In Illertissen herrscht Aufregung um den „Pipi Baum“
Über das Konzept eines toilettenlosen Naturkindergartens wird diskutiert: Was ist zumutbar – und was nicht?
Der Druck in der Blase steigt, aber weit und breit keine Toilette in der Nähe – für viele Menschen ist das wohl eine schreckliche Vorstellung. Andere hingegen können sich durchaus vorstellen, sich im Freien zu erleichtern. Diese beiden Anschauungen prallen bei der Debatte um den geplanten Naturkindergarten aufeinander, die seit einigen Tagen in Illertissen geführt wird. In der vergangenen Woche waren die Einrichtung und die Toilettengänge in einer Sitzung des Bauausschusses Thema
Seither wird in der Stadt darüber gesprochen, auch auf der Seite unserer Zeitung im sozialen Netzwerk
Dort ging es zuletzt heiß her: Während die einen das Konzept eines naturnahen Kindergartens schätzen, lehnen andere es strikt ab. „Da fällt einem doch nichts mehr ein“, kommentiert eine Leserin. Sie scheint beunruhigt darüber, dass dann ja auch das Kindergarten-Personal sein „Geschäft verbuddeln“müsse. So war es in der Debatte um den Naturkindergarten im Bauausschuss erläutert worden: Die Notdurft werde in der Erde vergraben und zum Wasserlassen möglicherweise so etwas wie ein „Pipi-Baum“aufgesucht. Fest installierte WCAnlagen sind offenbar nicht vorgesehen. Genau das finden mehrere Bürger unzumutbar. Was sollen Frauen tun, die ihre Periode haben?, fragt die Leserin entrüstet. Ähnlich sieht das eine andere
Es werde sicher nicht viele Erzieherinnen geben, die sich so etwas antun wollten, vermutet sie. Ihre Meinung: „Selber kein Klo haben, den Kindern den Po abwischen und danach keine Hände waschen können, anschließend beim Vespern helfen ... hmmm lecker!“Genau deswegen ist für eine dritte Frau die Überlegung, ihr Kind in so einer Einrichtung betreuen zu lassen, „erledigt“. Keine Toilette, kein fließendes Wasser: „Das geht gar nicht“, findet sie. Andere argumentieren, mit dem Naturkindergarten schlage man den Weg zurück „in die Steinzeit“ein. Und empfehlen: „Geht mit euren Kindern häufiger spazieren“, dann kämen diese nämlich auch so an die frische Luft.
Es gibt aber längst nicht nur negative Einschätzungen: Bei solchen Kindergarten-Arten sei es „völlig üblich“, in der Natur zu leben, weiß eine Leserin. Dennoch würden die Hände vor dem Essen gewaschen. „Wer von dem Konzept nicht überzeugt ist, braucht weder dort zu arbeiten noch sein Kind dort betreuen zu lassen“, schreibt die Frau auf der Seite unserer Zeitung. Eine andere weiß von einem Arbeitskollegen, der seine beide Kinder in einer ähnlichen Einrichtung bei Augsburg hatte und „sehr begeistert“sei. „Die Kids sind fit, gesund und aufgeweckt und hatten dort immer sehr viel Spaß – auch ohne Toiletten“, lautet ihr Kommentar. Entweder man hasst es oder man liebt es: So fasst die Illertisser Hauptamtsleiterin Kerstin Breymaier die Auffassungen zum Konzept Naturkindergarten zusammen. Dass sie ohne feste Toiletten auskämen, sei „komplett üblich“. Die Idee sei auch nicht neu und werde zum Beispiel in Einrichtungen in Weißenhorn und Senden so umgesetzt. Das Reinigen der Hände sei möglich, sagt Breymaier, unter anderem durch Hygiene-Tücher. Sollten sich die Bedenken häufen, sei es sicher möglich, eine sogenannte KompostWC-Anlage einzurichten. Statt einer Wasserspülung gibt es hier Rindenmulch oder Stroh, die Ausscheidungen werden zersetzt und später als Dünger verwendet.
Das Interesse an dem Illertisser Naturkindergarten – der übrigens kein reiner Waldkindergarten sein will – ist groß: Es gebe bereits zahlreiche Nachfragen, sagt Breymaier. Sie habe keine Bedenken, dass die 15 Plätze Anfang Mai nicht besetzt werden können. Dann beginnt die einwöchige Anmeldefrist. Zuvor werde es noch eine Informationsveranstaltung geben. Dabei soll das Konzept präsentiert werden. Auch das zu den Toiletten.