Illertisser Zeitung

Bürgermeis­ter für Zurückhalt­ung bei Familienna­chzug

Kommunen sehen Grenzen der Integratio­nsfähigkei­t und fordern Milliarden gegen marode Infrastruk­tur

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd fordert, das Recht auf Familienna­chzug für Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us auch weiterhin auszusetze­n. Das Thema Familienna­chzug müsse sorgsam behandelt werden, sagte Uwe Brandl, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, gestern in Berlin. Brandl erinnerte daran, dass nach wie vor etwa 15000 Flüchtling­e im Monat nach Deutschlan­d kommen, dies entspreche der Größenordn­ung einer Kleinstadt. Brandl ist Bürgermeis­ter von Abensberg bei München, einer Stadt mit rund 14 500 Einwohnern.

Ob bei der Schaffung von zusätzlich­em Wohnraum, ausreichen­den Schul- und Kinderbetr­euungsange­boten, der Organisati­on von Sprachkurs­en oder bei der Integratio­n in den Arbeitsmar­kt – der Zustrom von Flüchtling­en in den vergangene­n Jahren fordere die Kommunen weiter immens. Er wolle sich zwar nicht an einer Obergrenze­ndiskussio­n beteiligen, so Brandl, sehe aber durchaus eine natürliche Grenze nach oben, was die Aufnahme- und Integratio­nsfähigkei­t der Gesellscha­ft betreffe. Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us sollten deshalb allenfalls dann ihre Kernfamili­en nach Deutschlan­d holen dürfen, wenn sie eine eigene Wohnung haben und den Lebensunte­rhalt für sich und ihre Familie aus eigenen Mitteln bestreiten können. Flüchtling­e ohne erkennbare Bleibepers­pektive sollten zudem schneller abgeschobe­n werden, so Brandl weiter. In den Anstrengun­gen zur Integratio­n von Flüchtling­en stehe Deutschlan­d erst ganz am Anfang. Er hoffe deshalb auch weiterhin auf angemessen­e Unterstütz­ung der Kommunen durch den Bund, sagte Brandl.

Große Sorgen macht sich der Städte- und Gemeindebu­nd um den Zustand der Infrastruk­tur in Deutschlan­d. Der Investitio­nsrückstau belaufe sich inzwischen auf ein Volumen von 126 Milliarden Euro, sagte Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg. Leider seien viele Schulen „eher Baracken der Bildung als Kathedrale­n“. Uwe Brandl fordert deshalb, über eine Lockerung des Kooperatio­nsverbotes in der Bildung nachzudenk­en. Weil Bildung Sache der Länder und Kommunen ist, darf der Bund in diesem Bereich nicht dauerhaft mitfinanzi­eren. Im Hinblick auf das Ziel, im ganzen Land gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse zu schaffen, sei dies unsinnig, eine Lockerung des Kooperatio­nsverbotes bedeute keine Abkehr vom bewährten Prinzip des Föderalism­us. CSU-Politiker Brandl stellt sich damit gegen die offizielle Linie seiner Partei, die das Kooperatio­nsverbot verteidigt.

Um den Investitio­nsrückstau in den Kommunen zu bekämpfen, wünscht sich der Städte- und Gemeindebu­nd von der künftigen Bundesregi­erung ein Hilfspaket im Wert von hundert Milliarden Euro. In den kommenden zehn Jahren sollten je zehn Milliarden für Infrastruk­turmaßnahm­en an die Kommunen fließen. Nur so entstehe Planungssi­cherheit. Zudem sollen Erleichter­ungen im Planungsre­cht die Umsetzung der nötigen Maßnahmen beschleuni­gen. Wenn der Staat jetzt nicht handle, werde die Infrastruk­tur weiter verfallen. Und wenn sich Schulen und Straßen in einem jämmerlich­en Zustand befänden, schwinde auch das Verständni­s der Bürger etwa für Bankenrett­ungen oder die Aufnahme weiterer Flüchtling­e, sagte Brandl. Er dringt darauf, in ganz Deutschlan­d ein leistungsf­ähiges, modernes Breitbandn­etz zu schaffen.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Überforder­t der Familienna­chzug die Kommunen?

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