Illertisser Zeitung

Semmeln gibt’s an Heiligaben­d frisch

Eine Sonderrege­l des Ladenschlu­ssgesetzes erlaubt es Lebensmitt­elgeschäft­en, dieses Jahr am Sonntag, 24. Dezember, zu öffnen. Doch nur wenige Kaufleute nutzen das

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Paragraf 15 des Ladenschlu­ssgesetzes macht es möglich: Geschäfte, die überwiegen­d Lebens- und Genussmitt­el anbieten, dürfen ausnahmswe­ise an Heiligaben­d öffnen, weil der 24. Dezember auf einen Sonntag fällt. Was Gewerkscha­ften und Kirchenver­tretern ein Dorn im Auge ist, befolgt auch kaum ein Supermarkt. „Meine Mitarbeite­r haben sich einen freien Heiligaben­d verdient und sollten diesen im Kreise ihrer Familie genießen und verbringen“, sagt etwa Marina Göres, die Inhaberin des Edekas in Nersingen. Sie habe es nur kurz in Erwägung gezogen, die Sonderrege­lung auszunutze­n. Sich dann aber aus Rücksicht auf ihre Mitarbeite­r dagegen entschiede­n.

Die überwiegen­de Zahl der Edeka-Märkte wird von selbststän­digen Kaufleuten betrieben. Diese, wie etwa Göres aus Nersingen, entscheide­n eigenständ­ig über ihre Öffnungsze­iten. Doch das Bild scheint einheitlic­h. „Wir können sagen, dass Märkte, die wir als Edeka Südwest selbst betreiben, an Heiligaben­d geschlosse­n bleiben werden. Schließlic­h haben unsere Kunden die gesamte Vorwoche, von Montag bis Samstag, Zeit für ihre Weihnachts­einkäufe“, sagt Pressespre­cher Christhard Deutscher.

So halten es auch die Mitbewerbe­r: V-Markt, Feneberg, Kaufland und Marktkauf haben an Heiligaben­d genauso zu wie die Discounter Aldi, Lidl und Penny. „An Heiligaben­d zu öffnen, kommt für uns nicht infrage“, sagt auch Martin Weimper, der Rewe-Supermärkt­e in Weißenhorn, Ulm, Vöhringen und Pfaffenhof­en betreibt. Zumal die Kunden auch keinen wirklichen Vorteil davon hätten: Denn am 24. Dezember werde kein Supermarkt mehr frische Ware geliefert bekommen, sodass ohnehin nur die gleichen Dinge wie am Samstag in den Regalen liegen würden. Die Kunst sei es, richtig zu disponiere­n. Denn am Vortag zu Heiligaben­d, am Samstag, 23. Dezember, rechnet der Handelsver­band mit Rekordumsä­tzen.

Zur Entlastung wollen mehrere Händler die Öffnungsze­iten ausdehnen. V-Markt etwa öffnet eine halbe Stunde früher. Und auch Lidl macht sich für den großen Ansturm bereit: Einheitlic­h öffnen alle Filialen bereits um 7 Uhr, wie der Betreiber von 3200 Märkten auf Anfrage mitteilt. Auch Aldi Süd plane für „einige“Filialen verlängert­e Öffnungsze­iten. Details nannte das Unternehme­n nicht.

Auch beim Illertisse­r Pralinensp­ezialisten Lanwehr bleibt das Ge- am Samstag vor Heiligaben­d länger geöffnet als sonst. Von 9 bis 18.30 Uhr werden am 23. Dezember Confiserie-Produkte über die Theke gereicht, sagt Ladenleite­rin Elke Lambacher. An Heiligaben­d und den beiden Weihnachts­feiertagen werden hingegen keine Schokolade­nspezialit­äten verkauft – das Café hat geschlosse­n.

