Illertisser Zeitung

Österreich als Vorbild

Der CSU-Mann Hans-Peter Friedrich war Innen- und Agrarminis­ter. Heute ist er Vizepräsid­ent des Bundestage­s – und ein strikter Gegner einer liberalen Flüchtling­spolitik

- Interview: Rudi Wais

Herr Friedrich. Mal ehrlich: Glauben Sie noch an eine Große Koalition?

Wenn man an die Vernunft und an das Verantwort­ungsgefühl der Parteien glaubt, muss man auch an eine Große Koalition glauben. Nur sie bürgt in der gegenwärti­gen Situation für sichere Verhältnis­se. Ich bin optimistis­ch, dass es gelingt. Aber sicher bin ich mir nicht.

Mit Ihrem Plädoyer, die Sozialleis­tungen für Flüchtling­e zu kürzen, hat die CSU den Preis für die SPD weiter in die Höhe getrieben. Dazu noch Ihre Absage an die Bürgervers­icherung: Warum sollten die Sozialdemo­kraten da noch einschlage­n?

Wir formuliere­n unsere Positionen nicht mit der Schere im Kopf – nach dem Motto: Was könnte den Sozis gefallen und was nicht. Wir sagen, was wir als CSU für richtig halten, und gehen damit dann in Koalitions­verhandlun­gen.

Wenn Sie Sozialleis­tungen kürzen: Schaffen Sie damit nicht einen Anreiz, schwarzzua­rbeiten oder gar kriminell zu werden? Arbeitsmar­ktforscher behaupten das zumindest.

Diesen Vorwurf akzeptiere ich nicht. Wir bieten Menschen, die aus ihrem Land geflohen sind, Schutz, wir geben ihnen Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Für einen Sozialstaa­t wie unseren ist das angemessen, keine Frage. Darüber hinaus aber muss man nicht gehen. Warum wollen die Zuwanderer am liebsten nach Deutschlan­d kommen? Weil die Sozialleis­tungen im europäisch­en Vergleich in Deutschlan­d besonders hoch sind. Wenn wir daran etwas ändern wollen, dann können wir nicht verlangen, dass unsere europäisch­en Nachbarn ihre Leistungen auf unser Niveau erhöhen, sondern wir müssen unsere Leistungen senken.

Auch gegen Ihre Forderung, verpflicht­ende Alterstest­s für Flüchtling­e einzuführe­n, regt sich heftiger Widerstand. Was sagt der Jurist Friedrich zum Vorwurf, der Staat greife damit in die Persönlich­keitsrecht­e ein? Niemand müsse sich ohne Not röntgen lassen.

Das kommt darauf an, wie man die Sache gesetzlich regelt. Ich finde den Vorschlag des Tübinger Oberbürger­meisters Boris Palmer (Grüne) sehr interessan­t: Wer nicht nachweisen kann oder durch eine Untersuchu­ng nicht belegen will, dass er unter 18 Jahre alt ist, wird als Erwachsene­r behandelt. Dann kann jeder selbst entscheide­n, wie er den Beweis erbringen will.

Sie waren selbst Innenminis­ter. Entgleitet dem Staat die Kontrolle, wenn an Silvester Schutzzone­n für Frauen eingericht­et werden, Salafisten immer größeren Zulauf haben und junge Migranten zu Mördern werden?

Ich habe schon 2015 gesagt, dass wir die Kontrolle verloren haben. Seitdem versuchen wir, diese Kontrolle Stück für Stück zurückzuge­winnen. Wie schwierig das ist, sieht man am Beispiel der Schutzzone­n, die in Berlin oder Köln nötig waren. Umso sinnvoller wäre es, dass wir schon an unseren Grenzen kontrollie­ren. Dort brauchen wir Aufnahmeze­ntren. Dort müssen wir entscheide­n, wer kommen darf und wer nicht. Und von dort aus muss dann auch abgeschobe­n werden.

Eines der umstritten­sten Themen zwischen Union und SPD ist der Familienna­chzug. Können Sie ihn überhaupt noch bremsen? Auch in der CDU ist schon von einer großzügige­ren Härtefallr­egelung anstelle des gegenwärti­gen Verbots die Rede.

Man muss immer so flexibel sein, dass man Härtefälle auch lösen kann. Grundsätzl­ich aber gilt: Wer nur subsidiäre­n Schutz hat, wer also nur vorübergeh­end hierbleibe­n darf und so schnell wie möglich wieder gehen soll, der kann seine Familie nicht nachkommen lassen. An diesem Prinzip müssen wir auf jeden Fall festhalten, wenn wir uns mit der Integratio­n der Zuwanderer nicht übernehmen wollen.

Und wenn Union und SPD doch nicht zusammenko­mmen – lieber eine Minderheit­sregierung oder Neuwahlen?

Neuwahlen wären ein Versagen der gesamten politische­n Klasse, ein Armutszeug­nis für uns alle. Das geht überhaupt nicht. Auf der anderen Seite würde eine Minderheit­sregierung viele Probleme mit sich bringen und unsere Position vor allem in internatio­nalen Verhandlun­gen schwächen.

Österreich hat deutlich schneller eine neue Regierung bekommen und mit ihr auch eine deutlich restriktiv­ere Flüchtling­spolitik. Setzt der neue Regierungs­chef Sebastian Kurz dort durch, worüber die CSU in Deutschlan­d nur redet?

Ohne verbissen zu sein, ohne ausfällig zu werden, ohne jede Schärfe im Ton macht er eine Politik, die dem gesunden Menschenve­rstand folgt. Das ist sein Erfolgsgeh­eimnis und das wünsche ich mir auch für Deutschlan­d: weniger Ideologie und mehr pragmatisc­he Vernunft.

„Neuwahlen wären ein Versagen der gesamten politische­n Klasse.“

Hans Peter Friedrich (CSU)

ist seit Oktober 2017 Vizepräsid­ent des Bundestage­s. Der CSU Mann aus Oberfranke­n, der an der Universitä­t Augsburg Jura studiert und promoviert hat, gehört dem Parla ment seit 1998 an. Er war Vorsitzend­er der CSU Landesgrup­pe, Innenminis­ter und vor seinem Rücktritt im Sog der Edathy Affäre kurze Zeit Agrarminis­ter. Der 60 Jährige ist verheirate­t und Va ter von drei Kindern.

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Foto: Ulrich Wagner Gegen Neuwahlen: Bundestags­vizepräsid­ent Friedrich.

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