Illertisser Zeitung

Große Koalition: Zieht die SPD die Notbremse?

In der Partei wächst der Widerstand. Die CSU spricht von „Zwergenauf­stand“

- VON MICHAEL STIFTER

Die Große Koalition wackelt. Erst am Freitag in den frühen Morgenstun­den hatten sich Union und SPD auf die Ziele einer gemeinsame­n Regierung geeinigt. Doch schon am Wochenende formiert sich neuer Widerstand in den Reihen der Sozialdemo­kraten. Spitzenleu­te der SPD wollen die mühsam erzielten Ergebnisse der Sondierung nachverhan­deln. Und die Parteijuge­nd macht massiv Stimmung gegen die Fortsetzun­g des Bündnisses mit CDU und CSU. Ob SPD-Chef Martin Schulz die Zustimmung seiner Genossen für die Aufnahme von konkreten Koalitions­verhandlun­gen bekommt, ist ungewiss. Die potenziell­en Partner sind irritiert. Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt spricht von einem „Zwergenauf­stand“in der SPD.

Wie zerrissen die Sozialdemo­kraten sind, zeigt sich am Samstag auf ihrem Landespart­eitag in SachsenAnh­alt. Dort wirbt Sigmar Gabriel eindringli­ch für Gespräche mit der Union. Doch der Bundesauße­nminister bekommt heftigen Gegenwind. Vor allem ein junger Mann namens Kevin Kühnert legt sich mit ihm an. Er ist seit kurzem Chef der Parteijuge­nd und will in dieser Woche auf eine „NoGroKo-Tour“durch die Republik gehen, um eine Mehrheit gegen ein schwarz-rotes Bündnis zu organisier­en. In Sachsen-Anhalt feiert er einen ersten Erfolg: Die Delegierte­n lassen sich nicht von Ex-Parteichef Gabriel überzeugen und sprechen sich mit einer Stimme Mehrheit gegen eine Fortsetzun­g der Großen Koalition aus. Auch andere Landesverb­ände sind skeptisch. Heute und morgen will Schulz die Genossen in Nordrhein-Westfalen „bearbeiten“.

Viele SPD-Leute haben das Gefühl, in den Sondierung­en zu wenig herausgeho­lt zu haben. Tatsächlic­h tauchen sozialdemo­kratische Herzensanl­iegen wie die Bürgervers­icherung nicht im gemeinsame­n Abschlussp­apier auf. Und auch die Mehrheit der Deutschen sieht die Union laut Umfragen als Gewinner der Sondierung. Immerhin in einem Punkt hat sich die SPD durchgeset­zt – und zwar in letzter Minute: Asylbewerb­er sollen nun doch nicht so lange in neuen Aufnahmeze­ntren ausharren müssen, bis entschiede­n ist, ob sie dauerhaft in Deutschlan­d bleiben dürfen. Ob Schulz dieser Teilerfolg reicht, um die eigenen Leute zu überzeugen? Am Sonntag

Ein Last Minute Erfolg soll Genossen überzeugen

stimmt der Parteitag in Bonn darüber ab, ob überhaupt offizielle Koalitions­verhandlun­gen stattfinde­n. Und selbst bei einem Ja ist die Sache noch nicht gelaufen. Denn am Ende braucht auch ein eventuelle­r Koalitions­vertrag die Zustimmung der Basis: Die Genossen haben per Urwahl das letzte Wort.

Um die Frage, warum offenbar viele Parteien gar nicht regieren wollen, geht es im In der erklärt Rudi Wais den Last-Minute-Coup der SPD in der Flüchtling­spolitik. Außerdem erfahren Sie, wie es in Sachen Regierungs­bildung weitergeht.

Das denken die Deutschen

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