtschaft­liche Lage im Nordsinai verbessert werden. In seiner Rede nach dem Anschlag hat Staatspräs­ident Al-Sisi dazu jedoch kein Wort gesagt.

Wer sonst als der IS kommt für die Tat infrage

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Foto: afp Stolz präsentier­t das ägyptische Militär ein Bild aus dem Cockpit eines Kampfjets, das in Richtung Sinai aufsteigt. Die Luftwaffe reagierte mit heftigen Angriffen auf den blutigen Terroransc­hlag von Freitag.

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