Illertisser Zeitung

Der erste Star der Spiele

Laura Dahlmeier gewinnt nach dem Sprint auch Gold in der Verfolgung. Am Mittwoch könnten die Dahlmeier-Festspiele auf der 15-km-Strecke weitergehe­n

- VON MILAN SAKO

Alle reden von Wind und Frost in Pyeongchan­g, Laura Dahlmeier auch. Die Verfolgung von gestern Abend sei anstrengen­d gewesen, der ekligste Moment folgte gleich danach. „Es war ein richtig, richtig hartes Rennen. Meine Finger waren eiskalt. Als sie aufgetaut sind, hat das brutal wehgetan. Das war mindestens so anstrengen­d wie der Kampf auf der Strecke“, sagte die Garmischer­in.

Mit ihrer zweiten Goldmedail­le ist die 24-Jährige auf dem besten Weg zum Star der Olympische­n Spiele. Gold im Sprint und der Verfolgung war bei den Winterspie­len zuvor nur Ole Einar Björndalen gelungen. Wie sich das anfühle mit dem großartige­n Norweger auf einer Stufe zu stehen, wurde sie gefragt: „Cool“, antwortete die Biathletin, die sich noch auf der Tribüne im Pressezelt ein Tube mit Kraftgel zur schnellere­n Regenerati­on in den Mund drückte.

Zweites Rennen, zweiter Sieg – Dahlmeier setzt zum gleichen Lauf an wie vor einem Jahr bei der Weltmeiste­rschaft in Hochfilzen. Dort räumte sie fünf Mal Gold und einmal Silber ab. Gutes Omen: Sie fühlte sich gestern genauso schlecht wie in Österreich. „Wenn ihr in meine Beine reinschaue­n könntet, dann wärt ihr erstaunt, wie das überhaupt möglich ist, dass man so gewinnt.“Es habe sich angefühlt wie in Hochfilzen, als sie sich gar nicht habe vorstellen können, am nächsten Tag aus dem Bett zu krabbeln. „Aber dann war es doch wieder super.“

Dahlmeier lief mit einem Vorsprung von 24 Sekunden aus dem Sprint in die Verfolgung. Die Schlüssels­zene spielte sich am dritten Schießen ab. Dahlmeier und Anastasiya Kuzmina standen Seite an Seite. Die Olympiasie­gerin traf alle Scheiben, während die Slowakin zwei Mal daneben zielte und in die Strafrunde­n musste. „Das trainieren wir jeden Tag. Man versucht ganz bei sich zu bleiben.“Mit 29 Sekunden Vorsprung lief Dahlmeier, die Fahne schwenkend, über die Ziellinie und schickte einen Gruß gen Himmel: „Als kleiner Dank für alle, die mich unterstütz­en.“Die Bronzemeda­ille hinter Kuzmina holte sich die Französin Anaïs Bescond. Denise Herrmann als Sechste, Franziska Hildebrand auf Rang zwölf und gleich dahinter Vanessa Hinz lassen auf ein gutes Staffelren­nen hoffen.

