Windkraft: Osterberg stellt sich quer
Die Kommune hat dem Bauvorhaben im Iller- und Rothtal einen Dämpfer verpasst. Dabei könnten die geplanten Anlagen die Energiewende im Landkreis vorantreiben
Es ist ein Thema, das die Politiker weltweit beschäftigt: Die Energiewende. Gemeint ist damit der Wechsel von fossilen oder atomaren Energiequellen hin zu regenerativen, wie beispielsweise zur Sonnen- oder Windenergie. Doch Letzterer scheint in der Region die Luft auszugehen – zumindest aus Sicht einiger Osterberger. Denn die örtlichen Gemeinderäte hatten, wie berichtet, den angedachten sechs Windkraftanlagen zwischen Altenstadt und Kellmünz einen Dämpfer verpasst.
Die Räte stimmten gegen einen sogenannten Standortsicherungsvertrag zwischen den Bayerischen Staatsforsten, die die Fläche für die Räder zur Verfügung stellen, und dem Babenhauser Investor Vensol, der dieses Gebiet für den Bau der Anlagen pachten würde. Gutachten bezüglich des Lärms oder des Schattenwurfs konnte Vensol deshalb bisher noch nicht in Auftrag geben, denn dafür müssen alle drei beteiligten Gemeinden dem Vertrag zustimmen. Doch drei Kommunen bedeuten in diesem Fall drei Meinungen: Die Kellmünzer Räte entschieden sich für das Abkommen, die Altenstadter stellen eine Zustimmung in Aussicht – haben aber noch nicht „ja“gesagt und die Osterberger lehnten den Vertrag ab. Als Begründung nannte Bürgermeister Rainer Schmalle unter anderem eine vier Jahre alte Bürgerbefragung zu dem Thema. Bei der hätten sich die meisten Beteiligten gegen die Windkraft ausgesprochen. Und auch der „Flächenfraß“und die Lärmbelästigung durch die Rotoren sei nicht zu unterschätzen, hieß es unlängst in der Sitzung.
Dabei ist die rund 250 Hektar große Fläche zwischen Altenstadt und Kellmünz laut Regionalverband Donau-Iller sogar ein Vorranggebiet für die Windkraftnutzung. Heißt: Auf dem Areal darf nichts geschehen, was der Windkraft entgegensteht, wie etwa eine Wohnbebauung, erklärt der Regionalverbandsdirektor Markus Riethe auf Nachfrage.
Und noch mehr: Bisher drehen sich im gesamten Landkreis nur die Rotoren einer Anlage, und zwar bei Seligweiler. Der restliche Landkreis ist sozusagen windkraftfrei. Das Energie-Projekt im Iller- und Rothtal könnte also eines der ersten im Kreis werden. Denn auch an den anderen Vorranggebieten tut sich nach Aussage von Hans-Christian Kiefert, Planer Windenergie beim Regionalverband, wenig. Geht es nach dem Regionalplan könnten in Zukunft auch bei Pfaffenhofen, im Roggenburger Wald, im Stoffenrieder Forst und im Oberrother Wald Windräder errichtet werden. Doch bisher ist das nicht passiert.
Kiefert vermutet, dass die betrof- Kommunen den Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung aus dem Weg gehen wollen. Denn Windkraft berge immer Konfliktstoff. Die 10-H-Regelung werde deshalb oft eingesetzt, um gegen die Räder zu argumentieren. Diese Vorschrift besagt, dass der Abstand eines Windrads zu Wohnungen mindestens zehn Mal so groß sein muss, wie die Anlage hoch ist. Allerdings sei das eine Regelung, von der die Kommunen abweichen könnten, betont Regionalverbandsdirektor Riethe.
Seiner Meinung nach habe der Verband alles dafür getan, damit sich im Wald zwischen den Altenstadter Ortsteilen Illereichen und Filzingen und dem Markt Kellmünz Windräder drehen könnten. „Der regionale Wille war, dort die Windkraft zu ermöglichen“, sagt Riethe. Der Rest bleibe den Kommunen überlassen.
