Die Bretter, die ihm die Welt bedeuten
Peter Kelichhaus feiert in diesem Jahr sein 60. Bühnenjubiläum. In seiner Jugend lernte er große Schauspieler kennen und brachte später die Faszination fürs Theater nach Vöhringen
Peter Kelichhaus ist ein viel beschäftigter Mann: Er ist gelernter Bankkaufmann, betreibt ein Schreibwarengeschäft, führt Weinkabinett und Buchhandlung und ist ehrenamtlich tätig. Seine Leidenschaft gehört jedoch dem Theater: Als Darsteller steht er gerne auf der Bühne, als Spielleiter hält er die Fäden in der Hand und drückt Inszenierungen seinen Stempel auf. In diesen Tagen kann der gebürtige Bremer sein 60. Bühnenjubiläum feiern.
In Vöhringen hat Kelichhaus die Laienbühne Podium 70 gegründet, die älteste der Stadt. Premiere war im Jahr 1970 mit dem Stück „Auf hoher See“von Slawomir Mrozek. Seine persönliche Premiere erlebte er im Schultheater in „Der Narr mit der Hacke“von Eduard Reinacher. Da war er gerade einmal 14 Jahre alt. Heute ist er 73 und die Liebe zum Theater ist stärker denn je – erkennbar auch an der Auswahl der Stücke, die er auf die Bühne bringt.
Kelichhaus kommt von der Waterkant, aus Bremen, dessen Theater in der Nachkriegszeit und den Jahrzehnten danach eine wesentliche Rolle in der deutschen Theaterlandschaft gespielt hat. Die Bühne galt als Talentschmiede. Bruno Ganz, Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder oder Kurt Hübner als Intendant, der auch in Ulm tätig war, fanden an der Bühne dieses Theaters ihre ersten Engagements. Heute zählt Bruno Ganz zu den Großen der Schauspielkunst. „Ich lernte sie auf der Bühne in meinen Jugendjahren kennen. Ich erinnere mich noch daran, als in den Zeitungen damals die Rede davon war, ob Ganz für die Rolle des Hamlet wohl geeignet sein würde. Heute lächelt man nur noch über solche Überlegungen“, erinnert sich Kelichhaus.
Wenn andere ins Kino gingen, radelte der junge Mann ins Theater, die Krawatte in der Jackentasche. „Manchmal wusste ich gar nicht, was gespielt wurde. Ich fuhr einfach ins Theater und kaufte mir für zwei Mark eine Schülerkarte.“Das Interesse für alles, was mit Kunst zu tun hatte, verdankt Kelichhaus seinem Vater. Er war Lehrer, ein guter Sänger und Dirigent gleich mehrerer Chöre. Auch Peter Kelichhaus selbst hatte eine schöne Stimme. Sein Vater habe ihm deshalb vorgeschlagen, zu den Domspatzen nach Regensburg zu gehen. „Nee, da wollte ich nicht hin, zu weit weg. Ich wollte lieber in Bremen Fußball spielen“, sagt Kelichhaus heute und lacht.
Stattdessen besuchte er Schauspielseminare, dramatische Kurse, lernte viel über Bühnenausstattung, Dialogregie und spielte in der Volkshochschule. Dort hatte man seine Begabung erkannt. „Du solltest eine Schauspielschule besuchen“, habe sein Vater zu ihm gesagt. Aber der junge Mann war das älteste von zehn Kindern mit einem gesunden Sinn für die Realität. „Ich weiß noch, wie ich zu meinem Vater sagte: ‚Wie soll das gehen?‘“. Damit spielte Kelichhaus auf die finanzielle Situation der Familie an. Die Schauspielschule kostete Geld – bei einer so großen Familie sei das nicht machbar gewesen.
Im Jahr 1968 dann verließ er den hohen Norden und kam nach Vöhringen. Er übernahm das Schreibwarengeschäft seines Onkels Franz Aulich. Aus seiner Hinwendung zur Bühne machte er nie einen Hehl. So traf er über Bekannte Wilfried Hamann, der auch gern Theater spielte. Eine kleine Gruppe kam daraufhin zusammen, die 1969 das Podium aus der Taufe hob. Als dann die Mrozek-Premiere 1970 erfolgreich über die Bühne gegangen war, benannte man das Theater „Podium 70“. Durch Kelichhaus’ gutes Verhältnis zu Pfarrer Wilhelm Starck von der evangelischen Kirchengemeinde wurde das Gemeindehaus zur Hausbühne. Das ist sie bis heute geblieben.
Anfänglich ließ sich alles nur zögerlich an. Aber aus Bremen habe er gewusst, dass Pressearbeit für ein Theater wichtig ist. Er bat die Redaktion der Heimatzeitung um Berichterstattung. „Und dann geschah etwas Merkwürdiges. Auf einmal stand in der Zeitung: Endlich mal kein Tortentheater oder handfeste Schwänke, sondern Theater mit Anspruch“, blickt Kelichhaus zurück.
Mit dem Ensemble spielte er Anouilh, Camus, Kafka, Sartre oder Klassiker wie Lessing. „Ich habe 140 Stücke inszeniert und selbst auf der Bühne gestanden.“Heute räumt Kelichhaus rückblickend ein, dass so viel tief gehendes Theater mit Anspruch nicht unbedingt einen Besucher-Run nach sich gezogen habe. Aber mit der Zeit drang der Ruf der Bühne über Vöhringen hinaus. Zuschauer kamen aus Weißenhorn, Senden oder Neu-Ulm.
In jüngster Zeit widmete sich der 73-Jährige auch den Komödien: die Königsdisziplin für Regisseure. „Da muss jeder Pointe sitzen, die Dialoge perfekt sein“, sagt er. Mit den vergangenen Produktionen reüssierte die Bühne in diesem Genre. Die Theatertage, die er initiierte, brachten auch andere Bühnen nach Vöhringen. Heute werden Inszenierungen bis zu zehnmal gespielt. Manch ein theatererfahrener Zuschauer nennt das Podium in Anlehnung an das Münchner Haus Vöhringens kleine Komödie.
Ob er auch manchmal ans Aufhören denkt? „Ich mache weiter, weil ich einfach die Lust verspüre, mehr zu machen“, sagt Kelichhaus zögernd, aber wohl überlegt.
„Bei Komödien muss jede Pointe sitzen.“