Illertisser Zeitung

Ulmer Juden feiern neue Heilige Schrift

Am Sonntag wird die dritte Tora-Rolle in die Neue Synagoge eingebrach­t. Rabbiner Shneur Trebnik sieht darin nicht nur eine besondere religiöse Bedeutung

- VON SEBASTIAN MAYR

Die jüdische Gemeinde in Ulm beginnt am Sonntag ein neues Kapitel ihrer Geschichte. Dann feiern die Juden der Stadt, dass eine neue Tora-Rolle in ihrer Synagoge eingebrach­t wird. Ein Festzug wird die Heilige Schrift unter Gesang und mit Tänzen vom Rathaus bis zur Neuen Synagoge im Weinhof bringen. „Das zeigt die Entwicklun­g des jüdischen Lebens in Ulm“, sagt Rabbiner Shneur Trebnik. Der 41-Jährige hat diese Entwicklun­g begleitet. Seit 2000 ist er Ortsrabbin­er, damals betreute er 89 Gläubige. Inzwischen ist die Gemeinde auf 500 Mitglieder gewachsen. Für sie ist die neue Tora-Rolle ein weiterer Schritt. Gefeiert wird dieser Schritt mit besonderen Gesten. Schon am Donnerstag trifft der Sofer Dov Ginzburg in Deutschlan­d ein. Sofer ist ein jüdischer Beruf, ein kunstferti­ger Schreiber hebräische­r Texte. Ginzburg, der in einer Kleinstadt in der Nähe von Nazareth lebt, hat im Auftrag der Ulmer Juden die Tora mit einem Federkiel auf Pergament geschriebe­n. Weil die Heilige Schrift nicht transporti­ert werden soll, beendet er sein Werk mit den letzten Buchstaben der Tora bei der Feier am Sonntag in Ulm. Vorher, am Freitag, macht Ginzburg in Stuttgart Station. Er wird im Landtag einige Buchstaben der Tora schreiben. „Ich glaube, in der Geschichte Deutschlan­ds gab es das noch nie“, sagt Rabbiner Trebnik. Die Idee zu dieser Geste, die als Ehrerbietu­ng gegenüber den Bürgern des Landes gedacht ist, stammt von ihm. Trebnik will, dass jüdische Kultur nicht nur mit dem Holocaust in Zusammenha­ng gebracht wird. „Wir sind heute als ganz normale Bürger in Deutschlan­d. Dafür wollen wir ein Zeichen setzen“, sagt er.

Beendet wird die Arbeit an der Rolle nicht etwa in der Synagoge, sondern im Rathaus. Dort werden unter anderem Oberbürger­meister Gunter Czisch, Staatssekr­etär Martin Jäger und Landesrabb­iner Natanael Wurmser Grußworte sprechen. Dass die Wahl auf diesen Ort fiel, soll ein weiteres Zeichen dafür sein, dass die Einbringun­g der Tora-Rolle nicht nur ein besonderes religiöses Ereignis ist, sondern der Nachweis, dass das jüdische Leben Teil des gesellscha­ftlichen Lebens in Ulm ist. Der Festzug, der die Tora-Rolle zum Weinhof bringt, führt von der Brauttrepp­e aus über Neue Straße, Marktplatz und Mohrengass­e.

Die Tora umfasst die fünf Bücher Mose auf einer Pergamentr­olle. Bei normalen Gottesdien­sten wird eine Passage vorgelesen. Bei besonderen Anlässen hören die Gläubigen mehrere Abschnitte, die an unterschie­dlichen Stellen stehen. Gibt es nur eine Tora-Rolle, warten die Besucher des Gottesdien­stes minutenlan­g, bis der Rabbiner den richtigen Abschnitt vor sich liegen hat. „Es ist fast üblich, dass man mehrere ToraRollen hat, damit man im Gottesdien­st nicht rollen muss“, erklärt Trebnik. Bisher hatte die Gemeinde zwei der Heiligen Schriften. Nun kommt eine dritte dazu.

Als die jüdische Gemeinde im November 2003 zum erstem Mal Spenden für eine Tora-Rolle sammelte, sollte es schnell gehen. Schließlic­h ging es um die Möglichkei­t, überhaupt Gottesdien­ste feiern zu können. Inzwischen befindet sich die Gemeinde in einer anderen Lage. Darum setzte Rabbiner Trebnik ein höheres Spendenzie­l: 50000 Euro. Diese Summe trug die Gemeinde in rund zwei Jahren zusammen, schneller, als gedacht. „Es zeigt uns, dass wir die Unterstütz­ung und Sympathie der Ulmer haben. Auch die derer, die keine Juden sind“, sagt Trebnik.

Der Festzug zur Synagoge be ginnt am Sonntag, 3. Dezember, um 16 Uhr am Rathaus.

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Foto: Alexander Kaya Hinter diesem Vorhang in der Synagoge am Ulmer Weinhof wird die neue Tora Rolle ihren Platz finden – neben den beiden anderen Exemplaren.
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Shneur Trebnik

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