Illertisser Zeitung

„Chapes“schwerer Neuanfang

Vor einem Jahr stürzt das Flugzeug mit dem brasiliani­schen Fußballtea­m ab. Nur sechs Menschen überleben das Unglück. Die Wunden heilen sehr langsam

- (dpa)

Valeria Zampier sitzt zitternd vor dem Fernseher. Sie sieht ein Trümmerfel­d. Sie denkt, ihr Sohn Hélio Zampier Neto ist tot. Wie so viele andere Fußballer des brasiliani­schen Klubs Chapecoens­e. „Dann wurde eine Trage im Fernsehen gezeigt. Und als ich die Füße sah, wusste ich: Das ist Netinho.“

Bei dem Flugzeugab­sturz in der Nacht vom 28. auf den 29. November 2016 starben 71 Menschen, nur sechs überlebten. Und einer davon war Hélio Neto, der vor dem größten Spiel seiner Karriere stand: das Hinspiel um die Copa Sudamerica­na gegen Atlético Nacional aus Medellín. Seine Mutter hatte sich geirrt. Sie glaubt nun noch stärker an Gott.

Nie zuvor hatte der 1973 gegründete Fußballver­ein Chapecoens­e aus der Stadt Chapecó im Süden Brasiliens das Finale des Südamerika­Cups erreicht. Dann kam es auf dem Hinflug zur Tragödie in Kolumbien.

Die Wunden heilen ein Jahr danach nur langsam, und auch der sportliche Neubeginn mit mehr als 20 neuen Spielern ist schwer. Zwei Trainer mussten in dieser Saison bereits gehen, nach langem Abstiegska­mpf feierte „Chape“in Brasiliens Serie A erst kurz vor dem Jahrestag den Klassenerh­alt.

Der 32-jährige Neto wurde erst mehrere Stunden nach dem Absturz als Letzter gefunden. Er erlitt durch den Aufprall schwere Rückenverl­etzungen. Er hofft, dass er im Jahr 2018 sein Comeback feiern kann.

Allein 19 Fußballer kamen bei dem Absturz von Flug LaMia 2933 am Berg „El Gordo“ums Leben – dazu Teambetreu­er, Funktionär­e und mitreisend­e Journalist­en. Die Bilder aus dem Stadion des Klubs, auf dessen Spielfeld Anfang Dezember 2016 die Särge der Verunglück­ten getragen wurden, gingen um die Welt. Der Reporter Rafael Henzel, der wie Neto den Absturz überlebte, verarbeite­t in einem Buch das Geschehene. Für ihn handelt es sich um die „größte Tragödie im Weltsport“in jüngerer Zeit.

Als Schuldigen benennt er den Piloten, Miguel Quiroga, der bei dem Absturz auch starb. Quiroga hatte – wohl aus Spargründe­n – nach Einschätzu­ng der Ermittler auf einen Tankstopp in Bogotá verzichtet. Wegen Spritmange­ls stürzte das Charterflu­gzeug der bolivianis­chen Gesellscha­ft LaMia bei Medellín kurz vorm Zielflugha­fen ab. Weil kein Sprit mehr an Bord war, explodiert­e es nicht – nur daher gab es überhaupt Überlebend­e.

Vieles ist bis heute ungeklärt. Mehrere Witwen baten zuletzt den früheren brasiliani­schen Fußballsta­r und heutigen Senator Romario um Unterstütz­ung, da die Verfahren um Entschädig­ungen und die Bestrafung der Verantwort­lichen wegen der beteiligte­n Länder Kolumbien (Unfallort), Bolivien (Sitz der Airline) und Brasilien (Land der Opfer) nur schleppend vorankomme­n.

Ein besonderes Ereignis auf dem Weg zur Normalität war die Reise des komplett neuformier­ten Teams im Mai nach Medellín. Erneut sollte es gegen Atlético Nacional gehen, dieses Mal kam „Chape“an und verlor 1:4. Das war aber egal. Beide Vereine verbindet seit der Tragödie eine tiefe Freundscha­ft.

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Das Stadion von Chapecoens­e wurde zur Trauerstät­te – nachdem in der Nacht zum 29. November 2016 insgesamt 71 Menschen bei einem Flugzeugab­sturz ums Leben gekommen waren. Unter den Opfern waren 19 Spieler des Fußballklu­bs.
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Fotos: F. Bizerra Jr./S. Freitas, dpa Fußballspi­eler Hélio Neto mit Kollegen im Januar.

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