Ulm will ein Stück vom Bayern Kuchen
In der „Zweilandstadt“an der Donau setzen Kommunen und Unternehmer jetzt mit einer Betonung der Grenzlage auf die wertvollste Marke im Deutschlandtourismus
Die Doppelstadt an der Donau will künftig verstärkt das touristische Potenzial einer Grenzstadt ausschöpfen. „Gerade Bayern ist in Sachen Tourismus in Deutschland die größte Nummer, die es gibt“, sagt Wolfgang Dieterich, der Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT), der Vermarktungsgesellschaft der Städte für die Bereiche Tourismus und Tagungswesen. Immer mehr Besucher finden den Weg an die bayerisch-baden-württembergische Grenze: Im vergangenen Jahr kamen 55 Prozent mehr Gäste als noch vor zehn Jahren. Um die 800000 Übernachtungen und 7,8 Millionen Tagesgäste zählt die Doppelstadt pro Jahr. Doch das Potenzial sei weit größer.
Schwörmontag, Fischerviertel und den höchsten Kirchturm der Welt vermarktet die UNT seit Jahren erfolgreich. Doch die bayerische Karte sei bisher vernachlässigt worden. Dabei sei die Grenzlage für die Bürger der Region eine Selbstverständlichkeit, für Besucher aus dem Ausland und entfernten deutschen Städten wie Berlin hingegen etwas Besonderes: „Unglaublich. Ich bin wirklich in Bayern“, ist so ein Satz, den Jörg Pahl-Meinl in seinem „Grenzcafé“Josi im Neu-Ulmer Brückenhaus immer wieder höre.
Um die touristischen Pfunde Ulmer Münster und Bayern in einem Atemzug vermarkten zu können, gründete die Doppelstadt in Form der UNT sowie 39 Partnern aus den Bereichen Hotellerie, Gastronomie und Handel den ersten „grenzüberschreitenden Tourismusfonds, den es in Deutschland gibt“, wie Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch bei der Vorstellung sagte. Das Prinzip ist einfach: Die 39 Betriebe sammelten einen Betrag für einen Marketingtopf, der vereinbarungsgemäß von den beiden Städten verdoppelt wurde. 70000 Euro kamen so zusammen, mit denen gleich die erste Marketingkampagne finanziert wurde: Jens Burkert entwickelte mit seiner Ulmer Agentur das Kunstwort „Zweilandstadt“, das in Kombination mit einem Logo aus Münster und bayerischer Raute auf allerhand Werbematerialien verwendet werden könnte.
Bewusst spielt Burkert bei seinen Entwürfen mit Klischees, die streng genommen wenig korrekt sind: So wird in einem bereits aufgenommenen Werbespot so getan, als werde in Neu-Ulm bayerisch gesprochen und in Ulm schwäbisch. Die Überspitzung der vermeintlichen Gegensätze sei pure Absicht. Frei nach dem Motto: Wer sich nicht zwi- schen Cannstatter Wasen oder Münchner Wiesn, Maultaschen oder Weißwürsten entscheiden kann, der findet nur in der „Zweilandstadt“das Beste aus beiden Kulturen. „Wir wollen bewusst eine künstliche Grenze ziehen, damit die wahrhaftige Trennung der Bundesländer, die durch die Doppelstadt geht, noch mehr verschwindet“, sagt Tourismus-Chef Dieterich.
Geplant ist, dass dieses Zweilandstadt-Konzept ab Mitte kommenden Jahres „gespielt“werde. Die Macher hinter dem Fonds können sich dafür allerhand vorstellen: So etwa die Rückkehr von „Freistaat Bayern“-Schildern auf den Donaubrücken inklusive einer farblichen Kennung der Grenze in Weiß-Blau und Schwarz-Gelb. Auch eine donauüberschreitende Mischung aus Cannstatter Wasen und Münchner Wiesn ist in den Träumen der Tou- ristiker ein gutes Vehikel der Fremdenverkehrswerbung. Möglichst überall im Stadtbild der Doppelstadt solle die Grenzlage erkennbar sein. Und Prototypen von Werbematerialien, die künftig in Hotels und Gaststätten eingesetzt werden könnten, entwarf Burkert auch schon: Tüten, Servietten und Seifen für die erste Zweilandstadt der Welt, in der man nicht nur einkaufen, sondern zweikaufen kann und in der einkehren zum zweikehren wird. Denn am Mittag Maultaschen in Schwaben essen, um dann direkt im Anschluss in einen echt bayerischen Biergarten zu schlendern, gehe halt nur hier. Dass man bei der Überquerung der Herdbrücke Schwaben nicht verlässt, spiele aus touristischer Sicht keine Rolle. Geplant ist sogar ein Reisepass für die Zweilandstadt, der per Stempel Touristen animieren soll, zwischen Ulms und Neu-Ulms Fonds-Partnern zu pendeln. Die Partnerschaft privater Unternehmer und der Stadt entstand bei der Suche nach einer Alternative zur Bettensteuer. Diese in vielen Städten eingeführte Abgabe führe jedoch zu Kritik und juristischen Streitigkeiten. Bei gleichbleibendem Budget, so Dieterich, steige aber durch zunehmenden Wettbewerb der Anspruch an Tourismusmarketing. Die steigende Bettenkapazität – von 3500 vor zehn Jahren auf 5500 in diesem Jahr – zwinge zudem zum Handeln. Die Hotel-Auslastung an den Wochenenden und im Winter sei nämlich gering, vor allem, weil Geschäftsreisende 70 Prozent des Übernachtungsaufkommens ausmachen. Die bayerische Karte soll jetzt helfen.