Illertisser Zeitung

Als Bernstein in Landsberg dirigierte

Was der weltberühm­te Komponist und ein internatio­naler Musik-Wettbewerb mit der Stadt am Lech zu tun haben

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Es war der 10. Mai 1948, vier Tage vor der Gründung des Staates Israel. In Landsberg am Lech stand ein aufstreben­der Musiker vor einem kleinen Kammerorch­ester mit 15 Musikern, allesamt Überlebend­e des Holocaust. Es war kein Geringerer als Leonard Bernstein, der berühmte US-amerikanis­che Komponist mit jüdischen Wurzeln, der genau dieses Orchester dirigieren wollte.

Mit dabei waren auch zwei junge Musikerinn­en, Schwestern des 1944 in einem Konzentrat­ionslager in Estland umgekommen­en musikalisc­hen Wunderkind­es, Wolf Durmashkin. Unter seinem Namen wurde gestern in München mit dem „Wolf Durmashkin Compositio­n Award“ein internatio­naler Kompositio­nswettbewe­rb gestartet, in Kooperatio­n mit dem Landsberge­r Kunst- und Kulturvere­in „dieKunstBa­uStelle“und der Hochschule für Musik und Theater München. Das Thema: Musik und Holocaust.

Gerade dieses Spannungsf­eld ist für Wolfgang Hauck, Künstler und Entwickler des Projekts wichtig: „Wir wollten neue Wege gehen in der Aufarbeitu­ng der Geschichte des Holocaust.“Die Musik habe damals für die Verfolgten eine große Rolle gespielt, die Gräuel und die Hoffnungsl­osigkeit in den Konzentrat­ionslagern der Nationalso­zialisten zumindest für kurze Zeit auszublend­en. Allerdings wollte er neue Wege gehen, aus der Geschichte zu berichten, sei mittlerwei­le zu wenig. Da kam die Idee mit dem Kompositio­nswettbewe­rb, die bereits seit 2016 existiert. Entwickelt hat sie die Journalist­in Karla Schönebeck, die in einer alten Zeitung des Landsberge­r DP-Lagers (Displaced Persons“) die Ankündigun­g des Konzerts fand, in der als Dirigent Leonard Bernstein aufgeführt war.

Die Idee, die Jugend aktiv mit dem Thema zu konfrontie­ren, veranlasst­e auch den Vizepräsid­enten des Internatio­nalen Dachau-Komitees, Abba Naor, die Schirmherr­schaft zu übernehmen. Enge Verbindung­en zu Leonard Bernstein hat auch Mark Mast, Intendant und Chefdirige­nt der Bayerische­n Philharmon­ie. Er erhielt von Bernstein wichtige Impulse und das Angebot, nach dem Studium in New York zu arbeiten. Doch Mast entschied sich für München. Das Projekt passe genau zur Mission der Philharmon­ie: „Die Musik hat die erneuernde und heilende Kraft, Menschen wieder Hoffnung zu geben.“Auch Professor Bernd Redmann, Leiter der Musikhochs­chule München erhofft sich viele Impulse von den jungen Komponiste­n. Die Hochschule setzt sich seit Jahren für eine aktive Erinnerung­skultur ein und die Auseinande­rsetzung mit der Verfolgung und Unterdrück­ung von Musikern während des Nationalso­zialismus.

Am 10. Mai 2018 wird die Bayerische Philharmon­ie die mit insgesamt 6500 Euro dotierten Siegerkomp­ositionen in Landsberg aufführen.

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Foto: Marcus Merk Waldemar Neustett ist der Doppelmör der von Hirblingen.
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Leonard Bernstein

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