Illertisser Zeitung

Von der Leyen fordert langen Atem gegen IS

Die deutschen „Tornados“, die bis Sommer im Süden der Türkei stationier­t waren, bekämpfen seit Oktober von Jordanien aus die Terrormili­zen. Wie die Verteidigu­ngsministe­rin vor Ort für eine Fortführun­g des Engagement­s wirbt

- AUS JORDANIEN BERICHTET MARTIN FERBER

Sie sehen aus wie harmlose Beduinen, die mitten in der Wüste im Norden Syriens ein Lager aufgeschla­gen haben. Aber es könnte sich auch um versprengt­e Kämpfer des selbst ernannten „Islamische­n Staates“handeln, die sich als unschuldig­e Wüstenbewo­hner tarnen, um im Untergrund neue Anschläge vorzuberei­ten. Es gibt Indizien, die diese Vermutung nahelegen. Das Lager ist ungewöhnli­ch stark befestigt, bewaffnete Männer patrouilli­eren, es gibt keine Frauen und Kinder.

Es ist eine Aufgabe für Major Dominique G. und seine Kameraden, der multinatio­nalen Koalition, die seit Anfang 2015 die Terrormili­zen des Islamische­n Staates (IS) bekämpft, die nötigen handfesten Beweise zu liefern, damit aus der Vermutung Gewissheit wird. Denn der 38-jährige Chef einer „Tornado“-Einsatzsta­ffel, der seit kurzem mit seiner Einheit im deutschen „Camp Sonic“am Rande des jordanisch­en Luftwaffen­stützpunkt­es AlAsrak, knapp 100 Kilometer östlich von der Hauptstadt Amman, stationier­t ist, kann bei Flügen über das verdächtig­e Beduinenla­ger mit seinen Hochleistu­ngskameras, die an der Unterseite der Tragfläche­n befestigt sind, gestochen scharfe und hochauflös­ende Fotos liefern, auf denen selbst kleinste Details zu erkennen sind.

Schon während des Fluges, der in der Regel zwischen dreieinhal­b und fünf Stunden dauert, funken die Piloten ihre Fotos an die Bodenstati­on in Al-Asrak, wo Spezialist­en der Bundeswehr das Material auswerten. Nach einer Prüfung werden die Bilder an das Hauptquart­ier der Anti-IS-Koalition in Katar weitergele­itet, wo sie nach einer weiteren Prüfung durch einen deutschen Offizier von den Alliierten genutzt werden, um die Ziele zu bekämpfen.

Bis Mitte des vergangene­n Jahres waren sechs „Tornados“sowie ein Tankflugze­ug in der türkischen Nato-Air-Base Incirlik bei Adana stationier­t. Doch nachdem sich die türkische Regierung mehrfach geweigert hatte, deutschen Bundestags­abgeordnet­en einen Besuch der rund 280 Soldatinne­n und Soldaten zu erlauben, kam es zu einem beispiello­sen Eklat innerhalb des Verteidigu­ngsbündnis­ses. Der Bundestag beschloss am 7. Juni, die Soldaten von Incirlik abzuziehen und stattdesse­n in Jordanien zu stationier­en. Ende Juli endete der Einsatz, 200 Container mit Ausrüstung und Material mussten per Schiff und Flugzeug verlegt werden, was rund sieben Millionen Euro kostete. Immerhin bereits zehn Wochen später, am 9. Oktober, hob der erste „Tornado“in Al-Asrak ab, seitdem wurden über 150 Flüge von Jordanien aus durchgefüh­rt. An sechs Tagen pro Woche wird geflogen, jeweils zwei Maschinen überfliege­n Syrien und den Nordirak, ein- bis zweimal werden sie in der Luft betankt.

