Ulm muss bittere Pille schlucken
Bis zu 270 Arbeitsplätze in der Ratiopharm-Heimat werden wegen Finanzproblemen bei Teva abgebaut
Seit Wochen erwarten die 2700 Beschäftigten bei Ratiopharm in Ulm die schlechte Nachricht. Nun kam sie per E-Mail an jeden Mitarbeiter: Zehn Prozent der Jobs sollen abgebaut werden. Rechnerisch bedeutet dies, dass wohl 270 Mitarbeitern (2700 ist die Zahl der Festangestellten inklusive 200 im Außendienst) die Kündigung droht. Der Betriebsrat sei ebenfalls über die geplanten Maßnahmen informiert, erste Gespräche hätten begonnen. Zu einer Stellungnahme war die Arbeitnehmervertretung nicht bereit.
„Auf den geplanten Stellenabbau in den verschiedenen Bereichen wollen wir an dieser Stelle nicht im Detail eingehen“, heißt es in dem unserer Zeitung vorliegenden Schreiben. Es ist das erklärte Ziel der Geschäftsführung, die Zahl der betriebsbedingten Kündigungen durch sozial verträgliche Lösungen so gering wie möglich zu halten. Ein Teil des Stellenabbaus erfolge durch das Nichtbesetzen von ohnehin unbesetzten Stellen. Die Überraschung bei den Beschäftigten in Ulm hält sich in Grenzen. Die Größenordnung des Stellenabbaus sei erwartet worden, sagte eine Mitarbeiterin gegenüber unserer Zeitung. Das Warten auf Gewissheit sei nun das Härteste. Die Stimmung im Betrieb sei infolgedessen schlecht, denn niemand wisse so recht, ob er selbst oder sein Kollege im übernächsten Monat noch an Bord sein wird. Von Teva gab es noch keine Stellungnahme. Der Pressesprecher bestätigte lediglich, dass ein Brief der Geschäftsführung über die Restrukturierung am Standort Deutschland verschickt worden sei.
Die Restrukturierung findet demnach in allen Bereichen von Teva und in allen Regionen der Welt statt. Im Brief ist die Rede davon, dass es zu einer Vielzahl von Standortschließungen komme und bis zu 14 000 Stellen abgebaut werden. Das entspreche rund 25 Prozent der Mitarbeiter des Unternehmens. Die Maßnahmen und Veränderungen dienen dem Ziel, Teva finanziell zu stabilisieren und so die Basis für den langfristigen Erfolg zu sichern. Der Weg dorthin führe über eine deutlich schlankere und vereinfachte Organisationsstruk- tur, die das Unternehmen effizienter, agiler und schneller mache.
Aus rein Ulmer Sicht enthält das interne Schreiben auch gute Nachrichten: Der Bau des 500 Millionen Euro teuren Biotech-Zentrums gehe weiter. Die Investition liege im Plan, der vorsieht, bis 2020 bis zu 300 neue Stellen zu schaffen, davon 40 Stellen bis Ende 2018.
Außerdem sollen sämtliche Aktivitäten des israelischen Konzerns in Ulm gebündelt werden. Das heißt, es ist geplant, die „Business Unit“namens „Specialty“von Berlin nach Ulm zu verlegen und das Büro in Berlin zu schließen. Dort arbeiten derzeit 100 Menschen, 80 Stellen sollen nach Ulm verlagert werden. Der Standort Berlin war bisher zuständig für Vertrieb und Vermarktung der patentgeschützten Präparate. Ulm ist spezialisiert auf Generika, also Nachahmerpräparate. Künftige sollen Spezialmedikamente, Generika und frei verkäufliche Arzneimittel nur noch von Ulm aus vertrieben werden. Damit folge der Standort der globalen Strategie von Teva.
„Der Standort Deutschland wird auch in Zukunft seine herausragende Rolle innerhalb der Teva einnehmen“, heißt es in dem von der Geschäftsführung um Chef Christoph Stoller unterzeichneten Schreiben. Dennoch brauche die Belegschaft in Ulm in den kommenden Wochen „viel Kraft und ein hohes Maß an Durchhaltevermögen“. Der israelische Mutterkonzern Teva ist, wie berichtet, mit fast 30 Milliarden Euro verschuldet. Teva wollte wachsen um jeden Preis und verschluckte sich bei Übernahmen von Mitbewerbern.