Sie lehren Zuschauern das Gruseln
Beim Comedy-Thriller „Schau nicht unters Rosenbeet“beweist die Schwabenbühne Sinn für rabenschwarzen Humor. In der ausverkauften Schranne gibt es dafür viel Applaus
Gänsehaut und Horrorvisionen, kaum dass sich der Vorhang der Schwabenbühne für die Premiere des Comedy-Thrillers „Schau nicht unters Rosenbeet“von Norman Robbins hob. Die Vorstellung in der Illertisser Schranne war ausverkauft und das Publikum begeistert über die gelungene Gratwanderung zwischen dem Grauen und seiner komödiantischen Überspitzung. Dabei hatte Regisseur Richard Aigner Effekte sparsam eingesetzt, um nicht ins Lächerliche abzudriften.
Denn in der Geschichte ging es um Mord – in achtfacher Ausführung. Es begann mit eindringlichen, an das Jaulen eines Wolfes – oder Werwolfes? – erinnernden Klängen einer sogenannten singenden Säge. Das passte zum Ambiente des abseits vom Dorf liegenden „Monument House“, einem Schloss mit muffigen Gewölben und Bibliothek ohne Buch im Kaminzimmer.
Als der Vorhang aufgeht, mischt sich Telefonklingeln in das Jaulen und es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis Hamilton Pentworthy (Josef Hutzler), Anwalt der „Henks“, das Kaminzimmer betritt. Von ihm erfahren die dazukommenden Familienmitglieder, dass ihr toter Vater Septimus Henk die von ihm verehrte Dichterin Miss Ash (Katharina Tiefenbach) mit 400000 Pfund zur Haupterbin gemacht habe, ohne ihr je begegnet zu sein. Nicht nur, dass sich seine fünf Kinder mit weniger Geld abfinden sollen – Miss Ash hat auch zur Auflage, in „Monument House“einzuziehen, wenn sie das Erbe antreten will.
Die gleichzeitig entsetzten Gesichter der sonst so zerstrittenen Familie und des verschuldeten und auf Honorar wartenden Familienanwalts sprechen Bände. Und dessen Worte „Niemand erbt etwas, es sei denn vier Millionen“, kommen bedrohlich – scheinen aber in der ganzen Aufregung unterzugehen. So kommt es, wie es kommen muss: Ein Schuss, die Bühne wird schwarz und Miss Ash ist tot. In einer Mischung aus Entsetzen und Erleichterung wird beschlossen, sie im Rosenbeet zu begraben. Das Publikum ahnt: Die Vorgaben für die schicksalhafte Verkettung komischer Zufälle mit tödlichem Ausgang stehen fest, ein Zurück oder gar Aussteigen aus der mörderischen Maschinerie scheint unmöglich. Versuche, Krankenwagen oder Polizei aus dem Dorf zu holen, werden durch sich überschneidende Ereignisse ständig vereitelt. Noch schlimmer: Auf geradezu unheimliche Weise taucht immer wieder die Pistole des toten Hausherrn auf – oder ist der gar nicht tot und rächt sich an seiner Familie?
Für die Mimen beginnt ein rastlo- ses Versteck- und Verdächtigungsspiel auf der Bühne und dahinter, wo sich Küche, einzelne Zimmer und geheime Gänge erahnen lassen. Kaum ist das Ableben von Miss Ash verkraftet, bringt ihr Sekretär Perry Potter (Benjamin Windirsch) mit seiner unerwarteten Rückkehr die Familie Henk in Erklärungsnöte. Für komödiantische Störmanöver sorgt die aufreizende Monica Henk (Eva Schneider), die Perry trickreich umgarnt. Mit Schwester Emily Henk (Christine Brüderl) zankt sie sich ständig. Dora Henk (Martina Dippel), Schwester Nummer drei, sieht sich in direkter Nachfolge der berühmten Giftmischerin Lukrezia Borgia. Sie beklagt das gesunkene Niveau der nicht mehr diskret verlaufenden Todesfälle. Der Reihe nach wird in Monument House gemordet, „dabei habe ich doch die giftigen Essenzen weggeräumt“. Emily, Dora, Haushälterin Agatha Hammond (Stefanie Steinle) und der Anwalt bleiben ebenso wenig verschont wie die Brüder Olivier Henk, der unsichtbare Werwolf und Lucien Henk (Edgar Thoma), das neue Familienoberhaupt. Bruder Marcus Henk (Philip Müller) wähnt sich als Cäsar und verarbeitet die Morde poetisch – ein weiteres köstlich-komisches Element: „Der Tod, das Schicksal aller, kommt, wann er kommen soll.“
In einem mörderischen Aufeinandertreffen geben Monica und Krankenschwester Anne Franklin (Gertrud Menzel) ihr Letztes um ein Erbe, dessen Verbleib bis dato unklar ist. Monica gewinnt und ihr Liebhaber Perry Potter gesteht, als der eigentliche erfolglose Schriftsteller die Mordserie ins Rollen gebracht zu haben. Der tote Henk hatte das verschollene Geld in Potters Bücher investiert und Monica den Gewinn in ihrem Strumpf versteckt. Daher waren alle Bücherregale leer.
Wäre die Geschichte nicht so komisch, wäre es eine Tragödie. Der Schwabenbühne ist der komische Anteil mit Bravour gelungen. Jeder einzelne der fein herausgearbeiteten Charaktere trug dazu bei.
Spannung bis zuletzt, als das Geld im Strumpf auftaucht