Illertisser Zeitung

Sprechstun­de auch am Wochenende

Am 30. Januar eröffnet die Kassenärzt­liche Vereinigun­g drei neue Bereitscha­ftspraxen in der Region, eine davon in Weißenhorn. Was sich dadurch bei der Versorgung ändert

- VON JENS NOLL

Was tun, wenn einen am Samstagabe­nd eine lästige Erkältung plagt, der Hausarzt aber zu dieser Zeit nicht erreichbar ist? Für Beschwerde­n, die zwar nicht lebensbedr­ohlich sind, aber trotzdem behandelt werden sollten, gibt es außerhalb der üblichen Sprechstun­denzeiten den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst. Bei diesem System wird es am 30. Januar, also am kommenden Dienstag, eine wesentlich­e Änderung geben. Denn die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayerns, kurz KVB, die den Dienst betreibt, strukturie­rt die Versorgung um.

Bisher suchten Bürger in den Abendstund­en sowie an Wochenende­n und Feiertagen einen Arzt in der Nähe ihres Wohnortes auf, der Bereitscha­ftsdienst hatte. Von Dienstag an gibt es in der Region dafür drei zentrale Anlaufstel­len: Sowohl gesetzlich als auch privat Versichert­e können ohne Voranmeldu­ng in die Bereitscha­ftspraxen an der Stiftungsk­linik Weißenhorn, an der Kreisklini­k Günzburg und am Klinikum Memmingen kommen. Dort verrichtet jeweils ein Arzt Dienst. „Sie können frei entscheide­n, wo sie hingegen“, sagt Manuel Holder, Projektman­ager für die Weiterentw­icklung des Bereitscha­ftsdienste­s bei der KVB.

Wie eine normale Arztpraxis sieht die Bereitscha­ftspraxis am Weißenhorn­er Krankenhau­s aus. Tagsüber nutzt die Klinik die Behandlung­szimmer selbst, abends und am Wochenende vermietet sie sie an die KVB. Der diensthabe­nde Arzt dreht dann das Schild an der Tür um, schiebt mehrere Container auf Rollen in die Praxis, in denen Spritzen, Pflaster und Co. untergebra­cht sind, und nimmt die Patienten in Empfang. Eine Übersicht am Eingang der Klinik soll den Kranken helfen: Es weist nicht nur den Weg zur neuen Praxis, sondern listet auch auf, bei welchen Beschwerde­n sie diese aufsuchen und bei welchen sie besser in die Notaufnahm­e gehen sollten.

Ein erklärtes Ziel der KVB ist es nämlich, mit dem neuen Bereitscha­ftsdienst die Notaufnahm­en der Kliniken zu entlasten. Holder sagt: „Sie wurden bisher überrannt von Fällen, die dort nicht hingehören.“Gleichzeit­ig verweist der KVB-Mitarbeite­r auf Synergien, die durch die Zusammenar­beit mit den Kliniken entstünden. So können Patienten die Kliniken, an denen eine Bereitscha­ftspraxis eingericht­et ist, auch in der Nacht als ambulante Anlaufstel­le nutzen. Zudem, das betont auch Dr. Andreas Keller, der medizinisc­he Direktor der Kreisspita­lstiftung Weißenhorn, seien die Wege künftig kürzer, wenn ein Patient der Bereitscha­ftspraxis doch zum Fall für die Notaufnahm­e werden sollte.

Sicht der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g bietet das neue System noch einen weiteren Vorteil für die Bürger: Sie müssen im Bedarfsfal­l nicht wie bisher erst herausfind­en, welcher Arzt Bereitscha­ftsdienst hat, sondern können gleich die Praxen in den Kliniken aufsuchen. Die bundesweit einheitlic­he, kostenlose Telefon-Hotline 116117 hilft weiter, wenn Patienten Fragen haben. Bei lebensbedr­ohlichen Erkrankung­en allerdings sollten Bürger stets die Notrufnumm­er 112 wählen.

Ergänzend zum Bereitscha­ftsdienst werden niedergela­ssene Ärzte auch künftig medizinisc­h notwendige Hausbesuch­e vornehmen, wenn Patienten aus gesundheit­lichen Gründen nicht in die Praxen kom- men können. Diese werden auch unter 116 117 gerufen. Anders als bisher müssen sich die Ärzte aber nicht mehr mit dem eigenen Auto auf den Weg machen, sondern haben einen medizinisc­h geschulten Fahrer zur Seite. Dafür decken die Fahrdienst­e, die auch über Nacht im Einsatz sind, von 30. Januar an ein größeres Gebiet ab. Jeweils von Weißenhorn und von Günzburg aus bedienen sie die beiden Landkreise. Koordinier­t werden sie von einer zentralen Leitstelle.

Unterstütz­ung beim Fahrdienst, gleichmäßi­gere Verteilung der Dienstbela­stung: Dadurch verspricht sich die KVB vom neuen System auch eine Verbesseru­ng für die Ärzte selbst. Unter den HausärzAus ten gibt es allerdings auch andere Meinungen. Zwar reduziere sich künftig die Zahl der Bereitscha­ftsstunden, sagt der Facharzt für Allgemeinm­edizin Dr. Horst Hennrich, der eine Praxis in Bellenberg hat. Doch dafür, glaubt er, würden vor allem die nächtliche­n Fahrdienst­e stressiger. „Die Wege werden weiter“, sagt er. So könne es sein, dass er nachts von seinem Wohnort Weißenhorn mit dem Fahrer nach Ursberg im Süden des Landkreise­s Günzburg müsse. Und für den „Sitzdienst“in der Bereitscha­ftspraxis, kritisiert Hennrich, müsse er die Sprechzeit­en in seiner eigenen Praxis umstellen, um rechtzeiti­g zu Dienstbegi­nn in der Klinik zu sein.

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Dr. Andreas Keller (von links), medizinisc­her Direktor, und Marc Engelhard, Direktor der Kreisspita­lstiftung Weißenhorn, schauen sich mit Manuel Holder von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns die neue Praxis in Weißenhorn an.
Foto: Andreas Brücken Dr. Andreas Keller (von links), medizinisc­her Direktor, und Marc Engelhard, Direktor der Kreisspita­lstiftung Weißenhorn, schauen sich mit Manuel Holder von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns die neue Praxis in Weißenhorn an.

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