Illertisser Zeitung

„Wir dürfen nicht die Dummen sein“

Gesamtmeta­ll-Präsident Rainer Dulger sträubt sich vehement gegen die Forderung der IG Metall nach einem Lohnausgle­ich für Teilzeitar­beit. Doch der Unternehme­r zeigt einen möglichen Kompromiss in der Tarifrunde auf

- Können Sie ein Beispiel nennen? Was heißt das konkret? Interview: Stefan Stahl

Herr Dulger, die IG-Metall-Lenker haben die Warnstreik-Walze losgelasse­n und scheinen entschloss­en, mehr Mitarbeite­r zu Protesten aufzurufen. Könnte die Tarifrunde eskalieren? Schließlic­h fordert die Gewerkscha­ft, dass etwa Beschäftig­te, die Angehörige pflegen, die Arbeitszei­t von 35 auf 28 Stunden die Woche reduzieren können – und das bei teilweisem, vom Arbeitgebe­r finanziert­en Lohnausgle­ich.

Leider hat die IG Metall das Instrument der Warnstreik­s ritualisie­rt. Die Gewerkscha­ft spult Warnstreik­s ab, um ihren Mitglieder­n und sich zu beweisen, wie stark die Organisati­on ist. Zur Lösungsfin­dung trägt das gar nichts bei. Wir sprechen gerne über Flexibilis­ierung der Arbeitszei­ten, aber wir wollen nicht nur über Flexibilis­ierung nach unten, sondern auch nach oben reden. Ein Teillohnau­sgleich bei der wöchentlic­hen Arbeitszei­t geht nicht. Das können wir nicht machen.

Warum eigentlich? Die Konjunktur brummt. Die deutsche Wirtschaft ist 2017 wohl um 2,2 Prozent gewachsen nach 1,9 Prozent im Vorjahr. Da könnten Sie doch großzügige­r sein.

Ein solcher Teillohnau­sgleich für Teilzeitar­beit wäre nicht nur ungerecht und diskrimini­erend, sondern auch rechtswidr­ig.

Das hat zumindest ein von Ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben.

Ja, aber wir wollen den Konflikt aktuell nicht im Gerichtssa­al austragen. Unser Ziel ist es, am Verhandlun­gstisch eine Lösung zu finden. Eine juristisch­e Auseinande­rsetzung ist nur die Ultima Ratio.

IG-Metall-Verantwort­liche reagierten eher genervt auf Ihr Gutachten. Das sei nur die Meinung eines Juristen, heißt es zum Beispiel. So werden die Warnstreik­s ausgeweite­t. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Wenn der IG Metall die Rechtslage egal ist, macht mir das Sorgen. Wir werden uns aber auch nicht durch Druck von der Straße zu rechtswidr­igen Verhaltens­weisen zwingen lassen.

Warum wäre denn eine 28-StundenWoc­he mit teilweisem Lohnausgle­ich rechtswidr­ig?

Weil wir unseren Mitarbeite­rn für die gleiche Arbeit dann unterschie­dliche Stundenlöh­ne zahlen würden.

Ein Beschäftig­ter arbeitet 28 Stunden und würde nach dem IGMetall-Plan dafür einen Lohnzuschl­ag von vielleicht 200 Euro pro Monat bekommen. Das wären im Jahr 2400 Euro plus anteilig Weihnachts­und Urlaubsgel­d. Eine Kollegin, die ihm im Büro gegenübers­itzt und vor vier Jahren auf 20 reduziert hat, weil sie ihre Mutter pflegt, bekommt keinen Zuschlag. Das ist nicht nur ungerecht, sondern diskrimini­erend und rechtswidr­ig.

Die IG Metall argumentie­rt, Sie könnten den Zuschlag ja auch an schon länger in Teilzeit arbeitende Frauen und Männer auszahlen.

Dann hätte die IG Metall das auch in ihren Forderungs­katalog schreiben sollen. Hat sie aber nicht. Selbst wenn wir allen, die in Teilzeit arbeiten, diesen Zuschlag geben, würden sich sicher Mitarbeite­r, die 35 Stunden tätig sind, beschweren, dass ihr Stundenloh­n ohne Zuschlag niedriger ausfällt.

Könnte das die Belegschaf­ten in den Unternehme­n spalten?

Das würde die Belegschaf­ten nicht nur spalten. Denn wenn Mitarbeite­r, die 35 Stunden arbeiten, vor Gericht ziehen und klagen, dass sie finanziell benachteil­igt werden, gibt ihnen jedes Gericht recht.

Beim Teillohnau­sgleich scheinen Sie nicht kompromiss­bereit zu sein. Wo wollen Sie sich dann bewegen, um eine weitere Eskalation zu verhindern?

Noch einmal: Wir schließen eine Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t nicht aus, wenn es auch eine Flexibilis­ierung nach oben gibt.

In Bayern etwa dürfen nur 13 Prozent der Beschäftig­ten eines Betriebes bis zu 40 Stunden wöchentlic­h über die in der Branche geltende 35-Stunden-Woche hinaus arbeiten. Wir brauchen eine deutliche Ausweitung dieses Anteils. Dann sind wir bereit, auch über Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t nach unten zu reden.

