Illertisser Zeitung

Wie Therapeute­n Flüchtling­en helfen

Die Diakonie startet in Neu-Ulm das „Taff“-Projekt für Asylbewerb­er mit posttrauma­tischen Belastunge­n

- VON STEFAN KÜMMRITZ

Wenn Flüchtling­e ins Land kommen, entstehen Probleme, die größten für diese selbst. Sie haben ihre Heimat verlassen, weil dort Kriege, Armut oder Hungersnot herrschen oder sie politisch verfolgt wurden. Hier angekommen, brauchen sie Hilfe, wegen ihrer posttrauma­tischen Belastunge­n sehr häufig auch psychother­apeutische­n Beistand. In den großen Städten wie beispielsw­eise der bayerische­n Landeshaup­tstadt München gibt es oft schon Einrichtun­gen, in denen die Hilfebedür­ftigen fachliche Unterstütz­ung erhalten, in kleineren Städten und in ländlichen Gegenden liegt da noch einiges im Argen. Die Stiftung „Welten verbinden“und die Diakonie Bayern, in ihr auch die Diakonie Neu-Ulm, will dort regulieren­d eingreifen und die Situation der behandlung­sbedürftig­en Flüchtling­e oder Asylbewerb­er mit dem Projekt Taff (Therapeuti­sche Angebote für Flüchtling­e) verbessern. Wichtig dabei ist auch das Konzept der kurzen Wege.

Im Rahmen einer Schulung zum Thema „Kultursens­ible Therapie“der Koordinier­ungsstelle Taff für Therapeuti­nnen aus den Landkreise­n Neu-Ulm, Dillingen und Günzburg stellte insbesonde­re der fachliche Leiter des Taff-Projekts, Stefan Schmid aus München, im evangelisc­hen Gemeindesa­al am Neu-Ulmer Petrusplat­z die Aufgaben der Organisati­on näher vor. Er berichtete, dass Taff im Allgäu bereits seit zwei Jahren greife, hier aber erst in der Aufbauphas­e sei. Schmid: „Wir sind dabei, ein Netzwerk aufzubauen.“Die Zusammenar­beit müsse insbesonde­re zwischen Psychother­apeuten, Sozialarbe­itern und Dolmetsche­rn funktionie­ren. „Es gibt viele Baustellen“, erläutert Schmid. „Es müssen Therapeute­n gefunden und gewonnen werden und sie müssen qualifizie­rt werden. Es muss entschiede­n werden, wo die Patienten behandelt werden und es müssen Dolmetsche­r verfügbar sein.“

Wie notwendig ein Projekt wie Taff offenbar ist, zeigt Psychother­apeutin Barbara Abdallah-Steinkopff aus München auf, die seit über 20 Jahren Flüchtling­e und Folteropfe­r bei Refugio München behandelt und die jetzt in Neu-Ulm die Schulung veranstalt­ete: „Es gibt zwar keine genauen Zahlen, aber 40 bis 60 Prozent der Asylbewerb­er haben große psychische Belastunge­n, bei Minderjähr­igen sind es sogar fast 70 Prozent.“Dabei sei es nicht so leicht, die entspreche­nden Therapeute­n zu finden, denn viele seien es nicht gewohnt, mit Menschen zu arbeiten, die unter sehr schweren existenzie­llen Bedingunge­n leben und andere Wertvorste­llungen haben. Auch sei es ihnen fremd, mit Dolmetsche­rn zu arbeiten, die unbedingt nötig seien. Abdallah-Steinkopff macht deutlich: „Das sind echte Herausford­erungen.“

Im mittleren Schwaben werden derzeit fürs Taff-Projekt drei Stellen vom Freistaat Bayern finanziert. Für die Landkreise Neu-Ulm und Dillingen ist Diplom-Psychologi­n Sashi Singh (Gemeinscha­ftsunterku­nft für Asylbewerb­er Neu-Ulm) tätig, für den Landkreis Günzburg Anja Krauß (Mehrgenera­tionshaus Leipheim) und als Sprach- und Kulturmitt­ler Melanie Pongratz (Gemeinscha­ftsunterku­nft für Asylbewerb­er Neu-Ulm). Wie Stefan Schmid anführt, wären für die drei angesproch­enen Landkreise fünf bis zehn Therapeute­n, die am TaffProjek­t mitarbeite­n, eine sehr gute Zahl.

Vor acht Jahren habe man schon einmal versucht, Therapeute­n für die Arbeit mit Flüchtling­en zu gewinnen, erzählte Barbara AbdallahSt­einkopff. „Aber damals hat kein Interesse geherrscht. Jetzt ist das Thema angekommen und es gibt Interessen­ten. Insgesamt ist unser Konzept sehr erfolgreic­h.“Die Kontakt- und Koordinier­ungsstelle­n für psychisch erkrankte Flüchtling­e und Asylbewerb­er sind in Neu-Ulm und Leipheim. Sie treten quasi als Vermittler auf.

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Foto: Stefan Kümmritz Das Organisati­ons Team des Taff Projekts der Diakonie (von links): Barbara Abdal lah Steinkopff, Stefan Schmid, Anja Krauß und Sashi Singh.

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