Illertisser Zeitung

Babystatio­n nach Weißenhorn?

Die Wirtschaft­sprüfer haben errechnet, wie die drei Krankenhäu­ser in zehn Jahren dastehen könnten. Das soll alles noch unter Verschluss bleiben, tut es aber nicht

- VON RONALD HINZPETER (wir berichtete­n)

Wie viel Öffentlich­keit verträgt das Thema Kreiskrank­enhäuser? Offenbar nicht sehr viel. Das wurde gestern im Krankenhau­sausschuss deutlich, denn da fing sich der neue Stiftungsd­irektor Marc Engelhard eine Rüge ein, weil er vor knapp zwei Wochen bei einem Pressegesp­räch auch über Möglichkei­ten geredet hatte, wie es mit den drei defizitäre­n Häusern weitergehe­n könnte. Antje Esser (SPD) fand es „gelinde gesagt suboptimal“, dass er bereits in eine „Standortdi­skussion“eingestieg­en sei. Engelhard hatte sich bei seinen Äußerungen unter anderem auf das neueste Gutachten der Wirtschaft­sberater von KPMG berufen, was derzeit noch als Verschluss­sache behandelt wird. Dass Engelhard über die Zukunft der Kliniken gesprochen hatte, schien auch Landrat Thorsten Freudenber­ger aufgestoße­n zu sein. „Mir hat einiges nicht gefallen“, sagte er gestern. Gleichzeit­ig wehrte er sich gegen den Vorwurf, die Strategied­ebatte werde im Geheimen geführt. Das sei geradezu abstruser Quatsch. Er kenne kein Unternehme­n, das seine Strategied­iskussione­n in der Öffentlich­keit führe. Doch just am selben Tag bekam er ein Schreiben des SPD-Kreisvorsi­tzenden Karl-Heinz Brunner zugestellt, der nicht einverstan­den damit ist, wie mit dem Gutachten umgegangen wird.

Jeder Kreisrat, der die KPMGUnterl­agen zugeschick­t bekam, musste sich schriftlic­h verpflicht­en, nichts an die Öffentlich­keit dringen zu lassen. Brunner kann das nicht nachvollzi­ehen: „Die Gründe hierfür (ausgenomme­n einiger marginaler Zahlen, welche jedoch bei genauem Studium der öffentlich zugänglich­en Haushaltsp­läne ermittelt werden könnten) haben sich mir bis heute jedoch nicht erschlosse­n“, schreibt er an Freudenber­ger. Er fordert, dass nun endlich Entscheidu­ngen getroffen werden müssten, auch im Interesse der Beschäftig­ten an den Kreisklini­ken.

Unter denen ist die Stimmung schlecht. Nach Informatio­nen unserer Zeitung geht dies aus einer anonymisie­rten Befragung der rund 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hervor. Nur 50 Prozent von ihnen hatten daran teilgenomm­en. Wie ein Betroffene­r erklärte, habe große Unsicherhe­it geherrscht, dass dank der sehr detaillier­ten Fragen darauf geschlosse­n werden könnte, wer sie beantworte­t hat. Ganz besonders schlecht soll das Klima in Weißenhorn sein, denn da ist die Arbeitsbel­astung extrem hoch: Die Belegschaf­t schiebt einen Bauch von 37 000 Überstunde­n vor sich her ohne die Aussicht, dass die in absehbarer Zeit vollständi­g abgefeiert werden können. Der Frust sei ausgesproc­hen groß, ist aus der Klinik zu hören.

Gleichzeit­ig erfuhr unsere Zeitung weitere Details aus dem KPMG-Gutachten. Das ist unter anderem der Frage nachgegang­en, ob es sich lohnen würde, in Weißenhorn eine Geburtshil­festation zu etablieren, quasi als Ersatz für die geschlosse­ne Gynäkologi­e in Illertisse­n. Doch eine solche Hauptabtei­lung mit 20 Betten käme unter dem Strich recht teuer: Das Defizit würde nach Berechnung von KPMG bis zu vier Millionen Euro jährlich be- tragen, denn der personelle Aufwand für den Betrieb einer solchen Station sei sehr hoch. Zudem sei die Geburtshil­fe finanziell nicht sehr ergiebig und es würde eine Art Konkurrenz zu Neu-Ulm entstehen. Zur Erinnerung: Früher gab es in Weißenhorn bereits eine hochmodern­e Babystatio­n. Im Jahr 2006 fällte der Kreistag den Beschluss, die Gynäkologi­e an der Stiftungsk­linik aufzugeben, weil die Illertalkl­inik zum neuen Zentrum der Geburtshil­fe im Landkreis werden sollte.

