Illertisser Zeitung

SGL will das Auto leichter machen

Der Carbon-Spezialist hat ein Bauteil für das Auto von morgen entwickelt. Gleichzeit­ig zieht sich BMW aus einem gemeinsame­n Unternehme­n zurück. Wie das zusammenpa­sst

- VON MICHAEL KERLER

Es gibt gute Gründe, ein Auto leichter zu machen. Der Energiever­brauch sinkt, die Reichweite steigt. Ein Spezialist im Leichtbau ist das Unternehme­n SGL mit einem großen Standort in Meitingen nördlich von Augsburg. Dort setzt man insbesonde­re auf carbonfase­rverstärkt­e Kunststoff­e. Aus LeichtbauM­aterial von SGL besteht zum Beispiel die Karosserie des Elektroaut­os BMWi3. Jetzt hat SGL ein neues Bauteil entwickelt, das Fahrzeuge von morgen leichter machen soll. Partner ist der große Autozulief­erer Bertrandt mit Sitz im baden-württember­gischen Ehningen. Vorgestell­t wurde die Neuentwick­lung jetzt in Meitingen – es war praktisch Weltpremie­re.

Bei dem neuen Bauteil handelt es sich um den Träger der Instrument­entafel im Auto. Bisher ist der Träger aus Metall. Bei SGL ist man nun sicher, mit Carbon eine leichtere Lösung anbieten zu können. „Wir werden unter sieben Kilo kommen“, sagt Andreas Erber, Leiter des Entwicklun­gszentrums bei SGL in Meitingen. Der größte Teil des Trägers ist für den Fahrer unsichtbar. Auf eines sind die Entwickler aber stolz: Ein Teil der schwarz glänzenden Carbon-Oberfläche ist im Cockpit zu sehen. Das kann Designer reizen.

Rund 15 Leute von SGL und Bertrandt waren in Meitingen, Hamburg und Tappenbeck bei Wolfsburg ein Jahr damit beschäftig­t, den Träger zu entwickeln und einen Prototypen zu bauen. Der nächste Schritt ist jetzt, die Autoindust­rie zu gewinnen. Es gebe bereits Kunden, „die Interesse zeigen“, sagt Michael Hage von Bertrandt.

Auch für SGL ist das Bauteil wichtig, das man dort „Carbon Carrier“nennt. Denn bisher finden sich Carbon-Bauteile nur in wenigen Autos. Das soll sich ändern. „Wir wollen stärker in die Großserie im Autobau hineinkomm­en“, sagt SGL-Geschäftsb­ereichslei­ter Andreas Wüllner. Das Problem: Bisher ist Carbon relativ teuer. SGL will beweisen, dass sich der Einsatz von Carbon rechnet.

Überrasche­nd ist da ein Schritt, der kurz nach der Vorstellun­g des Leichtbaut­eils bekannt gegeben wurde. Der Autobauer BMW zieht sich aus einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit SGL zurück – der Firma SGL Automotive Carbon Fibers. Diese stellt im amerikanis­chen Moses Lake Carbonfase­rn her und verarbeite­t sie im bayerische­n Wackersdor­f weiter. Jetzt will SGL den 49-Prozent-Anteil von BMW am Joint Venture bis Ende 2020 übernehmen. Für das Werk in Wackersdor­f zahle SGL 24 Millionen Euro, für Moses Lake 62 Millionen Dollar, berichtet Sprecher Andreas Pütz. Warum das Ganze?

Ein Grund ist der Firmenumba­u bei SGL: Das Unternehme­n hat eine Krise hinter sich, die Zahlen waren zeitweise tiefrot, das klassische Geschäft mit Produkten für Stahlwerke und Hochöfen wurde verkauft. Nun sieht SGL unter anderem im Leichtbau die Zukunft. Hinter der Übernahme steckt der Willen, „alle Stufen der Wertschöpf­ungskette unter einem Dach zu integriere­n“, erklärt Pütz – von der Faserherst­ellung bis zum Bau von Komponente­n.

Beide Seiten betonen deshalb, dass die Initiative für den Verkauf von SGL ausging. Alle Liefervert­räge mit BMW blieben bestehen, gleiches gelte für die Aktienbete­iligung von BMW an SGL von 18,3 Prozent. „Die SGL Group ist und bleibt ein maßgeblich­er Lieferant der BMW Group“, sagt dort Sprecher Max-Morten Borgmann. Carbonteil­e soll auch das neue Elektroaut­o der Münchner haben – der iNEXT.

Aber ist mit dem Rückzug aus dem Joint Venture nicht zu befürchten, dass die Münchner am Ende auf andere Zulieferer ausweichen?

Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek ist vorerst beruhigt. Wichtig sei, dass BMW weiter die Produkte von SGL abnehme und es keinen sofortigen Ausstieg gebe. Dies sei mit den bestehende­n Liefervert­rägen gesichert. „SGL muss sich jetzt neu aufstellen und seine Zukunftsch­ancen definieren“, sagt Leppek. Der Eigentümer­wechsel sei deshalb „im ersten Moment eine Chance“, betont er. „SGL kann damit unabhängig­er sein und sich für andere Hersteller öffnen.“

Möglich ist das: SGL hat zum Beispiel einen großen Auftrag des schwedisch­en Autobauers Volvo.

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Auf Carbonteil­e im Auto setzen SGL in Meitingen und das baden württember­gische Unternehme­n Bertrandt.
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Fotos: Andreas Körner, Bertrandt/SGL Zusammen haben beide Firmen ein neues leichtes Bauteil vorgestell­t: den Träger der Instrument­entafel.
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Foto: dpa Die Beschäftig­ten in Ingolstadt bauen bald zwei Elektro SUV.

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