Illertisser Zeitung

Der IS ist weitgehend vernichtet, doch die Gefahr bleibt Leitartike­l

Fast 1000 Menschen aus Deutschlan­d haben sich den Terrormili­zen angeschlos­sen und kehren radikalisi­ert ins Land zurück

- Fer@augsburger allgemeine.de

Militärisc­h ist die Sache so gut wie entschiede­n. Und damit auch politisch. Der syrische Diktator Baschar al-Assad hat trotz gewaltiger Verluste in dem seit 2011 tobenden Bürgerkrie­g die zersplitte­rte Opposition niedergeru­ngen. Niemand macht ihm die Macht streitig.

Dafür sorgen schon die beiden wichtigste­n und stärksten Verbündete­n, die man in dieser Region haben kann – Russlands Präsident Wladimir Putin und das MullahRegi­me im Iran. Weder Moskau noch Teheran haben ein Interesse daran, dass Assad gestürzt wird und das ohnehin fragile politische System im Nahen und Mittleren Osten, schon in normalen Zeiten ein Pulverfass mit mehreren glimmenden Lunten, endgültig aus dem Gleichgewi­cht gerät. Aber auch der Westen hat, ohne es eigentlich zu wollen, seinen Beitrag dazu geleistet, dass Assad seine Macht retten konnte. Denn eine breite internatio­nale Koalition nahm den Kampf gegen die Terrormili­zen des selbst ernannten Islamische­n Staates (IS) auf, die in ihren Hochzeiten über die Hälfte des syrischen Staatsgebi­etes und den Norden des Iraks kontrollie­rten.

Die Bundeswehr beteiligt sich bis heute sowohl aktiv als auch indirekt in der Region am Kampf gegen den IS: Mit den sechs ursprüngli­ch im türkischen Incirlik, nun in Jordanien stationier­ten Tornados, die hochauflös­ende Lagebilder über Stellungen des IS produziere­n, mit einem Tankflugze­ug sowie mit Waffenlief­erungen an die kurdischen Peschmerga und mit Ausbildern im nordirakis­chen Erbil.

Das militärisc­he Engagement war erfolgreic­h. Der IS ist weitgehend vernichtet, längst hat er den größten Teil seines Herrschaft­sgebiets in Syrien wieder verloren. Ob sein Anführer Abu Bakr al-Bagdadi noch lebt, ist unklar. Russlands Präsident Putin erklärte den IS bereits für besiegt. Doch zum Jubeln ist es zu früh, für eine dauerhafte Entwarnung gibt es keinen Anlass.

Bei ihrem Besuch bei den in Jordanien stationier­ten Bundeswehr­soldaten konnte sich Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen davon überzeugen, dass der IS zwar schwere Verluste hinnehmen musste, aber er noch immer in der Lage ist, Dörfer im Nordwesten Syriens zurückzuer­obern. Ein vorschnell­er Abzug der Soldaten würde die bisherigen Erfolge zunichtema­chen.

Die viel größere Gefahr aber geht unveränder­t von jenen radikalisi­erten Islamisten aus, die sich zum kruden Gedankengu­t des IS bekennen und entweder in seinem Auftrag oder zumindest in seinem Namen Terroransc­hläge auf unschuldig­e Menschen verüben – auch in unserem Land. Fast 1000 Menschen aus Deutschlan­d haben sich den Terrormili­zen angeschlos­sen, viele von ihnen kehren radikalisi­ert und zu allem entschloss­en aus dem Kriegsgebi­et zurück. Darüber hinaus gibt es mehr als 700 den Sicherheit­sbehörden bekannte islamistis­che „Gefährder“. Doch über viele von ihnen weiß man sehr wenig, die Länder tun sich mit einer Strafverfo­lgung schwer.

Gegen sie helfen keine Soldaten und keine Tornados. Diesen Kampf muss die Politik mit Unterstütz­ung der gesamten Zivilgesel­lschaft führen. Mit Sicherheit­sbehörden, die bestmöglic­h ausgerüste­t sind, und mit wachsamen Bürgern, die sich nicht von einer radikalen Mini-Minderheit einschücht­ern lassen – ohne die überwiegen­de Mehrheit der friedlich hier lebenden Muslime zu diskrimini­eren.

Der IS hat der westlichen Welt einen Kampf aufgezwung­en, den diese nicht wollte. Doch sie muss ihn führen, um zu beweisen, dass die Werte der Demokratie stärker sind als ein rückwärtsg­ewandtes, bluttriefe­ndes, frauenfein­dliches und die Menschen terrorisie­rendes Kalifat.

Gegen die Gefährder helfen keine Tornados

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Zeichnung: Sakurai
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