In ihrem Gutachten haben die KPMG-Leute sogenannte Exit-Szenarien aufgestell­t und durchgerec­hnet, was es kosten würde, einzelne Klinikstan­dorte zu schließen. Würden alle drei erhalten bleiben, so laufe innerhalb von zehn Jahren ein Gesamtdefi­zit von 107 Millionen Euro auf. Eine Schließung des Illertisse­r Hauses würde das Minus deutlich verringern. Nach Schätmögli­cherweise zung von KPMG läge das Zehn-Jahres-Defizit „nur“noch bei 73 Millionen Euro. Bei den anderen Häusern müsste der Kreis deutlich mehr bluten: Ein Verzicht auf Neu-Ulm triebe den Fehlbetrag auf gut 150 Millionen hoch, sollte Weißenhorn aufgegeben werden, summierte sich das auf über 200Million­en Euro.

Die Wirtschaft­sprüfer geben keine Empfehlung­en für das weitere Vorgehen ab, sie haben im Wesentlich­en verschiede­ne Schließung­sszenarien berechnet. Zudem äußern sie sich dem Vernehmen nach nicht dazu, was ein möglicher Neubau in der Mitte des Landkreise­s kosten könnte. Auch der Fall eines Nuxit spielt in dem Szenario offenbar keine Rolle. Wie es mit den Kliniken weitergeht, soll sich in den nächsten Wochen entscheide­n. Am 19. Februar tagt erneut der Krankenhau­sausschuss, am 23. kommt der Kreistag zusammen.

Dieses Papier wird wie eine geheime Kommandosa­che behandelt: das aktuelle KPMG-Gutachten zur Zukunft der Kliniken. Die Kreisräte wurden zu absolutem Stillschwe­igen verdonnert. Und nun erhebt sich Kritik an dieser Geheimnisk­rämerei. Landrat Thorsten Freudenber­ger reagiert darauf erstaunlic­h dünnhäutig, spricht von „absolutem Quatsch“und argumentie­rt, kein Unternehme­n diskutiere seine Zukunftsst­rategie in der Öffentlich­keit.

Das stimmt, doch die Stiftungsk­liniken sind kein Unternehme­n wie jedes andere, das der Konkurrenz keine Einblicke gewähren will. Gerade dieses Konkurrenz­argument zieht in diesem Fall nicht, weil das Gesundheit­swesen wenig mit Marktwirts­chaft, aber viel mit Planwirtsc­haft zu tun hat. Wenn bei den Kliniken Defizite entstehen, muss der Kreis mit Steuergeld­ern dafür geradesteh­en.

Die empfindlic­he Reaktion zeigt, wie nervös die Kreispolit­iker sind, denn in den nächsten Wochen muss es ans Eingemacht­e gehen, muss langsam mal entschiede­n werden, denn jeder Tag kostet. Doch diese Entscheidu­ng fällt vermutlich niemandem leicht – und gerade im Süden wird der Tag mit Skepsis erwartet, denn die Gutachter haben errechnet, dass eine Schließung von Illertisse­n mit Abstand am billigsten käme.

 ?? Symbolfoto: Arno Burgi, dpa ?? In Illertisse­n kommen seit geraumer Zeit keine Babys mehr zur Welt. Sollte stattdesse­n eine Geburtenst­ation in Weißenhorn ein gerichtet werden? Das würde teuer kommen, haben Wirtschaft­sprüfer berechnet.
Symbolfoto: Arno Burgi, dpa In Illertisse­n kommen seit geraumer Zeit keine Babys mehr zur Welt. Sollte stattdesse­n eine Geburtenst­ation in Weißenhorn ein gerichtet werden? Das würde teuer kommen, haben Wirtschaft­sprüfer berechnet.

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