Schweden führt Sex Genehmigung ein
Männer müssen sich vor dem Geschlechtsverkehr das Einverständnis bei einer Frau einholen. Am besten schriftlich. Auch bei der Ehefrau. Kritiker schütteln den Kopf
Die MeToo-Debatte, die wegen der sexuellen Übergriffe des Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein und weiterer Stars weltweit entstanden ist, hat in Schweden besondere Wellen geschlagen. Die auch feministisch orientierte rotgrüne Regierung in Stockholm will nun die Gesetze für Sexualstraftaten radikal verschärfen. In Schweden müssen Frauen zukünftig ihrem Partner nicht mehr mit einem verbalen „Nein“oder körperlich deutlich machen, wenn sie keinen Sex möchten. Es obliegt dem Mann, die Frau aktiv um Erlaubnis zu bitten. Sonst droht eine Verurteilung wegen Vergewaltigung. Auch wenn es zu keiner Auseinandersetzung, Gewalt oder anderweitiger Bedrohung vor oder beim Sex kam. Eine mündliche Genehmigung soll ausreichen. Wer aber sichergehen will, sollte sich etwas Schriftliches geben lassen, kommentierten Schweden in Internetforen. Schließlich stünde sonst ja Wort gegen Wort.
Das neue „Einverständnis-Gesetz“soll am 1. Juli 2018 in Kraft treten. Sämtliche Parlamentsparteien stehen dahinter. Die Einverständnisregel gilt dabei für alle. Sowohl für sich relativ unbekannte Paare, die spontan Sex haben, als auch für langjährige Beziehungen inklusive Ehen als auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen.
„Die Botschaft ist einfach. Du musst dich bei der Person, mit der du Sex haben willst, erkundigen, ob sie Sex haben will. Wenn du dir unsicher bist, musst du es lassen. Sex muss freiwillig sein“, verkündete der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven in einer Weihnachtsrede. Damit machte er das Thema zur Chefsache.
Um mehr Personen verurteilen zu können, werden zwei neue Tatbestände eingeführt. Die „unachtsame Vergewaltigung“und der „unachtsame sexuelle Übergriff“. Sie gelten übrigens auch für jene seltenen Fälle, in denen Frauen sich an Männern vergehen. Bereits jetzt ist die Gesetzgebung in Schweden scharf. So wurde etwa nach dem Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen Verdachts auf „weniger grobe Vergewaltigung“gefahndet.
Was das hieß? Er benutzte kein Kondom bei einem ansonsten von den Frauen als einvernehmlich umschriebenen Sex. Danach waren sie auch zunächst, laut eigenen Aussagen, weiter mit Assange befreundet. Dann jedoch waren sie auf einmal der Meinung, missbraucht worden zu sein. Es wurde ein internationaler Haftbefehl ausgestellt. Mit der Gesetzesverschärfung in Schweden kommt nun eine weitere politische Dimension hinzu. Im kommenden Jahr sind Parlamentswahlen. Die MeToo-Kampagne schlägt derzeit in dem schon jetzt feministisch geprägten Land viel größere Wellen als andernorts in Europa.
Hunderte von Frauen berichteten derzeit täglich in sozialen und klassischen Medien darüber, wie sie im Schlaf oder im betrunkenen Zustand vergewaltigt wurden und deshalb nicht „nein“sagen konnten. Oft beschreiben sie auch, dass sie beim Akt zwar völlig gegenwärtig waren, aber psychisch „eingefroren“und es ihnen deshalb nicht möglich war, „nein“zu sagen.
Zudem, so berichtet etwa eine Politikerin der Grünen anhand eigener Erfahrungen offen auf Facebook, würden Frauen auch erst Tage oder Wochen nach dem Sex bewusst, dass sie eigentlich vergewaltigt worden sind. Zahlreiche Männer in allen möglichen Branchen wurden – übrigens ohne dass ein juristisches Verfahren mit entsprechendem Urteil stattfand – gefeuert, nachdem führende Zeitungen sie namentlich in Artikeln nannten, in denen anonym gehaltene Frauen sie sexueller, teils Jahrzehnte zurückliegender sexueller Übergriffe bezichtigten. Bedenken daran gebe es kaum. Das Prinzip der Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung hätten führende Landesmedien teils völlig aufgehoben, kritisierte ein älterer männlicher Kolumnist der Zeitung
Er schrieb von einer „Hexenjagd mit Zügen von Stalins Säuberungsaktionen“– und wurde dafür gefeuert.
Ähnlich ist es auch mit dem geplanten Gesetz. Sämtliche Parlamentsparteien sind dafür. Gegenstimmen gab es fast ausschließlich von Juristen. „Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder neuen sexuellen Handlung immer wieder erneut um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene Menschen wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen auf diese Weise setzt“, kritisierte Anne Ramberg, Chefin des schwedischen Anwaltsverbundes, im Interview mit dem Sender „Es wird mehr Anzeigen geben, aber ob es auch zu mehr Verurteilungen kommt, ist noch offen“, sagt
Mats Knutson. Schwedens Polizei sei bereits jetzt völlig überlastet. Die Regierung hat ihr mehr Ressourcen versprochen.