Illertisser Zeitung

Als Uschi Glas James Bond besiegte

Vor 50 Jahren kam „Zur Sache Schätzchen“in die Kinos – und wurde völlig überrasche­nd zum absoluten Kult. Wie sich die Darsteller an die wilden 68er erinnern

- Cordula Dieckmann, dpa

„Es wird böse enden!“– das dachte sich wohl auch der Filmproduz­ent Horst Wendlandt, als die bayerische Schauspiel­erin Uschi Glas unbedingt bei einem Film mit dem seltsamen Namen „Die Gafler“mitspielen wollte. Bis heute erinnert sich die Münchnerin an den Kommentar des Produzente­n, bei dem sie unter Exklusivve­rtrag stand: „Nein, den machst du nicht. Jetzt geht es gerade so gut los. Wenn du jetzt so einen Flop baust, das ist nicht gut.“Glas, die mit „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“gerade einen Erfolg gefeiert hatte, setzte ihren Willen durch. Eine Entscheidu­ng, die sie nie bereuen sollte.

Unter dem neuen Titel „Zur Sache, Schätzchen“wurde das Kinodebüt der Regisseuri­n May Spils zum Kultfilm. Eine Überraschu­ng, denn vor der Premiere am 4. Januar 1968, vor 50 Jahren, hatte keiner mit diesem Erfolg gerechnet. Die Dreharbeit­en verliefen chaotisch. Gedreht wurde in Schwarz-Weiß, weil kein Geld für einen Farbfilm da war. „Ich habe wirklich gedacht, das wird alles nichts mehr, ganz zum Schluss habe ich nicht mehr an den Film geglaubt“, erzählt Hauptdarst­eller Werner Enke, der im Film als Martin zu sehen ist. Ein Faulpelz, der mit frechen Sprüchen die gutbürgerl­iche Barbara (Uschi Glas) herumkrieg­en will, während sein Freund Henry ihn drängt, endlich die versproche­nen Schlagerte­xte zu dichten. Doch die Verlockung­en des Sommers sind zu groß. Mit dem Cabrio durch Schwabing zu fahren, in der Kneipe philosophi­eren, BikiniMädc­hen hinterhers­chauen und diese mit selbst gemalten Daumenkino­s beeindruck­en. Dazu Nachhilfe in Sachen Fummeln. „Wir haben schon nach dem Rohschnitt den Film einigen Journalist­en gezeigt, da gab es einiges Kopfschütt­eln“, zitieren Lisa Wawrzyniak und Reinhold Keiner in einer Filmanalys­e den Produzente­n Peter Schamoni, der 2011 starb.

Auch der Constantin Filmverlei­h wollte den Film nicht haben. Schamoni erzählt von der Vorführung, mit der er die Verantwort­lichen überzeugen wollte. „Die drei Herren haben sich immer nur irritiert angeguckt, es gab keinerlei Reaktion, kein Lachen; die schüttelte­n immer nur den Kopf und rutschten auf ihren Stühlen herum.“Dann kam der 4. Januar. Schon am Nachmittag stand Werner Enke mit den anderen vor dem damaligen Filmtheate­r am Lenbachpla­tz. Es schneite und alle hatten Angst, dass keiner kommen würde. „Dann wurde die Bude doch voll“, erinnert sich Enke. Und noch viel besser: Die Leute lachten. „Die Reaktionen waren so spontan und mitreißend, dass May, Werner und ich uns so gefreut haben, weil wir gemerkt haben, jetzt ist es doch geglückt“, sagt Uschi Glas. Und Schamoni spricht von rund sechs Millionen Zuschauern, die den Film damals sahen. „Damit hatten wir mehr Zuschauer als der damals aktuelle James-Bond-Film.“

Es war eine Zeit der Unruhe, die 1968er-Bewegung formierte sich, diskutiert­e leidenscha­ftlich über neue Ideale und protestier­te gegen verkrustet­e Strukturen. Und es gab die freie Liebe, die in Wohngemein­schaften wie der Kommune 1 in Berlin ihren Ausdruck fand. In München gab es eine Gruppe junger Filmemache­r, mit denen Enke und May Spils verkehrten, darunter Rudolf Thome, Klaus Lemke und Max Zihlmann. Ihr Vorbild: die Filme der französisc­hen Nouvelle Vague. Ihre Heimat: der pulsierend­e Stadtteil Schwabing, in dem noch nicht alle Ecken luxussanie­rt waren und in dem es viele verrauchte Kneipen gab. „Die Tarantel, das Käuzchen, die Schleiereu­le, das war umwerfend“, erinnert sich Enke. Spils trauert diesen Zeiten ein bisschen nach. „Es war alles sehr viel lässiger und diese 1968er, wir wollten die Welt verändern“, sagt sie. „Wir wollten einfach alle raus aus diesem Nachkriegs­mief.“Denn außerhalb des Schwabinge­r Partyleben­s sei alles eher spießig gewesen. „Man durfte eigentlich gar nichts. Man durfte früher nicht mal den Rasen im Englischen Garten betreten.“Über diese vielen Verbote und Tugendvors­tellungen setzte sich Spils in „Zur Sache, Schätzchen“hinweg. Legendär etwa die Szene, in der Uschi Glas als Barbara auf der Polizeiwac­he einen Beinahe-Striptease hinlegt, um die Polizisten aus dem Konzept zu bringen. Das Erfolgsgeh­eimnis des Films liegt wohl gerade in dieser Mischung aus Leichtigke­it, Nachdenkli­chkeit, Witz und frechen Sprüchen, die Fans noch heute mitspreche­n können. Etwa, wenn Martin fast mitleidig feststellt: „Terminhetz­e, was?“Darauf sein Freund Henry: „Na klar, Terminhetz­e. Findet bei dir natürlich nicht statt.“Herrlich auch: „Mag’s gar nicht gern, wenn sich die Dinge morgens schon so dynamisch entwickeln.“Und der absolute Klassiker, wenn Martin, begleitet von einer komischen Handbewegu­ng, lakonisch feststellt: „Es wird bööööse enden.“

Sechs Millionen Menschen sahen den Film

 ?? Foto: Brix, dpa ?? Vor 50 Jahren waren Uschi Glas (rechts) und Werner Enke (links) in „Zur Sache Schätzchen“zu sehen. Der Film von Regisseuri­n May Spils (Mitte) wurde zu einem Überra schungserf­olg und ist bis heute Kult.
Foto: Brix, dpa Vor 50 Jahren waren Uschi Glas (rechts) und Werner Enke (links) in „Zur Sache Schätzchen“zu sehen. Der Film von Regisseuri­n May Spils (Mitte) wurde zu einem Überra schungserf­olg und ist bis heute Kult.

Newspapers in German

Newspapers from Germany