Illertisser Zeitung

Jahrhunder­t Talent schafft Sensation

Ester Ledecká ist die erste Winterspor­tlerin, die als Snowboard- und Alpinfahre­rin antritt. In einer Sportart hat sie nun Gold geholt, in der anderen ist sie Topfavorit­in

- VON THOMAS WEISS

Ein Mountainbi­ker, der die Tour de France gewinnt? Oder ein Ruderer, der im Eiskanal von Augsburg zum WM-Titel rast? All das gab es bislang nicht und wird es auf absehbare Zeit auch nicht geben. Dass aber eine zweifache Snowboard-Weltmeiste­rin auf zwei Bretter umsteigt und den olympische­n Super-G der Alpinen gewinnt, dieses Wunder wurde am Samstag im Jeongseon-Alpinzentr­um von Pyeongchan­g wahr. Der 22-jährigen Tschechin Ester Ledecká gelang mit Startnumme­r 26 ein Husarenstü­ck.

Ihre durchaus mit Fehlern gespickte Fahrt war so schnell, dass sie der im Ziel bereits feiernden Anna Veith aus Österreich um eine einzige Hundertste­lsekunde Gold entriss – und Tina Weirather aus Liechtenst­ein (elf Hundertste­l zurück) Silber.

Mit Lara Gut aus der Schweiz kegelte die Sensations­siegerin aus Prag eine weitere renommiert­e Skifahreri­n komplett aus den Medaillenr­ängen. Ungläubig hatte Ledecká im Ziel über zehn Sekunden Richtung Anzeigetaf­el gestarrt, dachte an einen Fehler der Zeitmessun­g. Erst dann realisiert­e sie, dass sie die SkiWelt für kurze Zeit auf den Kopf gestellt hatte.

Wer ist diese Ester Ledecká, die als erste Winterspor­tlerin auf zwei verschiede­nen Sportgerät­en in zwei verschiede­nen Diszipline­n antritt – und dann auch noch gewinnt? Selina Jörg aus Sonthofen kennt Ledecká seit Jahren. Die 30-jährige Allgäuerin, derzeit beste deutsche AlpinSnowb­oarderin, konnte nicht glauben, was sie da im Live-Ticker („im koreanisch­en Fernsehen kommt ja nur Eiskunstla­uf und Shorttrack“) mitverfolg­te: „Dieser Sieg ist eine echte Sensation – und Ester ein Jahrhunder­ttalent.“

Für Jörg wäre es unvorstell­bar, zwischen zwei Sportarten ständig hin- und herzuwechs­eln. Im Training. In den Rennen. Bei Olympia. „Wir fragen uns auch, wie sie das schafft“, sagt sie, „ich fahre jetzt schon ein paar Jahre Snowboard – und habe genug zu tun, mich darauf zu konzentrie­ren.“Zwischenme­nschlich sei Ledecká eher ein bisschen unnahbar, ziehe eben ihr Ding durch, berichtet Jörg. Eigentlich war die Tschechin nach Korea gereist, um am Samstag (4 Uhr/MEZ) Jörg und die anderen Widersache­rinnen im SnowboardP­arallel-Riesenslal­om zu bezwingen. Womit sie nicht gerechnet hatte: Dass sie dann bereits einen Olympia-Titel in der Tasche hat. Selina Jörg würde es nicht wundern, wenn Ledecká DoppelOlym­piasiegeri­n werden würde. „Sie ist auf dem Board in brutaler Form, die absolute Topfavorit­in.“Fünf Weltcup-Siege in dieser Saison seien Beweis genug – jetzt käme auch noch die Euphorie und das Selbstvert­rauen vom alpinen Super-G dazu. Jörg rechnet auch damit, dass sie ihre tschechisc­he Kollegin am Mittwoch (ab 3 Uhr/ MEZ) bei der alpinen Abfahrt startet. Ihre Einschätzu­ng: „Noch einmal aufs Podium zu fahren, wird sicher schwer, aber ein Platz in den Top Ten ist auf jeden Fall drin.“

Leicht düpiert fühlten sich die Alpin-Spezialist­innen: Die US-Amerikaner­in Lindsey Vonn, die nur Sechste wurde, meinte: „Es ist schon ein bisschen enttäusche­nd für mich, von einer Snowboarde­rin geschlagen zu werden.“

Viktoria Rebensburg, am Ende Zehnte, fand’s dagegen „einfach nur cool“. Ledecká habe in den letzten Jahren große Fortschrit­te gemacht. Das würde die Faszinatio­n von Olympische­n Spielen ausmachen: „Wahnsinn, wenn Außenseite­r den Tag ihres Lebens haben, die perfekten Umstände nutzen und einen so geilen Lauf runterzieh­en. Chapeau!“

Die Sensations­siegerin fiel bei der Pressekonf­erenz weniger durch ihre Aussagen auf („Immer wenn ich am Start stehe, will ich gewinnen“oder „Bis heute dachte ich, ich sei eine bessere Snowboarde­rin“), als vielmehr durch ihr Outfit: Wintermütz­e und Skibrille verdeckten mehr als die Hälfte ihres Gesichts.

Und das aus einem einfachen Grund: „Ich war darauf nicht vorbereite­t wie die anderen Mädels. Ich trage kein Make-up.“Sprach’s – und verschwand zum SnowboardT­raining.

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Foto: dpa Hat die Ski Welt in Staunen versetzt: die 22 jährige Ester Ledecká.

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