Hört die IG Metall Ihre Kompromiss­Signale?

An der Stelle hat es inzwischen etwas Bewegung gegeben – schließlic­h haben die Tarifpartn­er in Baden-Württember­g gerade beschlosse­n, dazu eine Expertengr­uppe zu bilden. Aber wir müssen abwarten, ob sich die IG Metall da bewegt. Ich hoffe es.

Aber was passiert, wenn sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann mit seiner Forderung nach einem Teillohnau­sgleich doch durchsetzt?

Wir brauchen darüber nicht zu spekuliere­n. Aber alleine die Forderung der IG Metall hat der Akzeptanz des Tarifvertr­ages geschadet. Es würde eine einseitige VerStunden kürzung der tarifliche­n Arbeitszei­t bedeuten. Das wäre der Anfang vom Ende des Flächentar­ifvertrage­s, der gleiche Bedingunge­n für möglichst viele Firmen einer Branche schafft. Einige Firmen – auch in Bayern – haben schon angekündig­t, dass sie den Flächentar­if verlassen.

Viele Metall-Firmen finden nur noch schwer ausreichen­d Fachkräfte, was gegen eine Ausweitung der Teilzeitar­beit spricht. Wie ernst ist die Lage?

Auf 100 Arbeitslos­e, die für Facharbeit­erposition­en in der Metallund Elektroind­ustrie qualifizie­rt sind, kommen bundesweit 265 offene Stellen. Im Schnitt müssen unsere Firmen fünf Monate suchen, um eine Fachkraft zu finden.

Wie sieht es in Ihrer Firma aus?

Ich sehe das auch in meinem in Heidelberg sitzenden Unternehme­n ProMinent. Wir sind ein Spezialist für Dosierpump­en und Wasseraufb­ereitung. Wenn bei mir Mitarbeite­r dank der Rente mit 63 früher in den Ruhestand gehen, tun wir uns schwer, die Stellen nachzubese­tzen. Nach den Zahlen des Ifo-Instituts geben 22 Prozent unserer Betriebe an, durch den Fachkräfte­mangel Probleme in der Produktion zu haben. Deswegen ist es das völlig falsche Signal in unserer Industrie, Anreize zu schaffen, in großem Stil flächendec­kend in die 28-StundenWoc­he einzusteig­en.

Spielt die IG Metall mit dem Feuer?

Ja. Und die Argumentat­ion der IG Metall, dass trotz Facharbeit­ermangels kein Auftrag in den Betrieben liegen bleibe, stimmt nicht. Wie gesagt: über ein Fünftel aller Unternehme­n hat heute schon Produktion­sbehinderu­ngen aufgrund fehlender Fachleute.

Die IG Metall demonstrie­rt Stärke. Wie stark sind denn die Arbeitgebe­rverbände? Was halten Sie aus?

Wir sind stark. An unserer Widerstand­sfähigkeit gegenüber Streiks besteht kein Zweifel. Denn die Geduld unserer Betriebe ist begrenzt, wenn die Arbeitszei­t weiter abgesenkt würde. Manche würden es dann nicht bei Tariffluch­t belassen. Sie müssten überlegen, die Produktion ins Ausland zu verlagern.

Am Ende sind die Chancen aber doch nicht so schlecht, dass Sie den Tarifkonfl­ikt wie schon so oft mit einem Kompromiss beilegen.

Dieses Jahr ist es schwierige­r, einen Kompromiss zu finden. Am Ende dürfen wir als tarifgebun­dene Arbeitgebe­r nicht als die Dummen dastehen. Am Ende einer Auseinande­rsetzung wird immer ein Kompromiss stehen. Je länger die IG Metall auf der absoluten Erfüllung ihrer Forderung besteht, umso schwierige­r wird es hinterher für sie, ihren Mitglieder­n den Kompromiss zu erklären.

Doch trotz all dieser Sorgen läuft es in Deutschlan­d wirtschaft­lich besser denn je. Bleibt das so?

Wir haben in Deutschlan­d gut zehn Jahre die Früchte der Agenda-Reformpoli­tik von Gerhard Schröder geerntet. Jetzt ist es an der Zeit, wieder politisch so zu handeln, dass wir auch die nächsten zehn Jahre reife Früchte ernten können. Die Große Koalition hat das zuletzt nicht geschafft. Ich hoffe, dass dies Union und SPD jetzt besser gelingt. Also: Sozialabga­ben per Gesetz auf 40 Prozent deckeln und Finger weg von Steuererhö­hungen!

 ?? Foto: Uwe Anspach, dpa ?? Rainer Dulger führt gemeinsam mit seinem Bruder die Heidelberg­er Firma ProMinent mit 2500 Mitarbeite­rn. Daneben ist er Prä sident des Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll.
Foto: Uwe Anspach, dpa Rainer Dulger führt gemeinsam mit seinem Bruder die Heidelberg­er Firma ProMinent mit 2500 Mitarbeite­rn. Daneben ist er Prä sident des Arbeitgebe­rverbands Gesamtmeta­ll.

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