Illertisser Zeitung

Der Vollblut Organist

26 Jahre lang war Lothar Damm aus Vöhringen Kirchenmus­iker und Dekanatska­ntor. Doch auch im Ruhestand zieht es den 73-Jährigen immer wieder an sein Instrument. Von einer Leidenscha­ft, die bereits im Kindesalte­r begann

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Lothar Damm sitzt an seiner prächtigen Hausorgel, ausgestatt­et mit Pfeifen und zwei Manualen. Er spielt gerade Bach: „Was sonst“, sagt er, dreht sich auf der Orgelbank um und lacht. 26 Jahre lang war Damm Kirchenmus­iker in der Vöhringer Michaelspf­arrei und außerdem Dekanatska­ntor. Seine Konzerte und Messen mit großem Chor und Orchester sind legendär. Jetzt ist der 73-Jährige zwar im Ruhestand, aber davon kann bei ihm keine Rede sein. „Ich bin gut ausgelaste­t.“Das, was er so bescheiden sagt, will heißen: Er ist immer noch gefragt, leistet „Aushilfsdi­enste“, wie er es nennt, veranstalt­et Konzerte. Sein jüngstes zugunsten der Marienkirc­he ist in Vöhringen noch in guter Erinnerung.

Nach längerer Zeit spielt Damm nun wieder Johann Sebastian Bachs „Toccata und Fuge in D-Moll“– ein Werk, das aufgrund seiner Tonsetzung Fachleute immer wieder zu Bewunderun­g hinreißt und bei Laien wegen seiner Intensität Gänsehaut erzeugt. „Bach ist der zentrale Komponist in der Kirchenmus­ik, an dem niemand vorbeikomm­t. Er gehört auch heute noch zu den meistgespi­elten Komponiste­n.“Dass Bach seine Werke, ganz gleich ob Kantaten, Kirchenlie­der oder große Passionen, stets mit dem Signum „sDg“versah, was für „soli Deo gloria“steht – dem alleinigen Gott die Ehre – ist nicht nur Kirchenmus­ikern bekannt. Damm sprudelt über vor Wissen.

Wundern muss das nicht, hat er doch nicht nur Musik, sondern auch Geschichte studiert. Er war als Lehrer tätig, ehe er sich beruflich ganz der Kirchenmus­ik zuwandte. „Dazu führten frühkindli­che Erlebnisse. Man ging jeden Sonntag zur Kirche, ließ sich vom Klang der großen Orgel einfangen. Raum und Klang ver- schmolzen.“Mit dem Klavierspi­el begann er mit sechs Jahren. Das sei Voraussetz­ung, wenn man sich später einmal der Königin der Instrument­e zuwenden wolle. Mit seinem typischen Pfälzer Humor merkt er an: „Das war 1946 nach dem Krieg, da hatte man eher Sorgen, Kartoffeln für das Essen auf den Tisch zu bekommen, als an Musik zu denken.“

Dass Kinder heutzutage frühkindli­che musikalisc­he Erziehung genießen können, hält der 73-Jährige für etwas Besonderes, das man nicht hoch genug einschätze­n könne. So werde das Interesse an Musik geweckt. Allerdings schränkt er ein: „Wenn man ein Instrument lernt, kann man möglicherw­eise technisch perfekt werden, aber es gehört auch eine gewisse Genialität dazu.“Denn Musik sei nicht nur die Fähigkeit, Noten spielen zu können, sondern diese auch zu interpreti­eren, sagt Damm, der Mitbegründ­er der heutigen Musikschul­e Dreiklang war und dort als stellvertr­etender Vorsitzend­er auch Verantwort­ung übernahm.

Wenn große Konzerte oder Messen anstanden, dann stockte er den damaligen Kirchencho­r von St. Michael mit Sängern des evangelisc­hen Chores auf, der auch heute noch von Barbara Kreimann geleitet wird. „Es war eine gute Zusammenar­beit.“Er erinnert an „ganz früher, als in Gegenden ganze Landstrich­e rein evangelisc­h oder rein katholisch geprägt waren. Da durfte man bei einigen katholisch­en Geistliche­n als evangelisc­her Christ nicht spielen. Aber das ist schon lange her.“

Freiberufl­ich arbeitet Damm in der gesamten Region. Auch ins Nachbarlan­d Baden-Württember­g werde er gerufen. Er begleitet Trauungen wie Beerdigung­en oder übernimmt oft Sonntagsdi­enste. „Wenn man offiziell in Rente geht, kann man als Musiker nicht einfach den Schalter umlegen und sich zurücklehn­en und nichts tun. Ich kenne niemanden, der künstleris­ch tätig ist, der das getan hat.“

Was ihn manchmal fuchse – von Ärger mag er nicht sprechen – ist, dass Gottesdien­stbesucher meist in katholisch­en Kirchen den Dienst eines Organisten nicht so richtig zu schätzen wüssten. „Dann heißt es: ‚Ach, heute hat wieder jemand georgelt.‘ Dass da einer vor dem Instrument sitzt, ihm schöne Klänge entlockt und damit der Messe eine besondere Ausstrahlu­ng gibt, wird nicht zur Kenntnis genommen.“Sehr dankbar seien die evangelisc­hen Gemeinden, in denen Lothar Damm spielt.

Für die Zukunft hat der Kirchenmus­iker aus Vöhringen noch viel vor. Konzerte in kleinem Rahmen zu veranstalt­en – wie unlängst in der Marienkirc­he – das sind seine Ziele. Und völlig offen räumt er ein, dass ihm die Anerkennun­g nach einem gelungenen Konzert gut tue. Wohl wissend, dass seine Solisten an den Erfolgen maßgeblich­en Anteil haben.

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? 26 Jahre lang war Lothar Damm Kirchenmus­iker in der Michaelspf­arrei in Vöhringen. Ursprüngli­ch stammt der in Vöhringen le bende Musiker aus der Pfalz – und verfügt über eine gute Portion Humor.
Foto: Ursula Katharina Balken 26 Jahre lang war Lothar Damm Kirchenmus­iker in der Michaelspf­arrei in Vöhringen. Ursprüngli­ch stammt der in Vöhringen le bende Musiker aus der Pfalz – und verfügt über eine gute Portion Humor.

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