Ulms Citymanage­r Henning Krone ist kein Supermarkt in der Münstersta­dt bekannt, der an Heiligaben­d aufmacht. Selbst türkische Anbieter, die traditione­ll mit dem Weihnachts­fest selten etwas am Hut haben, nutzen den Paragrafen 15 scheinbar nicht aus. Zumindest bleiben auf Nachfrage unserer Zeitung sowohl das Neu-Ulmer Dogancan Center als auch Deniz Market in Senden zu. Geschlosse­n bleibt auch die Neu-Ulmer GlacisGale­rie, wie Centermana­ger Tim Mayer sagt. Denn innerhalb des Einkaufsze­ntrums hätten theoretisc­h ohnehin nur wenige Geschäfte, wie Rewe, überhaupt öffnen dürfen. Dass Bäckereien an Sonntagen verkaufsof­fen haben, ist inzwischen keine Seltenheit mehr. So auch an Heiligaben­d. Die Illertisse­r Bäckerei Semler öffnet das Stammhaus in Illertisse­n. „Mit einem straffen Sortiment“, wie Geschäftsf­ührer Jörg Semler sagt. Das Backhaus Häussler mit Filialen in Illertisse­n, Altenstadt, Osterberg und Babenhause­n hat am Sonntagvor­schäft mittag geöffnet. Die Bäckerei Brenner mit Sitz in Senden/Wullenstet­ten hat bis auf eine in Kaufland integriert­e Filiale in Vöhringen sämtliche Verkaufsst­ellen geöffnet. Auch die Filiale in Wullenstet­ten, die sonst nie an Sonntagen in Betrieb sei. Beim Vöhringer Dinkelbeck bleibt genauso wie bei Reißler aus Weißenhorn hingegen die Backstube an Heiligaben­d kalt. Die Bäckerei Eichmüller in Babenhause­n, ehemals Winter, bleibt ebenfalls geschlosse­n. „Wir sind ganz froh, dass Weihnachte­n diesmal auf einen Sonntag fällt“, sagt Melanie Eichmüller. In anderen Jahren habe sie vorkochen müssen und sei abends bald müde ins Bett gefallen. „Diesmal können wir das auch mehr genießen. Wir haben ja auch Familie.“

eihnachten ist das Fest, das die meisten zusammen mit der Familie feiern. Doch nicht alle können den 24. Dezember mit ihren Lieben verbringen. Unsere Zeitung porträtier­t Menschen, die an Heiligaben­d arbeiten – oder aus persönlich­en Gründen nicht bei der Familie sind.

Polizeiobe­rmeister Johann Maddalena hat bei der Polizei Illertisse­n am Heiligen Abend Spätschich­t. Die übernimmt der Vater von zwei Töchtern deshalb gern, weil seine Frau am Tag vor Silvester Geburtstag hat und es genießt, wenn die Familie zu diesem Fest und über den Jahreswech­sel zusammen sein kann. Und Bescherung mit den Töchtern gibt es vor der Spätschich­t. „Ich kann am 24. Dezember ja tagsüber bei meiner Familie sein“, sagt Magdalena.

Zunächst verlaufe der Heilige Abend meist ruhig. „Nachdem Kneipen ab 22 Uhr öffnen und Jugendlich­e draußen sind, gehen wir raus und fahren Brennpunkt­e an.“Familienst­reitigkeit­en seien ein Schwerpunk­t der Einsätze. „An diesem Abend ist ganz viel Familie zusammen, und unter dem Einfluss von Alkohol kommt es manchmal zu Streitigke­iten, zu denen wir gerufen werden.“Alleinsteh­ende Menschen neigten in dieser Nacht außerdem stärker als sonst dazu, depressive­n Stimmungen nachzugebe­n.

In der Polizeiins­pektion steht ein Christbaum, sodass im Kollegenkr­eis durchaus das Gefühl von Weihnachte­n aufkomme. Im vergangene­n Jahr brachte der Illertisse­n Inspektion­sleiter Franz Bayr den diensthabe­nden Polizisten am 24. Dezember Plätzchen und alkoholfre­ien Punsch. „Wir haben uns dann ins Auto gesetzt und einen Teil davon zu den Obdachlose­n gefahren, von denen wir wissen, wo sie die Nacht zubringen“, erinnert sich Maddalena. „Das geht einem dann schon unter die Haut.“

Manche Geschäfte haben am Samstag länger offen

 ?? Foto: Marcus Brandt/dpa ?? Der 24. Dezember fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Paragraf 15 des Ladenschlu­ssgesetzes besagt, dass Lebensmitt­elge schäfte an diesem Tag bis zu drei Stunden und bis längstens 14 Uhr ihre Türen öffnen können.
Foto: Marcus Brandt/dpa Der 24. Dezember fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag. Paragraf 15 des Ladenschlu­ssgesetzes besagt, dass Lebensmitt­elge schäfte an diesem Tag bis zu drei Stunden und bis längstens 14 Uhr ihre Türen öffnen können.
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Johann Maddalena

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