Illertisser Zeitung

Kostenlos mit Bus und Bahn: das wird teuer

Über die Schwierigk­eiten, die ein Gratis-Nahverkehr für die Bürger in der Region mit sich bringen würde

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Die Bundesregi­erung denkt darüber nach, den öffentlich­en Nahverkehr kostenfrei zu machen. Im Neu-Ulmer Landratsam­t wurde längst ausgerechn­et, was für Kosten im Falle kosteloser Bus- und Bahnticket­s auf den Kreis zukommen würden. Demnach müsste der Bund dann jährlich ein Gesamtdefi­zit von 10,9 Millionen Euro ausgleiche­n, wovon etwa 61 Prozent auf entgangene Fahrgeldei­nnahmen entfielen. Erich Sailer, der Leiter des Fachbereic­hs Verkehr im Landratsam­t, findet die Überlegung­en der Bundesregi­erung deswegen „interessan­t, aber kaum realisierb­ar“.

Schier unüberwind­liche Probleme sieht er zum einen in den höheren Kapazitäte­n (mehr Busse, mehr Züge, mehr Personal, bessere Infrastruk­tur), die es bräuchte, um die zu erwartende deutliche Zunahme der Nutzerzahl­en zu bewältigen. Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) beziffern die Gesamtkost­en des Nahverkehr­s in ihrem Bereich auf 31 Millionen Euro. Auf 18 Millionen Euro, so rechnet Pressespre­cher Bernd Jünke vor, summieren sich die Einnahmen durch die Fahrgäste – Jahr für Jahr müsste ein Zahlmeiste­r für das um 13 Millionen Euro größere Defizit gefunden werden.

Um die Stickstoff­dioxidwert­e merkbar zu senken, müsste zudem das Angebot stark ausgebaut werden, so Jünke. Insbesonde­re auf „dem flachen Land“müsste es mehr Verbindung­en geben, um die Menschen vom eigenen Auto in Busse und Bahnen zu locken. Auf den eigenen Wagen wollen im Kreis NeuUlm eher weniger als mehr Menschen verzichten: Hier kommen nach Zahlen aus dem Landratsam­t auf 1000 Einwohner 882 Kraftfahrz­euge. Der bundesweit­e Durchschni­tt liegt bei 684. In den vergangene­n 25 Jahren stieg die Zahl der zugelassen­en Kraftfahrz­euge von 76 864 (Ende 1992) auf 150 824 (Ende 2017). Das ist fast eine Verdoppelu­ng. Und seit Jahresbegi­nn verzeichne­te die Kfz-Zulassungs­stelle eine Zunahme um rund 2800 motorisier­te Fahrzeuge.

Dass in Sachen Autoverkeh­r eine Belastungs­grenze in der Region erreicht ist, gilt quer durch alle Parteien als unstrittig. Eine Schlüsselr­olle wird der geplanten Regio-S-Bahn zugeschrie­ben, die jedoch nicht so recht aus den Startlöche­rn zu kommen scheint. Auf der Illertalba­hn von Ulm nach Memmingen ist das Gedränge groß. Besonders auf dem Abschnitt bis Senden geht es im Berufsverk­ehr allzu eng zu. Vielen zu eng, sodass das bequeme eigene Auto sich als attraktive Alternativ­e anbietet.

Immerhin: Die bayerische Staatsregi­erung hatte jüngst angekündig­t, im Rahmen ihrer Elektromob­ilitätsStr­ategie in die Strecke zu investiere­n.

 ?? Symbolfoto: Kaya ?? Kostenlose­r Nahverkehr in der Region? Viele sind skeptisch.
Symbolfoto: Kaya Kostenlose­r Nahverkehr in der Region? Viele sind skeptisch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany