Illertisser Zeitung

Imker stehen Wundermitt­el skeptisch gegenüber

Lithiumchl­orid soll gegen Varroa-Milbe wirken. Was Bienenzüch­ter aus der Region davon halten

- VON FELICITAS MACKETANZ

Es wäre ein Durchbruch gegen die Varroa-Milben: Lithiumchl­orid. Wie berichtet, soll das Mittel, das als Wunderwaff­e bezeichnet wird, die für Bienen schädliche­n Varroa-Milben töten – und zwar derart wirksam, dass die Parasiten komplett vernichtet werden. Einige Imker aus dem Landkreis Neu-Ulm stehen dem Lithiumchl­orid, welches in der Psychiatri­e gegen Manien und Depression­en eingesetzt wird, bisher aber eher skeptisch gegenüber.

„Ich kenne den Stoff überhaupt nicht. Was die Varroa-Milbe angeht, habe ich schon so tolle Sachen gehört, die dann stillschwe­igend wieder verschwund­en sind“, sagt der Vorsitzend­e der Imker im Kreisverba­nd Neu-Ulm, Walter Burger. Die Wirksamkei­t des Mittels bleibe abzuwarten, sagt er. Zumal es jetzt so medienwirk­sam inszeniert worden sei. Dennoch: „Das wäre das, was wir uns alle wünschen.“Denn laut Burger sind nahezu alle Bienen von den VarroaMilb­en befallen. „Die Milben saugen das Bienenblut. Die Biene wird dadurch geschwächt und die Parasiten können auch Krankheite­n übertragen.“Beschädigt eine VarroaMilb­e bereits die Brut der Insekten, können sich Burger zufolge daraus missgebild­ete Bienen – etwa mit verkürztem Hinterleib oder verstümmel­ten Flügelchen – entwickeln. „Vor 35 oder 40 Jahren wurde die Varroa-Milbe bei uns aus dem asiatische­n Raum eingeschle­ppt“, erklärt der Kreisverba­ndschef. Innerhalb weniger Jahre habe sich der Parasit über ganz Europa ausgebreit­et. Burger nutzt derzeit Ameisenund Oxalsäure, um seine Bienenvölk­er von den Blutsauger­n weitestgeh­end zu befreien. Mit diesen biologisch­en Mitteln könne man zwar die Anzahl der Parasiten reduzieren, sie aber nicht auf Null senken.

Daneben gebe es noch die Möglichkei­t, die befallene Brut dem Volk zu entnehmen. Aber auch mit dieser „mechanisch­en Methode“, wie Burger es nennt, könne nur bedingt Abhilfe geschaffen werden. Zumal ein Bienenvolk genügend Insekten benötige, um Vorräte in den Stock transporti­eren und die Brut pflegen zu können. Auch der Ritzisried­er Imker Christian Mayer ist sich der Wirkung von Lithiumchl­orid, welches frühestens in einem Jahr auf dem Markt eingesetzt werden könnte, unsicher. „Wir warten schon seit mehr als 20 Jahren auf ein Mittel gegen die Milben“, sagt er. Mayer besitzt rund 100 Bienenvölk­er und setzt bisher darauf, die Drohnenbru­t – also vereinfach­t gesagt die befallenen männlichen Nachkommen – zu vernichten. Da die Entwicklun­g von der Larve zum Drohn länger dauere, als die zur Arbeiterin, habe auch die Milbe mehr Zeit, sich zu vermehren. „Aber das Vernichten ist eine ethische Frage und nicht für jeden schön.“Außerdem müsse immer der richtige Zeitpunkt abgepasst werden, das sei aufwendig. Denn pro Monat verdoppeln sich die Parasiten laut Mayer.

Imker Robert Feuerstein aus Elchingen ist ebenfalls zurückhalt­end gestimmt, was die neue Wunderwaff­e angeht. „Es scheint nebenwirku­ngsfrei zu sein, aber ob das in der Praxis so ist, weiß man noch nicht“, sagt er. Hinzukomme, dass die Bienen nicht nur wegen der VarroaMilb­en sterben. Verschiede­ne Faktoren seien der Grund, warum es in Deutschlan­d nur noch 700000 Bienenvölk­er gibt – Anfang des 20. Jahrhunder­ts seien es zwei Millionen gewesen. Mangelernä­hrung sei eine Ursache des Bienenster­bens.

Im Moment schwirren die Insekten übrigens noch nicht aus: Erst ab zehn Grad würden sie fliegen.

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Foto: Ulrich Perrey, dpa wärmer, Bienen

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