Illertisser Zeitung

Widerspruc­h per Brief

Im Drogenhand­el-Prozess gab es erstmals eine Darstellun­g des Sachverhal­ts aus Sicht des Angeklagte­n

- VON WILHELM SCHMID (wir berichtete­n).

Kleiner Fortschrit­t im Memminger Landgerich­tsprozess gegen einen 35-Jährigen, der wegen Rauschgift­handel und räuberisch­er Erpressung angeklagt ist: Am dritten Verhandlun­gstag gab es erstmals eine längere Darstellun­g aus Sicht des Angeklagte­n. Der Mann verweigert zwar nach wie vor die Aussage, das Gericht aber gab den Inhalt zweier Briefe bekannt, die der Beschuldig­te aus der Untersuchu­ngshaft an Freunde geschriebe­n hatte.

Der Angeklagte widerspric­ht darin den Vorwürfen der Staatsanwa­ltschaft. Diese beschuldig­t ihn, einem Italiener mindestens 24 Mal Kokain verkauft und dann den Kaufpreis trotz zwischenze­itlicher Zahlungen inklusive Strafzinse­n auf nahezu 2000 Euro hochgetrie­ben zu haben Zudem soll der Angeklagte den „Kunden“, dessen Freundin und deren Sohn mit dem Tode bedroht haben, falls dieser nicht bezahle. Die Freundin hatte bereits ausgesagt, sie habe dem Slowenen daher ihren Arbeitsloh­n einschließ­lich Kindergeld gegeben.

Bei einem für die Zahlung arrangiert­en Treffen auf dem Parkplatz eines Vöhringer Supermarkt­es wurde der Slowene im Mai festgenomm­en, wobei ihm ein Eisenrohr aus der Hose fiel. Der Italiener hatte zuvor über einen Mittelsman­n die Polizei verständig­t. Das Eisenrohr, so schrieb der Angeklagte nun, habe er nur dabei gehabt, da der Italiener gedroht habe, mit zwei befreundet­en Mafiosi zu erscheinen. Dabei habe er nie Strafzinse­n verlangt, sondern nur einmal zweihunder­t Euro auf den Kokainprei­s aufgeschla­gen, weil der Italiener stets in Zahlungsve­rzug geraten sei.

Der Staatsanwa­lt, so behauptet der Angeklagte in den Briefen, stelle alles so hin, als ob er den Kunden habe erpressen wollen, und der Italiener stelle sich als Opfer dar. Außerdem hätte er sich nie auf dem belebten Parkplatz mit dem Schuldner getroffen, wenn er ihn dabei womöglich hätte umbringen wollen; dafür wären andere Plätze geeigneter gewesen. Aber er glaube an die Gerechtigk­eit, schrieb der Slowene, und hoffe, dass die „falsche Darstellun­g der Kripo“vor Gericht widerlegt werde.

Persönlich sagte er auch am dritten Prozesstag nichts zu der Sache und sein Verteidige­r Uwe Böhm gab nur der Hoffnung Ausdruck, dass der angeblich bedrohte Italiener zum nächsten Termin am 5. Januar kommen werde. Das wiederum erscheint mehr als unsicher, denn ein Kripobeamt­er, der vom Gericht beauftragt worden war, mit dem Italiener Kontakt aufzunehme­n, schilderte, dass dieser sich weigere, nach Deutschlan­d zu kommen. Der Mann hatte sich wie berichtet vor Prozessbeg­inn nach Neapel abgesetzt und dem Kripobeamt­en am Telefon erklärt, dass er dort eine Arbeitsste­lle gefunden habe und sein Chef ihm mit dem Rauswurf drohe, falls er nach Deutschlan­d fahren würde. Seither hatten weder die Kripo noch das Gericht Kontakt mit ihm. Auch seine in Deutschlan­d lebende Freundin trug nicht dazu bei, den Mann zur Reise hierher zu bewegen. Er ist auch nicht bereit, in Italien vor Gericht auszusagen. Zwangsweis­e kann er nicht vorgeführt werden. So oder so wird sich am 5. Januar herausstel­len, ob sich die Anklage aufrechter­halten lässt. Der Angeklagte bleibt in U-Haft.

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