Hier läuft nun der Abspann
Die erste Filmvorführung im Theater am Espach ist knapp 90 Jahre her. Nun soll damit endgültig Schluss sein. Wie sich die Babenhauser Kino-Szene entwickelt hat und wieso sie nun vor dem Aus steht
Seit Beginn dieses Jahres laufen keine Kinofilme mehr im Theater am Espach. Die Kinotage, die zuletzt einmal monatlich von der Marktgemeinde organisiert wurden, entfallen. Ein Grund: Neue Technik wäre notwendig, die zwischen 15 000 und 20 000 Euro kostet. Diese Summe will die Marktgemeinde angesichts rückläufiger Besucherzahlen nicht mehr aufbringen. Wie Bürgermeister Otto Göppel erklärt, sei diese Investition in Zeiten knapper öffentlicher Haushaltskassen nicht zu verantworten. Damit geht im Fuggermarkt eine fast 90-jährige, wenn auch von Unterbrechungen geprägte Kinotradition zu Ende.
Heimatforscher Dieter Spindler geht davon aus, dass der Kinobetrieb im Theater am Espach Anfang der 1930er Jahre begann. Er verweist dabei auf eine Festschrift des Babenhauser Theatervereins aus dem Jahr 2014. Anlass für deren Erscheinen war ein Doppelgeburtstag: 150 Jahre Theaterverein und 125 Jahre Theater am Espach. Das mehr als 100 Seiten starke Heft basiert auf einer früheren Vereinschronik aus der Feder von Olga-Luise zu Dohna-Schlodien, die „Theatergräfin“genannt wurde. Aktualisiert wurde diese Chronik durch die Vorsitzende des Theatervereins Gabriele Waltenberger und ihrem Team.
Daraus geht hervor, dass nach der Einweihung des neu gebauten Theaters am Espach 1930 schon bald auch erste Kinofilme über die Leinwand flimmerten. Für die Theatertreibenden fiel bereits ein paar Jahre später, 1937, wieder der letzte Vorhang – zumindest vorerst. Der Kinobetrieb aber ging weiter. Er „hatte unbeschadet seine Arbeit fortführen können und unter staatlicher Aufsicht für Unterhaltung und ‚gezielte Orientierung‘ der Bevölkerung gesorgt“, ist in der Chronik zu lesen. Für einen Aufschwung sorgte auch der Tonfilm, der in dieser Zeit die Welt eroberte. Dem Theaterverein, der damals noch als Theatergesellschaft wirkte, halfen die Einnahmen des Kinos dabei, allmählich Schulden abzubezahlen.
Nach dem Kriegsende war das Gebäude in „keinem guten Zustand“. Nach mehrjährigen Verhandlungen einigten sich Kommune und Theaterverein darauf, dass es 1948 in Gemeindebesitz übergehen solle. Wie Heimatforscher Spindler berichtet, betrieb mit Xaver Dillinger ein „Babenhauser Original“und aktives Mitglied der Theaterszene das Kino. So manche Reiberei ließ sich aber dadurch nicht verhindern.
So erfolgte 1955 ein Einschnitt: Die Vorgaben der Gemeinde beinhalteten das Vorrecht des Kinobetriebs – und dass der Theaterverein aufgrund des Vertrages nicht mehr im Theater am Espach proben durfte. Dem Verein stand in Folge nur noch ein bestimmtes Zeitkontingent in dem Gebäude zur Verfügung – was einen Konfliktherd zwischen Theater und Kino darstellte. In der Chronik ist dazu ausgeführt: „Dieser ungute Zustand fand erst 1981 der Schließung des Kinos und der nachfolgenden großen Renovierung des Theatergebäudes ein Ende“.
Einen weiteren Hinweis auf den Kinobetrieb findet man in einem Eintrag, der auf den Sturz einer Linde auf das Gebäude 1932 zurückgeht. Dieser Vorfall führte wohl dazu, dass ein Vorbau errichtet wurde. Inzwischen war auch der Tonfilm nach Babenhausen gekommen. Das Theater wurde als Vorführraum vermietet – sprich Kino.
Bis in die Nachkriegsjahre war der Kinobetreiber ein Untermieter des Theatervereins. Auf Initiative des Untermieters Xaver Dillinger hin wurde der Balkon um das Doppelte vergrößert. 1955 kündigte die Gemeinde dann den Vertrag mit dem Verein. Dillinger musste diesem „einmal im Jahr für einen Monat das Gebäude unentgeltlich überlassen“.
Wie Heimatforscher Spindler berichtet, nahm Dillinger umgehend eine Umgestaltung des Zuschauerraums vor: mit einer Kunststoffverkleidung an den Wänden, modernen Leuchten und sogar einem Plastikvorhang – neueste Errungenschaften des beginnenden Wirtschaftswunders. Gleichzeitig schwand der Charakter des klassischen Theatersaals immer mehr.
Mit den Babenhauser Lichtspiemit len, kurz Bali, öffnete in den 1950er-Jahren ein zweites Kino im Fuggermarkt. Das Gebäude wurde neben der Gaststätte Prinz Ludwig errichtet. Viele Babenhauser verbinden mit dem Begriff Bali heute vor allem eine Kultdisco – ohne zu wissen, dass dieser aus der örtlichen Kino-Szene stammt.
Die Blütezeit der Babenhauser Kinos neigte sich jedoch bald dem Ende zu. Spindler zufolge trug nicht zuletzt der Siegeszug des Fernsehers dazu bei. Dillinger gab das Kino 1969 ab, es wurde jedoch von anderer Seite weiter betrieben. 1981 wurde der Betrieb eingestellt – und damit verschwand auch der Schriftzug „Filmtheater“.
Erst ab 2002 liefen wieder Kinofilme im Theater am Espach, diesmal organisiert von der Marktgemeinde. Nachdem es zu Anlaufschwierigkeiten wegen der Technik gekommen war im März 2002: „Kinopremiere mit kleinen Tücken“), stand Wolfgang Christ, Betreiber der Krumbacher Kinos, mit Rat und Tat zur Seite. So beschloss die Marktgemeinde, einen monatlichen Kinotag mit meist drei aktuellen Filmen anzubieten und die Technik zu erneuern. Die Zuschauerzahlen aber hielten sich in Grenzen.
Nun erfordert die Digitalisierung neue Anschaffungen. Angesichts der Kosten zieht die Marktgemeinde allerdings die Notbremse. Laut Christ kostet eine gebrauchte Kino-Projektionsanlage bis zu 20000 Euro. Hinzu komme ein erhöhter Platzbedarf für die technische Ausstattung. Demgegenüber stehe aber eine viel zu geringe Nutzung als Kino, erklärt Christ. Als letzte Option bliebe ein noch zu gründender, gemeinnütziger Verein, der unter gewissen Voraussetzungen eine Weiterführung ermöglichen könnte. Dafür sieht der Betreiber der Krumbacher Kinos aber kaum Chancen.
Gesichert wären mit der derzeitigen Technik aber in jedem Fall Schulveranstaltungen und geschlossene Veranstaltungen, die nicht öffentlich beworben werden dürften. In einem Schreiben an die Marktgemeinde machte Christ deutlich, dass er bei einem neuen Kino-Anlauf „jederzeit gerne zur Verfügung stehe“– auch wenn er die Chancen dafür als gering einschätzt.
Mit den Fernsehern endete die Blütezeit des Kinos