Verletzt, verlobt, verschwiegen
Ein Mann soll seine Ex-Partnerin geschlagen und gewürgt haben. Doch vor Gericht will die Frau nicht reden
Was ist im August vergangenen Jahres zwischen einem Bellenberger und seiner Ex-Partnerin vorgefallen? Dieser Frage geht derzeit das Amtsgericht Memmingen nach. Laut Staatsanwaltschaft kam es zwischen den beiden zu einer Auseinandersetzung, als die Frau das gemeinsame Kind zu dem 30-jährigen Angeklagten brachte.
Zunächst ist in der Anklageschrift von Tritten, Ohrfeigen und Faustschlägen die Rede. Weiter heißt es dort, dass die Frau sich selbst mit einem Handtuch würgte und ihrem Ex-Partner drohte, sich umzubringen. Seine Reaktion darauf: „Bring dich doch um. Ich kann auch euch beide umbringen.“Weiter soll er sein Kind am Hals gepackt, der Frau das Handtuch um den Hals gelegt und festgezogen haben. Dann habe er sie aufgefordert, Tabletten zu schlucken. Als die Frau dem nachkommen wollte, soll er sie gezwungen haben, die Medikamente wieder auszuspucken.
Am ersten Verhandlungstag wollten aber weder der 30-Jährige noch sein Opfer, das als Zeugin geladen war, nähere Angaben machen oder die Anklage bestätigen. Die Frau darf die Aussage verweigern. Denn inzwischen sind sie und der Vater ihrer Tochter wieder ein Paar und haben sich im November sogar verlobt. Und für Verlobte gilt, wie für Ehegatten, das Zeugnisverweigerungsrecht. Der Partner muss vor Gericht nicht belastet werden. Auch die Aussagen, die die Frau bei der Polizei gemacht hat, unter anderem als sie den Vorfall meldete, soll das Gericht nicht verwerten, entschied die 27-Jährige. Wie genau es dazu kam, dass Opfer und Täter trotz des mutmaßlichen brutalen Streits wieder zueinandergefunden haben und jetzt sogar Hochzeitspläne schmieden, sagten sie vor Gericht nicht.
Als Zeugen blieben Richterin Barbara Roßdeutscher nur noch die Polizeibeamten, die in dem Fall ermittelten sowie ein Rechtsmediziner, der sowohl den vermeintlichen Angreifer als auch sein Opfer nach der Tat untersuchte. Bei der Frau stellte er diverse Verletzungen fest. Unter anderem auch solche, die typischerweise nach Würgen oder Drosseln auftreten. Diese stufte der Experte als gravierend ein. Er erläuterte gleich mehrere Gründe, warum der Angriff des angeblichen Täters lebensbedrohlich war: Es hätten unter anderem Durchblutungsstörungen auftreten sowie Blutgerinnsel oder Schäden an den Nervenzellen entstehen können.
Auch den Polizeibeamten, die mit dem Opfer am Tag der Tat Kontakt hatten, kamen die Verletzungen der Frau bedrohlich vor. Einer sagte aus: „Mir sind in meiner 20-jährigen Laufbahn als Sachbearbeiter von Tötungsdelikten noch keine fünf Opfer begegnet, die solche Verletzungen hatten.“Sein erster Eindruck sei gewesen, dass der Mann sogar versucht haben könnte, seine ExPartnerin zu töten. Die Staatsanwaltschaft klagte den 30-Jährigen letztlich wegen gefährlicher Körperverletzung an. Auch der Polizeibeamte, der den Angeklagten in seiner Wohnung festnahm, war als Zeuge geladen. Nachdem er über Funk gehört hatte, was vorgefallen war, habe er mit allem gerechnet, als er zum Tatort fuhr. Doch der 30-Jährige sei überraschend ruhig gewesen. Er habe die Haustür nach dem Klingeln gleich geöffnet und dabei seine Tochter auf dem Arm getragen. Ob der Mann, der derzeit in Untersuchungshaft sitzt, zur Tatzeit unter Drogen stand, wurde am ersten Verhandlungstag nicht geklärt. Ein Urteil konnte die Richterin aufgrund der verweigerten Aussagen noch nicht fällen. Nun soll noch der Polizist verhört werden, der die Frau am Tag der Tat auf der Wache in Empfang nahm.