Keine Frage des Alters
Die Holzheimer Legende Hannelore Stowasser spielt mit 60 Jahren wieder für ihren Heimatverein. Jetzt sogar gegen Männer, was für diese oft eine ungewohnte und auch unangenehme Erfahrung ist
Auch mit Anfang 60 ist es nicht zu spät für einen Neubeginn. Das beweist derzeit eindrücklich Hannelore Stowasser, die mit ihrer Titel- und Medaillensammlung die erfolgreichste Tischtennisspielerin der Region ist. Nach einem achtjährigen Gastspiel in Friedrichshafen ist sie im Sommer zu ihrem Heimatverein TSV Holzheim zurückgekehrt und schlägt jetzt für dessen Männermannschaft in der Bezirksliga auf. Auch da mit großem Erfolg.
Dabei war sie eigentlich nie weg. „Sie hat nur vorübergehend woanders gespielt“, umschreibt der Holzheimer Abteilungsleiter Gerhard Kotz die Tatsache, dass es die gebürtige Günzburgerin für einige Jahre an den Bodensee gezogen hat, weil es in der Region einfach keine starke Frauenmannschaft gab. Eine wichtige Rolle hat dabei auch ihre Freundin und Doppelpartnerin Karin Hoffmann gespielt, mit der sie eine Vielzahl an Titeln geholt hat, unter anderem die deutsche Mannschaftsmeisterschaft in der Altersklasse der Seniorinnen Ü 50.
„Aber ich dachte mir: 60 ist ein guter Zeitpunkt für den Wechsel“, sagt „Hanne“und einen plausiblen Grund dafür hat sie auch: „Die Fahrerei war in den vergangenen Jahren kein Vergnügen mehr und erforderte einen enormen Zeitaufwand.“Allein für die Heimspiele war sie pro Saison rund 2000 Kilometer unterwegs.
Regelmäßig trainiert hat Hannelore Stowasser allerdings auch in ihrer Friedrichshafener Zeit beim TSV Holzheim. In diesen Verein war sie 1971, also vor nunmehr 46 Jahren als 14-jähriges Mädchen eingetreten. Insofern war die rasante Entwicklung des Dorfvereins fast von Anfang an mit ihrem Namen verbunden, der lange Marsch von der Mädchen-Verbandsliga bis in die Zweite Bundesliga der Frauen sowieso.
Hannelore Stowasser hat inzwischen den Überblick über die im Laufe ihrer Karriere notierten Titel und Platzierungen im Einzel, Doppel oder Mixed weitgehend verloren. Unvergesslich bleibt jedoch der Moment ihres Tischtennis-Lebens, der nicht einmal mit einem Titel verknüpft war: ihr Sieg in der ersten Runde der Deutschen Meisterschaft 1980 in Hamburg über die vielfache Nationalspielerin und frühere Europameisterin Agnes Simon, die Sensation dieses Turniers schlechthin. Während die geschlagene Favoritin damals weinend aus der Halle schlich, wurde die deutlich jüngere Siegerin mit einer völlig neuen Erfahrung konfrontiert: Fragen über Fragen von elektrisierten Journalisten, eine Art improvisierte Pressekonferenz am Spielfeldrand. Radio, Agenturen und Zeitungen interessierten sich für die seinerzeit gerade mal 22-Jährige. Bis dahin hatten sich ihre Medienkontakte auf den Pressewart des Dorfvereins beschränkt.
Die Grundlagen ihres Überraschungserfolgs hat sich Hannelore Stowasser bis heute bewahrt: ein überaus feines Ballgefühl, ein ausgeprägter Instinkt für den richtigen Schlag zur richtigen Zeit und nicht zuletzt eine unerschütterliche Ruhe selbst in kritischen Situationen. Dazu kommt inzwischen wieder eine immense Fitness. Die ist keine Selbstverständlichkeit nach einer ganzen Reihe von Operationen: dreimal am Knie, viermal an den Leisten und einmal an der Schulter. Dabei sind Ausdauer und Sicherheit jetzt mehr denn je Resultat eines beachtlichen Trainingsaufwandes, den sie nicht nur im Verein betreibt.
Mehrmals die Woche trifft sich die Uni-Angestellte mit tischtennisbegeisterten Medizinprofessoren zum Match in der Mittagszeit, fraglos eine prima Einstimmung auf den Punktspielbetrieb in der HerrenBezirksliga. Herren? In der Tat, eine Regeländerung vor geraumer Zeit macht den Einsatz von Frauen in Männer-Teams möglich.
Das heißt für Hanne Stowasser nicht selten: kein Vergleich auf Augenhöhe, eher David gegen Goliath. Rein optisch versteht sich. Doch körperliche Größe ist im Tischtennis eher zweitrangig. Was die Vorrunden-Bilanzen der Holzheimerin eindrucksvoll unterstreichen: 10:2 Siege im mittleren Paarkreuz, ein makelloses 4:0 sogar vorne. Gleichwohl hat Hannelore Stowasser festgestellt: „Jedes Spiel ist schon eine echte Herausforderung. Aber es macht sehr viel Spaß.“Manchen ihrer unterlegenen Kontrahenten allerdings weniger. „Vielleicht ist das für die noch eine ungewohnte Erfahrung“, schmunzelt die TSVFrau.
Für sie jedenfalls wichtiger als der Geschlechterkampf: „Wir sind eine tolle Truppe und die Stimmung ist prima.“Wozu neben Hanne Stowasser und Bettina Staudenecker gleich mehrere männliche Rückkehrer beitragen. „Hannes Rückkehr ist
Langer Marsch in die Zweite Bundesliga In der Mittagspause Matches mit Professoren
für uns ein enormer Gewinn, sportlich wie menschlich“, freut sich Abteilungschef Gerhard Kotz über den Höhenflug seiner Teams. Zumal sich die neue Aufbruchstimmung auch in Zahlen niederschlägt: Die erste Mannschaft ist Dritter, nur einen Punkt hinter Spitzenreiter SG Öpfingen, die zweite Herbstmeister und selbst die dritte spielt wieder vorne mit. Und das gerade mal 18 Monate nach dem Absturz, als der TSV Holzheim ausgerechnet im Jubiläumsjahr am Existenzminimum herumkrebste.