Illertisser Zeitung

Im Diesel-Streit droht dem Ruf der Autobauer ein Totalschad­en Leitartike­l

Fahrverbot­e in abgasbelas­teten Innenstädt­en rücken immer näher. Für die betrügeris­chen Machenscha­ften der Bosse soll der Steuerzahl­er aufkommen

- Bju@augsburger allgemeine.de

Das ganz dicke Ende des Diesel-Skandals in der deutschen Autoindust­rie rückt immer näher und lässt sich scheinbar kaum mehr aufhalten. Weil die Luft in vielen deutschen Städten viel zu stark mit Dieselabga­sen belastet ist, drohen schon ab Februar Fahrverbot­e. Auch die jetzt beim neuerliche­n Klimagipfe­l im Bundeskanz­leramt beschlosse­nen Maßnahmen werden daran kaum etwas ändern. Wenn das Bundesverw­altungsger­icht wie weithin erwartet entscheide­t, dürfen Millionen von Dieselauto­besitzern mit ihren Wagen nicht mehr in bestimmten Gegenden unterwegs sein.

Unzählige Pendler und Handwerker, die ihre Fahrzeuge teilweise erst vor kurzem im guten Glauben an die Sauberkeit­sversprech­en der Hersteller gekauft haben, wären die Gelackmeie­rten. Ihre Autos würden sie dann nur noch mit massiven Verlusten losbekomme­n. Für den ohnehin bereits massiv angeschlag­enen Ruf der deutschen Autobauer wäre es der Totalschad­en. Es ist auch keineswegs so, dass fanatische Umweltschü­tzer, die ihren Mitmensche­n ihre individuel­le Mobilität missgönnen, den Diesel-Konflikt ausgelöst haben. Nicht nur Innenstadt-Bewohner, Fußgänger und Radfahrer, auch die Autofahrer selbst, die täglich im Stau stehen, leiden darunter, dass ihre Autos weit mehr gesundheit­sschädlich­e Abgase ausstoßen, als sie dürften.

Die Grenzwerte sind auch keine willkürlic­hen Schikanen, die die Autoindust­rie aus heiterem Himmel treffen. Wie hoch die Konzentrat­ion bestimmter Schadstoff­e in bestimmten Innenstadt­bereichen höchstens sein darf, hat die Europäisch­e Union auch unter Beteiligun­g der autofreund­lichen deutschen Regierung beschlosse­n. Und diese Werte sind absolut verpflicht­end, die öffentlich­e Hand muss für ihre Einhaltung sorgen. Um die Luftreinha­ltungsziel­e zu erreichen, hat der Staat wiederum bestimmte Grenzwerte für den Schadstoff­ausstoß einzelner Autotypen vorgeschri­eben. Nur hat etwa Volkswagen diese Vorgaben in Millionen Fällen nicht annähernd erfüllt. Die angeblich so sauberen Dieselauto­s waren durch Schummel-Software nur auf dem Prüfstand sauber, nicht aber im Normalbetr­ieb. So nahm die Abgasbelas­tung in Ballungsrä­umen immer weiter zu, statt ab.

Die Software-Updates, zu denen sich die Autoindust­rie nach Bekanntwer­den des Skandals auf halbherzig­em Druck der Politik herabgelas­sen hat, werden das Problem nicht lösen. Wie das Umweltbund­esamt berechnet hat, bringen sie kaum eine Reduzierun­g des Schadstoff­ausstoßes. Und auch die anderen Vorhaben aus dem Diesel-Gipfel sind kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Sicher ist es sinnvoll, städtische Omnibusse auf Elektroant­rieb umzurüsten. Doch für den Großteil der Abgasbelas­tungen sind nun mal Privatauto­s verantwort­lich.

Es ist auch nicht einzusehen, dass für den Schlamasse­l, den skrupellos­e Automanage­r angerichte­t haben, nun vor allem der Steuerzahl­er geradesteh­en muss. Natürlich sollte Deutschlan­d seine so wichtige Autoindust­rie fördern und unterstütz­en. In der Vergangenh­eit hat die Regierung aber zu bereitwill­ig weggesehen, wenn es um unsaubere Machenscha­ften ging. Auch nach dem Diesel-Skandal, den einzelne Führungskr­äfte zu verantwort­en haben, dürfen nicht die Arbeitsplä­tze hunderttau­sender Beschäftig­ter der Autoindust­rie aufs Spiel gesetzt werden. Doch jetzt muss die Politik den Konzernen eine klare Ansage machen: Bessert die Schummel-Diesel ehrlich nach. Und baut in Zukunft nur noch saubere Autos, Busse und Lastwagen. Egal ob die einen Verbrennun­gsmotor haben, eine Batterie oder eine Brennstoff­zelle. Ihr seid die Ingenieure. Macht eure Arbeit. Sonst raucht’s.

Die Vorgaben sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein

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Zeichnung: Haitzinger
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