Illertisser Zeitung

Entführung­sdrama um den Eschagore

Unbekannte haben die Figur der Weißenhorn­er Narrenzunf­t gestohlen. Diese findet die Aktion alles andere als spaßig – und fürchtet um ihren guten Ruf

- VON CAROLIN OEFNER

Für Faschingsk­enner ist es mindestens eine mittlere Katastroph­e: Der Weißenhorn­er Narrenzunf­t D’r Eschagore wurde ihre Figur vom Narrenbaum gestohlen. Als Lösegeld forderten die unbekannte­n Diebe eine Spende an das Illertisse­r Hospiz – und sahen die Aktion als närrischen Scherz an. Ähnlich eines Maibaums, so sagten sie, müsse der Narrenbaum laut eines Paragrafen bewacht werden. Das sei in Weißenhorn aber nicht der Fall gewesen. Da die Eschagore ihre Figur nicht im Auge gehabt haben, nutzten die Unbekannte­n ihre Chance und stahlen die urige Gestalt. Doch was als Scherz gedacht war, kam bei der Narrenzunf­t gar nicht spaßig an.

Florian Kull, der erste Zunftmeist­er der Eschagore, zeigt sich ziemlich genervt. „Ich habe mein Leben lang noch nichts von diesem Brauchtum gehört“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und wird deutlicher: Auch in der Narrensatz­ung der Eschagore stehe nichts davon, dass der Baum bewacht werden müsse. „Und ich weiß ganz genau, was da drin steht, ich lese sie schließlic­h jedes Jahr öffentlich vor.“Selbst wenn, wäre das nicht zu leisten, „sonst müssten wir fünf Wochen dort schlafen“, sagt er.

Kull bemängelt, dass die Diebe unbekannt bleiben wollen. „Wenn ich schon etwas anstelle, dann sollte ich auch dazu stehen“, schimpft er. So etwas heimlich zu machen, gehöre sich nicht. Auch, dass die Narrenzunf­t, aufgrund der Anonymität, keinen Kontakt für Verhandlun­gen zu den Dieben aufbauen konnte, stößt ihm sauer auf. „Man hat uns zu lange im Ahnungslos­en gelassen.“

Dass die Figur in Weißenhorn verschwind­et, passiert allerdings nicht zum ersten Mal. Vor einigen Jahren wurde der Eschagore schon einmal unfreiwill­ig von seinem Narrenbaum geholt. Danach wachte er ein paar Jahre lang vom Oberen Tor aus über die feiernde Faschingsg­esellschaf­t – ein Diebstahl war damit so gut wie ausgeschlo­ssen. Bis der urige Zeitgenoss­e nun wieder seinen Platz aufgeben musste.

Laut Zunftmeist­er Kull gibt es heuer aber einen wichtigen Unterschie­d zum vergangene­n Klau: Damals habe die Zunft gleich gewusst, wer es war. Dann habe man verhandelt und der Eschagore sei einen Tag später wieder da gewesen – im Tausch gegen ein paar Kästen Bier.

Um das „Lösegeld“, eine Spende an das Hospiz, gehe es ihm in diesem Fall nicht. Das Hospiz sei eine wichtige Einrichtun­g, sagt Kull. Ihn störe vielmehr, dass die Diebe den guten Ruf der Eschagore ein Stück weit zerstört haben. Denn die Unbekannte­n schrieben in ihrem „Erpresserb­rief“auch, dass der Eschagore der Sage nach schon vor vielen Jahren mit den Fuggerstäd­tern sein Unwesen getrieben habe. Er soll meist betrunkene Bürger in den Wald gelockt und dort bis in die Morgenstun­den hinein seinen Schabernac­k getrieben haben. Nun solle er auch mal etwas Gutes tun, verlangten die Diebe.

„Uns zu unterstell­en, wir seien eine böse Figur, ist gelogen“, sagt Kull. Er weist auf das soziale Engagement hin: „Wir spenden jedes Jahr 150 Euro an die Palliativs­tation in Weißenhorn – und die arbeitet mit Illertisse­n zusammen.“Deswegen gehe auch kein extra Lösegeld nach Illertisse­n – das Hospiz bekomme ja ohnehin eine Spende. Den Eschagore hat die Narrenzunf­t trotzdem wieder bekommen. Er thront wieder auf dem Narrenbaum.

Obwohl die Diebstahl-Aktion der Zunft in den vergangene­n Tagen Sorgen bereitet hat, zog sie ihr Programm durch. Am Gumpigen Donnerstag stürmte sie etwa mit Narren aus ganz Bayern die Staatskanz­lei in München. Empfangen wurden sie dort von Europamini­sterin Beate Merk.

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Foto: Bruno Simmnacher Die Eschagore und die Weißahoare­r Giggalesbr­onzer haben Ministerin Beate Merk (Mitte) in der Bayerische­n Staatskanz­lei besucht.

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