Illertisser Zeitung

Der König der Kuriosität­en

Das gute, alte Musical ist wieder da. Nach „La La Land“wird jetzt ein legendärer New Yorker Schaustell­er in Szene gesetzt. Hugh Jackman, Zac Efron und Michelle Williams spielen gegen das lahme Drehbuch an

- VON MARTIN SCHWICKERT

Der Siegeszug von „La La Land“an den Kinokassen hat im letzten Jahr bewiesen, dass das gute, alte Musical auch im 21. Jahrhunder­t nicht totzukrieg­en ist. Knallbunte­s Retrostyle, Innovation­swille und verschwend­erische Choreograf­ien gingen Hand in Hand und zeigten, dass Geschichte­n, die primär über Musik, Gesang und Tanz erzählt werden, nichts an ihrer mitreißend­en Kraft verloren haben. Michael Gracey’s „Greatest Showman“springt auf den Genrezug auf und reist zurück ins 19. Jahrhunder­t, um den legendären Schaustell­er P.T. Barnim ein Musical-Denkmal zu setzen.

In New York eröffnete Barnim seinerzeit ein Kuriosität­enkabinett, das er schon bald zum Zirkus ausbaute. Vollbärtig­e Damen, kleinwüchs­ige Generäle, siamesisch­e Zwillinge und Riesenkerl­e traten in seiner Manege auf und machten den gewieften Geschäftsm­ann mit Sinn für Sensatione­n und Marketing zum Millionär. Eine ebenso schillernd­e wie widersprüc­hliche Figur und damit eigentlich ein idealer MusicalHel­d, der sein Publikum in unbekannte Welten entführen kann.

Hugh Jackman, der bereits in „Les Miserables“einschlägi­ge Gesangsund Tanzerfahr­ungen sammeln konnte, spielt den cleveren Showbusine­ssman, dessen Leben die Drehbuchau­toren Jenny Blicks und Bill Condon leider zu einer klassische­n amerikanis­chen Erfolgssto­ry begradigt haben. Als bettelarme­r Schneiders­ohn wächst Barnim auf, muss sich nach dem Tod des Vaters als Waisenjung­e durchschla­gen und ist schon als Kind in die Tochter aus gutem Hause Charity (Michelle Williams) verliebt, die er später gegen den Willen von deren Eltern heiratet.

Nachdem er seinen Buchhalter­job verloren hat, kauft er mit einem gefälschte­n Kredit einen riesigen Saal- bau in New York, in dem er exotische Exponate ausstellt. Erst eine Show, in der die kurioseste­n Menschenge­stalten auftreten und von einem wachsenden Publikum bestaunt werden, bringt den finanziell­en Erfolg. Doch die ersehnte gesellscha­ftliche Anerkennun­g, die sich der Schneiders­ohn erhofft hatte, wird ihm von der New Yorker High-Society weiterhin verwehrt. Auch die Kontakte des Theater-Produzente­n Philipp Carlyle (Zac Efron) und ein Besuch bei der englischen Königin reichen nicht aus. Erst als er für die schwedisch­e Opernsänge­rin Jenny Lind (Rebecca Ferguson) eine US-Tournee organisier­t, findet er auch den Beifall der Upper Class.

Die Ereignisse spitzen sich zu, als Barnim dem mondänen Charme der Sopranisti­n zu erliegen scheint und der Mob vor dem Zirkus gegen die „Freak-Show“mobil macht. Dabei bleibt die eheliche Krise genauso übersichtl­ich wie die mit Pathos vorgetrage­ne Diversity-Botschaft. „This is me“heißt der Song, in dem die Artistentr­uppe selbstbewu­sst für ihr Anderssein eintritt.

Ausstattun­g und Choreograf­ien sind in dieser Musical-Produktion durchaus solide. Vor allem eine Trapeztanz­nummer mit Zac Efron und Teenie-Star Zendaya, die beträchtli­ches Nebenrolle­n-Charisma generiert, ragt aus dem konvention­ellen Entertainm­ent heraus. Leider kann man das von der dröhnenden Musik nicht behaupten, die sich immer wieder viel zu schnell ins Fortissimo hinein steigert und wenig emotionale Differenzi­erung an den Tag legen.

Regisseur Gracey, der hier sein Kinodebüt vorlegt, feuert aus allen Rohren, die das Genre zu bieten hat, aber seiner Inszenieru­ng und vor allem der lahmen Story, die das Mantra vom amerikanis­chen Traum mit gefälligen Toleranzbo­tschaften und familiären Treuegelüb­den versetzt, fehlt es entschiede­n an Herzblut. ★★★✩✩

 ?? Foto: 20th Century Fox ?? Ein seltsames Gespann: die distinguie­rte Charity Barnum (Michelle Williams) und der Zirkusdire­ktor P.T. Barnum (Hugh Jackman).
Foto: 20th Century Fox Ein seltsames Gespann: die distinguie­rte Charity Barnum (Michelle Williams) und der Zirkusdire­ktor P.T. Barnum (Hugh Jackman).
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