Und die verfolgen trotz unterschiedlicher Meinungen alle dasselbe Ziel: „Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen. Unser Ziel ist, über alle drei Gemeinden hinweg zu einer Bürgerbeteiligung gleicher Art zu kommen. Das ist wichtig“, sagt Wolfgang Höß, Bürgermeister von Altenstadt und Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft. Zum Beispiel mithilfe eines Bürgerentscheids. Wichtig sei Höß nun, keinen Druck auf Osterberg aufzubaufenen en, man wolle keinen Konflikt zwischen den Kommunen schüren. „Auf der anderen Seite wollen wir dem Investor und den Staatsforsten ein Signal senden, damit sie die Fakten vorlegen.“Höß spricht von einer schrittweisen Annäherung zwischen dem Unternehmen und den Gemeinden. Diese Meinung vertritt auch der Kellmünzer Rathauschef Michael Obst. Der Marktrat wünsche sich eine Bürgerinformationsveranstaltung und die Besichtigung einer Anlage, sagt er. „Wir haben einen wesentlichen Vorteil: Wir sind nicht die Ersten, die so etwas machen.“
Eine Besichtigungsfahrt ist auch das Anliegen der Firma Vensol. „In diesem Fall gibt es zwei Kommunen, die dafür gestimmt haben und eine, die negativ gestimmt ist. Das ist sehr, sehr schade“, sagt Geschäftsführer Christin Böhm. Dennoch sei das Projekt für das Babenhauser Energie-Unternehmen nicht vom Tisch. „Wir werden in Osterberg noch einmal ansetzen“, sagt Böhm. Er wolle die Gemeinderäte erneut informieren und eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Windenergie organisieren. „Das ist aber ein Prozess, der viel Zeit in Anspruch nehmen wird.“Geplant sei, im Frühjahr den Bürgern aus allen drei Gemeinden die Möglichkeit zu bieten, zwei Windräder zu besichtigen und sich ein Bild davon zu machen. Denn aus Sicht des Unternehmens sind die Osterberger Argumente nicht nachvollziehbar. Die Bürger hätten Bedenken aufgrund des Schattens und Schalls durch die Anlagen. Dabei hätten die Osterberger im Vergleich zu den anderen Betroffenen den größten Abstand zu den Rädern. Zudem seien die Anlagen vom Ort aus kaum bis gar nicht wahrnehmbar. Mit dem „Nein“hätte Böhm deswegen nicht gerechnet. Während einer Projektvorstellung habe leider keiner seine Skepsis geäußert, sagte er. „Unser Anliegen ist es nun, auf diese Bedenken einzugehen und das mit den Bürgern zu besprechen.“
Osterbergs Bürgermeister Schmalle vertritt jedoch nach wie vor die Meinung des Gemeinderats: Er hat Sorge um das größte zusammenhängende Waldstück im Landkreis. „Dass man die Dinger in den Wald setzt, ist auch nicht richtig.“Dafür müssten Flächen gerodet werden. Laut Schmalle würden einige Probleme bei dem Thema kleingeredet. Eine Anlage für Millionen Euro dorthin zustellen, die nicht immer laufen wird, sei nicht korrekt. „Wind ist das Falsche. Man will keine Verbauung des Wassers, dann will ich aber auch keine Verbauung des Waldes.“
Die Energiewende geht in Deutschland nur schleppend voran. Im Landkreis Neu-Ulm sieht man das im Vergleich zu unseren Nachbarn. Im baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis beispielsweise stehen nach Auskunft des Regionalverbandes Donau-Iller um die 50 Windkraftanlagen – teilweise bis zu 200 Meter hoch. Geeignete Flächen gibt es bei uns auch. Warum also hat sich bisher nicht mehr getan?
Die Gründe dafür sind vielfältig, die Sorgen der Bürger bezüglich des Lärms, des Schattens und auch die Sorge, Tiere könnten durch die Räder vertrieben werden, sind durchaus berechtigt. Aber: Konkrete Fakten für die Altenstadter Anlagen liegen noch nicht vor. Erst wenn Gutachten erstellt und bestehende Anlagen besichtigt wurden, kann erneut eine Diskussion über die Vor- und Nachteile der Kraftwerke geführt werden – und zwar auf Basis der Befunde. Sprechen dann immer noch viele Gründe gegen die weißen Kolosse, gibt es durch Daten abgesicherte Argumente.
Fest steht aber schon jetzt: Viele Energiequellen neigen sich dem Ende zu oder andere bergen Gefahren, wie vor einigen Jahren die Nuklearkatastrophe in Fukushima zeigte. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Kommunen und das Unternehmen für die Windkraft annähern. Das sehen auch der Altenstadter und der Kellmünzer Bürgermeister so. Sie haben es, zusammen mit dem Osterberger Rathauschef, in der Hand, neue Signale zu setzen und den Bürgern Informationen zu dem wichtigen Thema erneuerbare Energien zu liefern. In der Bundespolitik wird seit Jahren über den Umstieg auf nachhaltige Energiequellen diskutiert, richtig angelaufen ist die Wende noch nicht. Kohle wird nach wie vor abgebaut und erst in einigen Jahren sollen die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Es vergeht Zeit, die genutzt werden könnte, um andere Energiequellen zu finden und vielleicht andere Kommunen zu einem ähnlichen Schritt zu ermutigen.
Busfahrten zu Anlagen sind geplant