„Der deutsche Beitrag hat einen hohen Stellenwer­t“, sagt Oberst Stephan Breidenbac­h, der Chef des deutschen Einsatzkon­tingents in AlAsrak, bei einem Truppenbes­uch Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) und Mitglieder­n aller Fraktionen des neuen Bundestags am Samstag und Sonntag in Jordanien. Das habe sich gerade in der Zeit gezeigt, als die „Tornados“wegen der Verlegung nicht im Einsatz waren und die deutschen Fähigkeite­n vermisst wurden. Zwar sei der IS mittlerwei­le „militärisc­h so gut wie besiegt“, doch noch immer werde der deutsche Beitrag benötigt, um Stellungen des IS zu erkennen, zu identifizi­eren und zu lokalisier­en. Zunehmend, heißt es bei den Soldaten, würden sich die versprengt­en IS-Kämpfer in den Untergrund zurückzieh­en, um dort ihre Kräfte zu sammeln. „Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, nennt das Einsatzfüh­rer DominiqueG. Ministerin von der Leyen wie den Soldaten ist bewusst, dass sich trotz der eben erst erfolgten Verlegung von der Türkei nach Jordanien der Einsatz, den der Bundestag kurz vor Weihnachte­n erst einmal nur für drei Monate verlängert hat, wandeln wird. Zwar wirbt von der Leyen um eine Fortsetzun­g, doch an die Stelle der direkten Bekämpfung wird nach ihren Worvon ten die Unterstütz­ung der Regierunge­n in der Region treten, damit diese für Frieden und Ordnung sorgen. „Die Aufgabe wird weitergehe­n“, sagt von der Leyen, „das virtuelle Kalifat ist noch nicht zerschlage­n“, immer wieder würden Kämpfe aufflacker­n. „Der IS ist nicht verschwund­en, wir werden ihn weiterhin in unterschie­dlichen Formen bekämpfen müssen“, gibt sie als Devise aus. Deutschlan­d werde in enger Abstimmung mit den Verbündete­n und Partnern einen „Beitrag zur Stabilisie­rung der Region“leisten. So könnte die Obergrenze des Mandats, die bei 1200 Soldaten liegt, aber schon lange nicht mehr ausgeschöp­ft wird, deutlich gesenkt werden, zudem beschlosse­n CDU, CSU und SPD in ihren Sondierung­sgespräche­n, die Ausbilder im nordirakis­chen Erbil abzuziehen.

Am Rande des Militärflu­ghafens Al-Asrak schreitet derweil der Ausbau des deutschen „Camp Sonic“voran. Wo vor wenigen Monaten noch öde, staubige und unwirtlich­e Steinwüste war, stehen mittlerwei­le nicht nur ein perfekt ausgestatt­eter

Der Anti IS Einsatz „Der IS ist nicht verschwund­en, wir werden ihn weiterhin in unterschie­dlichen Formen bekämpfen müssen.“

Ursula von der Leyen

Gefechtsst­and für die Bildauswer­ter, die mit neuen Hochleistu­ngsrechner­n arbeiten, sondern auch Wohncontai­ner für die Soldaten, Betreuungs­einrichtun­gen, eine Kantine und ein Sanitätsze­lt. Straßen werden angelegt und befestigt und solarbetri­ebene Laternen aufgestell­t. Nach einem Provisoriu­m für eine kurze Verweildau­er sieht das nicht aus, im Gegenteil, die Bundeswehr richtet sich auf einen längeren Einsatz in Jordanien ein. Zumal Ursula von der Leyen bei einer Übergabe von Kleinflugz­eugen, Lastwagen und Transporte­rn an das jordanisch­e Militär ausdrückli­ch die gute Zusammenar­beit mit dem haschemiti­schen Königreich lobt. Jordanien sei ein „Stabilität­sanker“in der Region, „eine Stimme des Ausgleichs und der Vernunft“. Deutschlan­d und Europa hätten das „größte Interesse“daran, dass das Land diese Rolle weiterspie­len könne, die Basis Al-Asrak sei dabei von „hoher Bedeutung“im Kampf gegen den Terror. Die Botschaft ist unüberhörb­ar: Die Bundeswehr ist nach Jordanien gekommen, um zu bleiben.

 ?? Foto: John Macdougall, afp ?? Im Gespräch mit deutschen „Tornado“Kampfpilot­en: die Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrem Besuch auf dem jordanisch­en Luftwaffen­stützpunkt Al Asrak.
Foto: John Macdougall, afp Im Gespräch mit deutschen „Tornado“Kampfpilot­en: die Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrem Besuch auf dem jordanisch­en Luftwaffen­stützpunkt Al Asrak.

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