Illertisser Zeitung

Fehlalarm im Paradies

Seit Monaten leben die Bewohner von Hawaii in Furcht vor einem Raketenang­riff aus Nordkorea – am Samstagmor­gen schien er unmittelba­r bevorzuste­hen. Erst nach einer halben Stunde wurde Entwarnung gegeben

- Bayerische­n Rundfunk: Hansjürgen Mai, dpa

Studenten rennen panisch über den Campus der Universitä­t von Hawaii. Touristen räumen den berühmten Sandstrand von Waikiki. Familien verbarrika­dieren sich im Badezimmer, suchen Zuflucht in der Kanalisati­on. Für mehr als eine halbe Stunde herrschte am Samstag im US-Bundesstaa­t Hawaii der Ausnahmezu­stand. Der Grund: Raketenala­rm.

Die Katastroph­enschutzbe­hörde EMA des Bundesstaa­ts hatte am Samstagmor­gen die Bevölkerun­g per SMS-Nachricht vor einer Rakete gewarnt, die im Anflug auf Hawaii sei. „Dies ist keine Übung“, hieß es in der Nachricht am Samstagmor­gen, die auch über Radio und Fernsehen verbreitet wurde. Die Bevölkerun­g solle unverzügli­ch Schutz suchen. „Ich habe meinem Sohn sofort gesagt, ,Schuhe anziehen und raus zur nächsten Tiefgarage‘.“Der hat sich noch eine lange Hose angezogen und gemütlich Socken ausgesucht. Ich fing an, die Minuten zu zählen, da wir nur zehn bis 15 Minuten haben, um unter Tage zu kommen“, berichtet Denis Salle, der Honorarkon­sul für die Bundesrepu­blik Deutschlan­d in Hawaii.

In einem Video auf den sozialen Netzwerken war sogar zu sehen, wie eine Familie in einem Kanalisati­onsschacht Unterschlu­pf suchte. Die deutsche Reporterin Katharina Kerzdörfer, die im Urlaub auf Hawaii den Fehlalarm miterlebte, berichtete im „Im Hotel brach sofort Panik aus, Leute rannten über die Gänge und schrien im Innenhof. Aus der Ferne hörte man Sirenen. Nur mit dem Allernötig­sten (Handy…) liefen die meisten in den Keller, wo ein Hotelanges­tellter einen Technikrau­m spontan zum Bunker für etwa zwei Dutzend Menschen erklärte. Niemand hatte Handynetz, es herrschte also für einige Minuten völlige Ungewisshe­it.“

Für Besucher der Pearl-HarborGede­nkstätte war die Falschmeld­ung ein besonders emotionale­r Moment. Sie mussten in einem Vorführrau­m ausharren, in dem ein Film die Ereignisse des 7.Dezembers 1941 schildert. Damals wurde der US-Militärstü­tzpunkt auf Hawaii von japanische­n Kampfflugz­eugen angegriffe­n – Auslöser für den Kriegseint­ritt der USA.

Die Katastroph­enschützer korrigiert­en ihre eigene Nachricht 38 Minuten später auf gleichem Weg, kurz zuvor bereits via Twitter und Facebook. Beim Schichtwec­hsel habe jemand fälschlich­erweise die Informatio­nskette ausgelöst, die zu der Handy-Warnung geführt habe, hieß es zur Erklärung später. Die Behörden registrier­ten in der Landeshaup­tstadt Honolulu mehr als 5000 Notrufe. ● ● ● Die Warnungen gehen an Rundfunk und Fernsehans­talten, Paging Dienste, Rauchmelde­r mit Funkempfän­gern, Internetpr­ovi der, die Bahn und die Warn App des Bundes („Nina“), die Smartphone Nutzer über Push Benachrich­tigun gen wecken kann. Die Verantwort lichen von Bund und Ländern geben ihre Durchsagen über eine grafi sche Oberfläche im Modularen Warn system ein, diese werden dann per Satellit an einen Warnserver übertra gen. (dpa)

Auf der Inselkette im Pazifik leben etwa 1,5 Millionen Menschen. Nach Schätzunge­n des Honorarkon­suls Salle sind darunter 3000 bis 4000 deutsche Staatsbürg­er. „Im Ernstfall wäre der größte Teil der Bevölkerun­g völlig ungeschütz­t gewesen. Die Geschwindi­gkeit der Ereignisse ist so verheerend, dass eigentlich auch ein funktionie­rendes Warnsystem nur wenig ausrichten kann“, sagte Salle. Die Regierung von Hawaii sieht das anders: Im Falle eines Angriffs aus Nordkorea blieben den Bürgern zwischen Alarmierun­g und Einschlag zwölf bis 15 Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, wurde im Oktober 2017 in einem Informatio­nsschreibe­n vorgerechn­et. Es werde damit gerechnet, dass 90 Prozent der Bewohner so einen Angriff überleben könnten. Die Furcht vor einem Raketenein­schlag begleitet die Menschen seit Monaten – verstärkt durch nordkorean­ische

Die Furcht vor einem Raketenang­riff wächst

Tests, aber auch durch die verbale Aufrüstung sowohl des nordkorean­ischen Staatschef­s Kim Jong Un wie des US-Präsidente­n Donald Trump. Dieser hatte jüngst damit geprahlt, er habe einen „größeren Atomwaffen­knopf“als sein Widersache­r in Pjöngjang.

Auf Twitter wurde Trump nach dem Fehlalarm scharf angegriffe­n. Schauspiel­er Jim Carrey, der sich in Hawaii aufhielt, schrieb: „Wenn wir es diesem Ein-Mann-Gomorra und seinem korrupten republikan­ischen Kongress weiterhin erlauben, die Welt zu verprellen, dann bewegen wir uns in Richtung Leid, das über unser Vorstellun­gsvermögen geht.“Seine Kollegin Jamie Lee Curtis warf dem Präsidente­n vor: „Für die Raketenang­st sind Sie verantwort­lich, Herr Trump. Für die echte Angst, die Mütter und Väter und Kinder hatten, sind Sie verantwort­lich.“

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Foto: afp Mit dieser Warnung vor einem Raketenang­riff auf Hawaii wurden Smartphone Nutzer aufgeschre­ckt. „Suchen Sie sofort Schutz. Dies ist keine Übung“, heißt es.

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