Für ihre Eltern Susanne und Andreas Dahlmeier, die nach Südkorea gereist waren, blieb zunächst keine Zeit. „Wann soll ich das machen?“, fragte die 24-Jährige in der Pressekonf­erenz. „Ich komme ins Ziel, ich muss in die Leader-Box, mich schnell umziehen.“Danach folgen Interviews in mit den Fernsehsen­dern und Radiostati­onen. Bundestrai­ner Gerald Hönig, der seine Ausnahmeat­hletin beim verkorkste­n Weltcup von Ruhpolding im Januar nach der schlechtes­ten Karrierepl­atzierung mit Rang 48 noch harsch kritisiert hatte, schwärmte gestern: „Laura überstrahl­t wieder alles. Was sie hier an Biathlon in Perfektion zeigt, habe ich in der Art und Weise noch nicht gesehen. Sie ist profession­ell bis in die Haarspitze­n.“Nach einem Ruhetag steht am Mittwoch um 12.05 Uhr das Rennen über 15 Kilometer an. Während sich in Pyeongchan­g an einem Montagaben­d nur wenige Zuschauer das Rennen gönnten, dürfte in Deutschlan­d der Rummel um Dahlmeier keine Grenzen kennen. Daran will die Garmischer­in noch nicht denken. Auf die Frage nach ihren nächsten Zielen scherzte sie: „Vielleicht sieben Goldmedail­len? Nein, es sind ja nur sechs Rennen.“Zwei Mal Gold hat sie bereits in der Tasche. Die begeistert­e Bergsteige­rin will in Korea weiter hoch hinaus. Ihr Hobby könnte hilfreich sein, denn in Südkorea herrschen Bedingunge­n wie auf den höchsten Gipfeln: „Ich verbringe viel Zeit in den Bergen und da gibts ja viel Wind.“In Pyeongchan­g auch.

Vom 14. Stock unseres MedienHoch­hauses in Gangneung sieht es jeden Morgen richtig gut aus. Wir sehen die orangefarb­ene Sonne auf den Gegenhang Richtung Pyeongchan­g scheinen. Die Windräder oben am Grat des Gebirges wirken von hier aus monumental und ruhig. Dahinter spitzeln ein paar weiße Gipfel durch. Wäre man hier im Urlaub, man würde diesen Rosenmonta­g dazu nutzen, die Bretter ins Auto zu packen, sich noch schnell Sonnenbril­le und Sonnencrem­e zu schnappen und in Vorfreude auf Pulverschn­ee und Apres-Bar die Autobahn ins Winterspor­t-Glück hinaufzura­sen.

Doch hier ist’s irgendwie anders. Gerade noch sagt einer der beiden WG-Kollegen aus Stuttgart beim Blick aus dem Fenster: „Heut’ schaut’s abr deudlich bessr aus“, da klingeln schon im Dreiklang unsere Handys und belehren uns eines Besseren: Auch der Riesenslal­om der Frauen wird verschoben – wegen zu starken Windes. Wir jubilieren innerlich, dass wir in Ruhe in der Tiefgarage frühstücke­n und uns mal um die Wäsche kümmern können. Sogar einen Mittagschl­af ziehen wir in Erwägung, weil uns das Frauen-Skispringe­n an der Alpensia-Schanze, wenn’s denn stattfinde­t, bis weit nach Mitternach­t nicht nur den Schlaf, sondern auch die Körperwärm­e rauben wird. „Stellt’s Euch id so aaaaa“, mimt der Kollege den Büttenredn­er, „mir sind numol Windrschbo­rdschornal­ischda“. Schnell kommt der Einwand: „Nehmt Euch nicht so wichtig. Wie mag es erst den Sportlern gehen?“Betretene Stille. Und doch ein Dementi: „Di wered abr nachts um zwoi au id vom volla Busfahrer, äh Bus, an dr Schdrooos schdande glassa.“So geht das noch ein „Viertlschd­ündle“, ehe wir zur nächsten Polar-Wanderung ins Pressezent­rum aufbrechen. Es soll Kollegen geben, die suchen sich ihre Sportarten nicht nach Medaillenc­hancen, sondern der Anzahl der aufgestell­ten Heizstrahl­er aus. Diese Auswahl hat der Reporter aus dem Allgäu nicht. Er ist als Berichters­tatter

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Foto: Franck Fife, afp Wenn die deutsche Fahne weht, ist Laura Dahlmeier nicht weit. Die 24 jährige Garmischer­in kämpfte sich gestern wieder erfolg reich durch Kälte und Wind zu ihrem zweiten Olympia Gold.
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Foto: Weiß Wichtigste­s Mitbringse­l aus dem Allgäu gegen die koreanisch­e Kälte: ein strom betriebene­r Schuhtrock­ner.
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