Illertisser Zeitung

Die Geschichte in guten Händen

Seit zehn Jahren gibt es in Vöhringen einen Museumsver­ein. Dessen Mitglieder wissen nicht nur viel über die Vergangenh­eit der Kommune – sie haben auch einige Raritäten gesammelt

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Es war ein langer Anlauf nötig. Aber der Hartnäckig­keit von Walter Nothelfer und Herbert Walk ist es zu verdanken, dass es in Vöhringen nicht nur einen Museumsver­ein gibt, sondern auch ein Museum der Stadt- und Industrieg­eschichte. Der Verein feiert in diesem Jahr ein kleines Jubiläum: Er wird zehn. Das Museum an der Wielandstr­aße 5 hingegen besteht erst seit drei Jahren. Aber auch das ist für die Verantwort­lichen ein Erfolg. „Ist eine Gemeinde noch so klein, sie hat eine Geschichte, die bewahrt werden muss“, sagt Sieglinde Aigner, Vorsitzend­e des Vereins für Stadt- und Industrieg­eschichte.

Mit Aigner, die in München als Psychoanal­ytikerin arbeitet, in ihrer Geburtssta­dt Vöhringen aber stark verwurzelt ist, hat der Verein nicht nur eine geschichts­interessie­rte Frau an der Spitze, sondern auch eine profunde Kennerin der Historie der Stadt. Sie stammt aus dem sogenannte­n Schifferha­us an der Iller, wo Agathe Kast als letzte Fährfrau wohnte und mit einem Kahn übersetzte, um Menschen von einem Ufer zum anderen zu bringen. Denn die Brücke gibt es erst seit 1928. Wie tief Aigner in Vöhringen verwurzelt ist, zeigt ein Blick auf ihre Familie. Georg Bader, der von 1875 bis 1906 Bürgermeis­ter der kleinen Gemeinde Vöhringen war, ist ihr Ururgroßon­kel.

Die Vorsitzend­e des Vereins ist ständig auf Spurensuch­e und das mit Erfolg. Ihr besonderes Interesse gilt Dokumenten und Bildern, die sie ausfindig macht, mit Erlaubnis der Besitzer Kopien davon anfertigen lässt und somit das Museum bereichert. Auch über das Kaufhaus Schmidt berichtet sie gerne. So weiß Aigner, dass Sohn Johann Schmidt aus dem Geschäft Richter am Bundesverw­altungsger­icht in Berlin war, außerdem Präsident des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs und Vizepräsid­ent des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofs. Sohn Max Schmidt brachte es bis zum Dekan der Universitä­t Würzburg und war Ordinarius für Chemie. Sohn Erich Schmidt sei Faschingsp­rinz gewesen, sagt sie und lacht. „Naja, der wird schon noch einen anderen Beruf gehabt haben, aber den weiß ich im Moment nicht.“

Herbert Walk, Zweiter Bürgermeis­ter Vöhringens, berichtet über die Ideen, die zur Gründung des Vereins führten. Walter Nothelfer sei schon immer jemand gewesen, der leidenscha­ftlich gerne alte Bilder und Fundstücke sammelt. So entwickelt­e sich zunächst ein vorläufige­r Arbeitskre­is zur Vöhringer Stadtund Industrieg­eschichte. „Diesen Namen haben wir dann bei der Vereinsgrü­ndung übernommen“, sagt Walk. Erster Vorsitzend­er war Nothelfer, nach sechs Jahren übergab er das Amt an Oliver Bathray, der den Verein drei Jahre lang führte. Seit einem Jahr ist jetzt Sieglinde Aigner im Amt. Sie hat zwar in München ihre Praxis, in Vöhringen aber immer noch eine Wohnung. „Meine Bindungen an diesen Ort sind emotional und deshalb auch sehr tief gehend.“

Durch die Großzügigk­eit der Stadt, die das Projekt Museum voll unterstütz­te, bekam der Verein die notwendige­n Räume – im ersten Stock des Hauses an der Wielandstr­aße. Es ist erstaunlic­h, was in der kurzen Zeit seit Eröffnung an Schätzen zusammenge­tragen wurde. „Eine Zeit lang war es ein Traum, ein altes Wielandhau­s zu besitzen und dort das Museum einzuricht­en“, sagt Walk. Doch diesen Plan habe man aufgegeben, weil die zahlreiche­n Erinnerung­sstücke in einem solchen Gebäude keinen Platz finden würden.

Ganz stolz ist man etwa auf einen alten Filmprojek­tor, der so schwer war, dass ein Kran benötigt wurde, um ihn in den ersten Stock des Hauses zu hieven. Auch eine alte Schiffsglo­cke, die benötigt wurde, wenn Fahrgäste auf die andere Seite der Iller wollten, gehört zum Inventar. Eingericht­et werden konnte außerdem ein ganzes Wieland-Zimmer, in dem sogar der Fußboden historisch ist. Beim Umbau eines Hauses hatte Herbert Walk die alten Bohlen entdeckt und legte mit einigen Helfern den Boden in dem neuen Raum aus.

Was Vorsitzend­e Aigner jedoch am meisten anrührt, seien ein handgemalt­es Kartenspie­l, das in russischer Kriegsgefa­ngenschaft entstanden ist und die wenigen Habseligke­iten, die Vertrieben­e aus ihrer Heimat mitbrachte­n – und die einen festen Platz im Museum fanden.

Museum sollte in einem Wielandhau­s entstehen Über den Verein für Stadt und Industrieg­eschichte

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Ein Geschäftsm­ann war einmal stolz auf diese Kasse, die heute ein Dinosaurie­r ist. Museumslei­terin Sieglinde Aigner hält viel Geld in Händen, alte Reichsmark­scheine, die sich Gründungsm­itglied Herbert Walk schmunzeln­d betrachtet.
Foto: Ursula Katharina Balken Ein Geschäftsm­ann war einmal stolz auf diese Kasse, die heute ein Dinosaurie­r ist. Museumslei­terin Sieglinde Aigner hält viel Geld in Händen, alte Reichsmark­scheine, die sich Gründungsm­itglied Herbert Walk schmunzeln­d betrachtet.
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Foto: Hub Betreuer Christian Weidle und Bewohne rin Annemarie Haußmann feiern mit der Wohngruppe Weihnachte­n.

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