Widerspruch per Brief
Im Drogenhandel-Prozess gab es erstmals eine Darstellung des Sachverhalts aus Sicht des Angeklagten
Kleiner Fortschritt im Memminger Landgerichtsprozess gegen einen 35-Jährigen, der wegen Rauschgifthandel und räuberischer Erpressung angeklagt ist: Am dritten Verhandlungstag gab es erstmals eine längere Darstellung aus Sicht des Angeklagten. Der Mann verweigert zwar nach wie vor die Aussage, das Gericht aber gab den Inhalt zweier Briefe bekannt, die der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft an Freunde geschrieben hatte.
Der Angeklagte widerspricht darin den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Diese beschuldigt ihn, einem Italiener mindestens 24 Mal Kokain verkauft und dann den Kaufpreis trotz zwischenzeitlicher Zahlungen inklusive Strafzinsen auf nahezu 2000 Euro hochgetrieben zu haben Zudem soll der Angeklagte den „Kunden“, dessen Freundin und deren Sohn mit dem Tode bedroht haben, falls dieser nicht bezahle. Die Freundin hatte bereits ausgesagt, sie habe dem Slowenen daher ihren Arbeitslohn einschließlich Kindergeld gegeben.
Bei einem für die Zahlung arrangierten Treffen auf dem Parkplatz eines Vöhringer Supermarktes wurde der Slowene im Mai festgenommen, wobei ihm ein Eisenrohr aus der Hose fiel. Der Italiener hatte zuvor über einen Mittelsmann die Polizei verständigt. Das Eisenrohr, so schrieb der Angeklagte nun, habe er nur dabei gehabt, da der Italiener gedroht habe, mit zwei befreundeten Mafiosi zu erscheinen. Dabei habe er nie Strafzinsen verlangt, sondern nur einmal zweihundert Euro auf den Kokainpreis aufgeschlagen, weil der Italiener stets in Zahlungsverzug geraten sei.
Der Staatsanwalt, so behauptet der Angeklagte in den Briefen, stelle alles so hin, als ob er den Kunden habe erpressen wollen, und der Italiener stelle sich als Opfer dar. Außerdem hätte er sich nie auf dem belebten Parkplatz mit dem Schuldner getroffen, wenn er ihn dabei womöglich hätte umbringen wollen; dafür wären andere Plätze geeigneter gewesen. Aber er glaube an die Gerechtigkeit, schrieb der Slowene, und hoffe, dass die „falsche Darstellung der Kripo“vor Gericht widerlegt werde.
Persönlich sagte er auch am dritten Prozesstag nichts zu der Sache und sein Verteidiger Uwe Böhm gab nur der Hoffnung Ausdruck, dass der angeblich bedrohte Italiener zum nächsten Termin am 5. Januar kommen werde. Das wiederum erscheint mehr als unsicher, denn ein Kripobeamter, der vom Gericht beauftragt worden war, mit dem Italiener Kontakt aufzunehmen, schilderte, dass dieser sich weigere, nach Deutschland zu kommen. Der Mann hatte sich wie berichtet vor Prozessbeginn nach Neapel abgesetzt und dem Kripobeamten am Telefon erklärt, dass er dort eine Arbeitsstelle gefunden habe und sein Chef ihm mit dem Rauswurf drohe, falls er nach Deutschland fahren würde. Seither hatten weder die Kripo noch das Gericht Kontakt mit ihm. Auch seine in Deutschland lebende Freundin trug nicht dazu bei, den Mann zur Reise hierher zu bewegen. Er ist auch nicht bereit, in Italien vor Gericht auszusagen. Zwangsweise kann er nicht vorgeführt werden. So oder so wird sich am 5. Januar herausstellen, ob sich die Anklage aufrechterhalten lässt. Der Angeklagte bleibt in U-Haft.