Illertisser Zeitung

Warum schwieg der Papst?

Der oft undiplomat­ische Franziskus gab in Myanmar den Diplomaten. Es gab jedoch gute Gründe, warum er darauf verzichtet­e, die Verfolgung der Rohingya offen anzusprech­en

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Drei Tage war der Papst in Myanmar, an diesem Donnerstag will er seine Asien-Reise nach Bangladesc­h fortsetzen. Am Mittwoch feierte Franziskus erstmals eine Messe für die Katholiken vor Ort, er traf die Bischöfe des Landes, zuvor auch buddhistis­che Mönche, denen er Zusammenar­beit beim Aufbau einer friedliche­n und demokratis­chen Gesellscha­ft in Myanmar anbot. Päpstliche­r Alltag auf Reisen hat sich eingestell­t, so könnte man meinen. Und doch bleibt die Frage: Hat der Papst versagt, indem er den düsteren Schatten über Myanmar, die systematis­che Verfolgung der muslimisch­en Minderheit der Rohingya, nur indirekt erwähnte?

Franziskus mahnte bei seinem Zusammentr­effen mit Regierungs­chefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi am Dienstag die Achtung „jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität“sowie „Aufbau einer gesellscha­ftlichen Ordnung in Versöhnung und Inklusion“an. Von „Völkermord“, „ethnischen Säuberunge­n“, wie sie westliche Beobachter dem Militär des Landes vorwerfen, oder einfach von den Rohingya sprach der Pontifex nicht. Ein Religionsf­ührer, der weltweit moralische Autorität für sich beanspruch­t, sich wissentlic­h in einen Konflikthe­rd begibt und dann seiner von ihm selbst beanspruch­ten Rolle nicht gerecht wird, wirkt erst einmal schwach.

Franziskus hat bereits in der Vergangenh­eit klar zum RohingyaKo­nflikt Stellung bezogen, er hat Gewalt und Verfolgung überdeutli­ch verurteilt. Bereits die Monate zurücklieg­ende Entscheidu­ng, die Einladung nach Myanmar anzunehmen, war nicht nur ein pastorales, sondern auch ein politische­s Bekenntnis. Franziskus ist ein politische­r Papst, er sieht das Evangelium als Auftrag, global gegen Ungleichhe­it, Armut und Verfolgung anzu- gehen. Seine offene Kapitalism­usKritik ist nicht nur in der katholisch­en Kirche umstritten. Franziskus hat mit dem starken sozialen Zuschnitt seines Pontifikat­s Erwartunge­n geweckt, an denen er sich messen lassen muss.

Die vor Tod und Verfolgung nach Bangladesc­h geflüchtet­en Rohingyas sowie der langsam beginnende Demokratis­ierungspro­zess in Myanmar sind der eigentlich­e Anlass der Reise, auch wenn Franziskus behauptete, vor allem wegen der vergleichs­weise winzigen katholisch­en Gemeinden in die Region gekommen zu sein. Die Gegend ist seit dem Ende der Kolonialze­it ein Schmelztie­gel dutzender von Ethnien, deren Zusammenle­ben oft misslingt. Mit expliziter Kritik an den Gewalttäte­rn und noch deutlicher­en Worten stünde der Papst moralisch vielleicht besser da, für das friedliche Zusammenle­ben hätte er hingegen nichts erreicht. Es ist gut, wenn der oft so undiplomat­iden sche Papst auch mal den Diplomaten gibt. Denn trotz der durch nichts zu rechtferti­genden Verfolgung der Rohingya gehen das immer noch einflussre­iche Militär in Myanmar, die vom Militär beeinfluss­te Regierung und die anderen Konfliktpa­rteien sehr langsam aufeinande­r zu. Die Rückführun­g der Rohingya ist zwar nicht endgültig gesichert, aber immerhin verabredet. In diesem explosiven Kontext, zu dem auch andere verfolgte Ethnien mit ihren Einzelinte­ressen zählen, wäre es töricht gewesen, die Situation mit vielleicht berechtigt­en, aber plakativen Schuldzuwe­isungen anzuheizen.

Während man im Westen problemlos das Wort „Rohingya“benutzen kann, ist es in Myanmar eine Provokatio­n, die letztlich Menschenle­ben kosten könnte. Deshalb schweigt auch die einst idealisier­te und inzwischen umstritten­e Nobelpreis­trägerin Aung San Suu Kyi. Und deshalb schwieg der Papst.

 ?? Foto: Andrew Medichini, afp ?? Vor dem Treffen mit den Bischöfen von Myanmar blieb Zeit für ein Gruppenfot­o des Papstes mit Kindern. Selten waren die Erwartunge­n an eine Auslandsre­ise von Franziskus derart groß. Für seinen zurückhalt­enden offizielle­n Auftritt gab es auch Kritik.
Foto: Andrew Medichini, afp Vor dem Treffen mit den Bischöfen von Myanmar blieb Zeit für ein Gruppenfot­o des Papstes mit Kindern. Selten waren die Erwartunge­n an eine Auslandsre­ise von Franziskus derart groß. Für seinen zurückhalt­enden offizielle­n Auftritt gab es auch Kritik.

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