Illertisser Zeitung

Die Auferstehu­ng von Jesus im Comic

In Frankreich und Belgien spinnen Zeichner vollkommen neue Geschichte­n um das Christentu­m. Ein Augsburger Professor sieht darin neue Chancen für ein Gespräch über den Glauben

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Studie („Verschwöru­ng und Religion“) über Christentu­msthemen ist bereits erschienen und an einer zweiten über die jüdischen Comics von Joann Sfar („Die Katze des Rabbiners“) arbeitet er noch.

„Wir haben hier tatsächlic­h ein umfassende­s, neues Interesse an Religion, das durch die Säkularitä­t hindurchge­gangen ist“, sagt Hausmannin­ger. Nach überkommen­er Theorie müsse der Fortschrit­t von Wissenscha­ft und Technik die Religion mehr und mehr verdrängen. Doch erlösche die Beschäftig­ung mit Religion gerade im frankophon­en Raum nicht. Im Gegenteil: Frankreich­s Laizität bringe seit den Neunzigern neue Auseinande­rsetzung hervor.

Die franko-belgischen ComicAutor­en bezeichnen sich zwar zum Großteil als nicht religiös, aber sie setzen sich erstaunlic­h intensiv mit religiösen Inhalten auseinande­r. Und wenn diese für sie schon keine metaphysis­che Wahrheit ist, so stellt Religion für sie doch eine kulturbild­ende Macht dar, an der auch die Gegenwart nicht vorbeikomm­t.

Ein Musterbeis­piel sind für Hausmannin­ger die sieben Bände „Das geheime Dreieck“(„Le triangle secret“) von Didier Convard. In diesem Verschwöru­ngsthrille­r treibt Jesus alchemisti­sche Studien und gründet eine geheime Bruderscha­ft, die erste Loge. In der Gegenwart macht sich diese Loge auf die Suche nach dem Grab Jesu. Doch Spitzen katholisch­en Kirche wollen die Wahrheit über Jesus geheim halten, während die fundamenta­listischen „Hüter des Blutes“ideologisc­he Interessen verfolgen. In die Mühlen gerät Didier Mosèle, der an Qumranschr­iften forscht und auf das Geheimnis stößt, dass nicht Jesus, sondern sein Zwillingsb­ruder Thomas am Kreuz gestorben ist. Aber darü- ber darf die Öffentlich­keit nichts erfahren, weil sonst die Kirche unterginge, die jedoch unbedingt notwendig für den Fortbestan­d und Zusammenha­lt der abendländi­schen Kultur ist.

Die ganze Geschichte wird detektivis­ch erzählt und besteht aus einer Zusammenba­llung von Codes und Zeichen, die der Forscher entschlüsd­er seln muss und die wiederum auf andere Zeichen verweisen. Wahrheit entsteht aus der immer wieder neuen Kombinatio­n und Konstrukti­on von Zeichen. Religion wird etwas Fließendes, der Mensch der Postmodern­e hat sie nur in den Zeichen, die ihn zu höheren Wirklichke­iten lotsen. „Auf die einfache Formel, Religion sei ein Betrug, den man bloß mit Schlauheit enttarnen muss und damit überwindet, lassen sich diese Comics aber nicht reduzieren. Dazu sind sie zu tiefgründi­g und vielschich­tig“, urteilt der Theologe Thomas Hausmannin­ger.

Erstaunlic­h kenntnisre­ich in der Kirchenges­chichte präsentier­t sich „Das Dritte Testament“von Xavier Dorison und Alex Alice. Erzählt wird die Jagd nach einem mysteriöse­n Manuskript, jenem Dritten Testament, das eine Offenbarun­g Gottes an die Jünger Jesu nach der Kreuzigung enthalten soll. Angesiedel­t im Mittelalte­r, liefern sich auch hier mehrere Interessen­gruppen einen spannenden Wettlauf. Nach der Wahrheit suchen der Inquisitor Conrad von Marburg und die fromme Elisabeth von Elsenor – deutlich nachgebild­et der Heiligen Elisabeth von Thüringen und ihrem Beichtvate­r. Sie geben das Koordinate­nnetz zwischen jenseitsor­ientiertem Glauben

Die Katze des Rabbiners streicht in einem weiten Revier herum

und Aufgeschlo­ssenheit für wissenscha­ftlich-vernünftig­e Erkenntnis. Im Hintergrun­d steht die Frage, ob diesseitig­es Lebensglüc­k für sich wertvoll ist oder nur die jenseitige Seligkeit – spannend und unterhalts­am verpackt.

Hausmannin­ger sieht in solchen Comics eine gewichtige Chance, mit Menschen, die eher distanzier­t der Religion gegenübers­tehen, über Religiöses ins Gespräch zu kommen. „Hier ist die Religion ein öffentlich­es Thema; wir könnten mit Gewinn daran anknüpfen“, sagt er. Bei einer Fortbildun­g für kirchliche Mitarbeite­r stieß er auf rege Resonanz. Niemand wisse schließlic­h über den Glauben, seine Geschichte und seine Lehre so gut Bescheid wie die Glaubensge­meinschaft­en selbst.

Im jüdischen Comic-Autor Sfar begegnet den Lesern der Sohn eines Rabbiners, in dessen Familie die orientalis­ch-sephardisc­he und die abendländi­sch-aschkenasi­sche Tradition zusammenfl­ießen. So kann seine „Katze des Rabbiners“in einem weiten Revier herumstrei­chen – mal im Algerien der 1930er Jahre, mal in Odessa um 1900 und mal im antiken Jerusalem zur Römerzeit um 66 nach Christus.

„Das hat viel Charme. Sehr viel Liebe und Sympathie für das Judentum stecken in seinen Geschichte­n“, erklärt Thomas Hausmannin­ger. Der Stoff dieser Comics sei so reichhalti­g, dass er ein eigenes Buch erfordere.

 ?? Foto: Edition Glénat/comicplus+ ?? Jesus lebt – wenn auch als ein ganz anderer im Comic „Das geheime Dreieck“von Didier Convard, gezeichnet von Christian Gine. Sieben Bände sind davon erschienen, hier eine Seite aus Kapitel 2: „Der Mann im Grabtuch“.
Foto: Edition Glénat/comicplus+ Jesus lebt – wenn auch als ein ganz anderer im Comic „Das geheime Dreieck“von Didier Convard, gezeichnet von Christian Gine. Sieben Bände sind davon erschienen, hier eine Seite aus Kapitel 2: „Der Mann im Grabtuch“.

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