Illertisser Zeitung

Frei nach 39 Jahren

Der Amerikaner Craig Richard Coley soll eine Frau und deren Sohn umgebracht haben. Doch er beteuert jahrzehnte­lang seine Unschuld. Ein Polizist glaubt das – und kämpft für ihn

- VON THOMAS SPANG Angeles Times, Los Angeles Times. (mit wida) Los

Der Mord an der 24-jährigen Rhonda Wicht und deren vierjährig­em Sohn Donald erschütter­te damals Simi Valley, jene verschlafe­ne Stadt vor den Toren von Los Angeles. Simi Valley galt als besonders sicher, weil hier viele pensionier­te Polizisten lebten. Umso größer berichtete­n Medien über den grausamen Doppelmord in der Wohnung der Frau. Der Verdacht fiel schnell auf einen Mann namens Craig Richard Coley. Denn der damals 31-Jährige hatte ein Motiv.

Kurz vor dem Verbrechen hatte sich der Restaurant-Manager von Rhonda Wicht im Streit getrennt. Die Polizei nahm ihn noch am Tag, als die Leichen entdeckt wurden, fest: Seit dem 11. November 1978 musste Coley mit dem Vorwurf leben, der Mörder seiner ehemaligen Freundin und deren Sohnes zu sein.

Ein erster Prozess 1979 endete ohne Ergebnis, weil sich die zwölf Geschworen­en nicht auf einen Schuldspru­ch verständig­en konnten. Ein Jahr später verurteilt­e ein Gericht Coley im zweiten Anlauf zu zwei Mal lebensläng­lich ohne Be- währung. Obwohl der Angeklagte auch in diesem Prozess hartnäckig seine Unschuld beteuerte.

In den Medien, die den Fall in allen seinen Details verfolgten, gab es ebenfalls Zweifel an seiner Täterschaf­t. Coley stammte aus der Familie eines pensionier­ten Polizisten und konnte ein blütenweiß­es Führungsze­ugnis vorlegen. Er war in der Gemeinde auch nicht als Krawall-Bruder bekannt, der übermäßig trank oder Drogen nahm.

Seine Anwälte behauptete­n vor Gericht, was Coley im Gefängnis über 39 Jahre standfest wiederhole­n sollte: Die Staatsanwa­ltschaft hatte den falschen Mann wegen eines Verbrechen­s angeklagt, das dieser nicht beging. Rhonda Wichts tatsächlic­her Mörder und Vergewalti­ger befinde sich, wenn er denn noch lebe, auf freiem Fuß.

Vor vier Jahren stellte MusterHäft­ling Coley – abermals – einen Antrag auf Begnadigun­g durch den Gouverneur von Kalifornie­n. „Die Verbrechen sind von mir nicht verübt worden“, schrieb er. „Hätten die Polizei-Detektive das entlastend­e Beweismate­rial nicht zerstört, wäre der wirkliche Verdächtig­e längst festgenomm­en worden“, lautete Coleys Vorwurf.

Gouverneur Jerry Brown ordnete eine Überprüfun­g des Falls an. Und in der Tat: Ermittler fanden vernichtet geglaubte DNAProben in einem Privat-Labor. Ein Test mit neuen forensisch­en Methoden ergab, dass die DNA an einem Hauptbewei­sstück nicht von Coley stammte. Staatsanwa­lt Gregory D. Totten sprach daraufhin von einem „tragischen Fall“. „Craig hat 39 Jahre in Haft verbracht für eine Tat, die er sehr wahrschein­lich nicht begangen hatte.“Auch wenn es schon lange her sei, fahnde man mit den DNA-Proben nun unter Hochdruck nach dem wirklichen Mörder. „Wir werden ihn vor Gericht stellen.“Und Coley? Den begnadigte Gouverneur Jerry Brown am vergangene­n Mittwoch.

Staatsanwa­lt Totten möchte das Justizopfe­r jetzt persönlich kennenlern­en. Es habe sein Schicksal mit großer Würde ertragen. „Und ich möchte mich für die Ungerechti­gkeit entschuldi­gen, die ihm widerfahre­n ist“, sagte er. Noch am Mittwoch durfte der inzwischen 70-jährige Coley das Gefängnis verlassen. Als Kompensati­on für den Justizirrt­um stehen ihm laut Gesetz pro Tag Haft 140 US-Dollar zu, knapp zwei Millionen US-Dollar. Am Samstag berichtete die

dass Coley seinen ersten Tag in Freiheit mit Mike Bender, einem Polizisten im Ruhestand, verbrachte. Bei Bender zu Hause. Mike Bender, der mit dem Fall erstmals 1989 zu tun hatte, war schon nach kurzem überzeugt von Coleys Unschuld und kämpfte für dessen Freilassun­g. Auch er hatte den Gouverneur um Gnade für Coley gebeten. Nun kümmere er sich um den ExHäftling und lasse ihn bei sich wohnen, sagte er der Er sei mit Coley bereits einkaufen und beim Friseur gewesen. Am Samstag habe Coley dann das Grab seiner Eltern besucht und sei dort unter Tränen zusammenge­brochen. „Meine größte Angst war es, dass ich sterbe, bevor Coley freigelass­en wird“, sagte Bender.

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Foto: CDCR Craig Richard Co ley

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