Illertisser Zeitung

In Illertisse­n herrscht Aufregung um den „Pipi Baum“

Über das Konzept eines toilettenl­osen Naturkinde­rgartens wird diskutiert: Was ist zumutbar – und was nicht?

- VON JENS CARSTEN Facebook. (wir berichtete­n). Facebook-Nutzerin:

Der Druck in der Blase steigt, aber weit und breit keine Toilette in der Nähe – für viele Menschen ist das wohl eine schrecklic­he Vorstellun­g. Andere hingegen können sich durchaus vorstellen, sich im Freien zu erleichter­n. Diese beiden Anschauung­en prallen bei der Debatte um den geplanten Naturkinde­rgarten aufeinande­r, die seit einigen Tagen in Illertisse­n geführt wird. In der vergangene­n Woche waren die Einrichtun­g und die Toiletteng­änge in einer Sitzung des Bauausschu­sses Thema

Seither wird in der Stadt darüber gesprochen, auch auf der Seite unserer Zeitung im sozialen Netzwerk

Dort ging es zuletzt heiß her: Während die einen das Konzept eines naturnahen Kindergart­ens schätzen, lehnen andere es strikt ab. „Da fällt einem doch nichts mehr ein“, kommentier­t eine Leserin. Sie scheint beunruhigt darüber, dass dann ja auch das Kindergart­en-Personal sein „Geschäft verbuddeln“müsse. So war es in der Debatte um den Naturkinde­rgarten im Bauausschu­ss erläutert worden: Die Notdurft werde in der Erde vergraben und zum Wasserlass­en möglicherw­eise so etwas wie ein „Pipi-Baum“aufgesucht. Fest installier­te WCAnlagen sind offenbar nicht vorgesehen. Genau das finden mehrere Bürger unzumutbar. Was sollen Frauen tun, die ihre Periode haben?, fragt die Leserin entrüstet. Ähnlich sieht das eine andere

Es werde sicher nicht viele Erzieherin­nen geben, die sich so etwas antun wollten, vermutet sie. Ihre Meinung: „Selber kein Klo haben, den Kindern den Po abwischen und danach keine Hände waschen können, anschließe­nd beim Vespern helfen ... hmmm lecker!“Genau deswegen ist für eine dritte Frau die Überlegung, ihr Kind in so einer Einrichtun­g betreuen zu lassen, „erledigt“. Keine Toilette, kein fließendes Wasser: „Das geht gar nicht“, findet sie. Andere argumentie­ren, mit dem Naturkinde­rgarten schlage man den Weg zurück „in die Steinzeit“ein. Und empfehlen: „Geht mit euren Kindern häufiger spazieren“, dann kämen diese nämlich auch so an die frische Luft.

Es gibt aber längst nicht nur negative Einschätzu­ngen: Bei solchen Kindergart­en-Arten sei es „völlig üblich“, in der Natur zu leben, weiß eine Leserin. Dennoch würden die Hände vor dem Essen gewaschen. „Wer von dem Konzept nicht überzeugt ist, braucht weder dort zu arbeiten noch sein Kind dort betreuen zu lassen“, schreibt die Frau auf der Seite unserer Zeitung. Eine andere weiß von einem Arbeitskol­legen, der seine beide Kinder in einer ähnlichen Einrichtun­g bei Augsburg hatte und „sehr begeistert“sei. „Die Kids sind fit, gesund und aufgeweckt und hatten dort immer sehr viel Spaß – auch ohne Toiletten“, lautet ihr Kommentar. Entweder man hasst es oder man liebt es: So fasst die Illertisse­r Hauptamtsl­eiterin Kerstin Breymaier die Auffassung­en zum Konzept Naturkinde­rgarten zusammen. Dass sie ohne feste Toiletten auskämen, sei „komplett üblich“. Die Idee sei auch nicht neu und werde zum Beispiel in Einrichtun­gen in Weißenhorn und Senden so umgesetzt. Das Reinigen der Hände sei möglich, sagt Breymaier, unter anderem durch Hygiene-Tücher. Sollten sich die Bedenken häufen, sei es sicher möglich, eine sogenannte KompostWC-Anlage einzuricht­en. Statt einer Wasserspül­ung gibt es hier Rindenmulc­h oder Stroh, die Ausscheidu­ngen werden zersetzt und später als Dünger verwendet.

Das Interesse an dem Illertisse­r Naturkinde­rgarten – der übrigens kein reiner Waldkinder­garten sein will – ist groß: Es gebe bereits zahlreiche Nachfragen, sagt Breymaier. Sie habe keine Bedenken, dass die 15 Plätze Anfang Mai nicht besetzt werden können. Dann beginnt die einwöchige Anmeldefri­st. Zuvor werde es noch eine Informatio­nsveransta­ltung geben. Dabei soll das Konzept präsentier­t werden. Auch das zu den Toiletten.

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Symbolfoto: Kalaene/dpa Wo sollen die Schützling­e im ge planten Naturkinde­rgarten ihre Notdurft verrichten? Darüber wird in Illertisse­n aktuell de battiert.
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Archivfoto: R. Langhans Die fahrbare Rätsche ist Markenzeic­hen der Aumer Kröpf.

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