Kostenlos mit Bus und Bahn: das wird teuer
Über die Schwierigkeiten, die ein Gratis-Nahverkehr für die Bürger in der Region mit sich bringen würde
Die Bundesregierung denkt darüber nach, den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei zu machen. Im Neu-Ulmer Landratsamt wurde längst ausgerechnet, was für Kosten im Falle kosteloser Bus- und Bahntickets auf den Kreis zukommen würden. Demnach müsste der Bund dann jährlich ein Gesamtdefizit von 10,9 Millionen Euro ausgleichen, wovon etwa 61 Prozent auf entgangene Fahrgeldeinnahmen entfielen. Erich Sailer, der Leiter des Fachbereichs Verkehr im Landratsamt, findet die Überlegungen der Bundesregierung deswegen „interessant, aber kaum realisierbar“.
Schier unüberwindliche Probleme sieht er zum einen in den höheren Kapazitäten (mehr Busse, mehr Züge, mehr Personal, bessere Infrastruktur), die es bräuchte, um die zu erwartende deutliche Zunahme der Nutzerzahlen zu bewältigen. Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) beziffern die Gesamtkosten des Nahverkehrs in ihrem Bereich auf 31 Millionen Euro. Auf 18 Millionen Euro, so rechnet Pressesprecher Bernd Jünke vor, summieren sich die Einnahmen durch die Fahrgäste – Jahr für Jahr müsste ein Zahlmeister für das um 13 Millionen Euro größere Defizit gefunden werden.
Um die Stickstoffdioxidwerte merkbar zu senken, müsste zudem das Angebot stark ausgebaut werden, so Jünke. Insbesondere auf „dem flachen Land“müsste es mehr Verbindungen geben, um die Menschen vom eigenen Auto in Busse und Bahnen zu locken. Auf den eigenen Wagen wollen im Kreis NeuUlm eher weniger als mehr Menschen verzichten: Hier kommen nach Zahlen aus dem Landratsamt auf 1000 Einwohner 882 Kraftfahrzeuge. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 684. In den vergangenen 25 Jahren stieg die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge von 76 864 (Ende 1992) auf 150 824 (Ende 2017). Das ist fast eine Verdoppelung. Und seit Jahresbeginn verzeichnete die Kfz-Zulassungsstelle eine Zunahme um rund 2800 motorisierte Fahrzeuge.
Dass in Sachen Autoverkehr eine Belastungsgrenze in der Region erreicht ist, gilt quer durch alle Parteien als unstrittig. Eine Schlüsselrolle wird der geplanten Regio-S-Bahn zugeschrieben, die jedoch nicht so recht aus den Startlöchern zu kommen scheint. Auf der Illertalbahn von Ulm nach Memmingen ist das Gedränge groß. Besonders auf dem Abschnitt bis Senden geht es im Berufsverkehr allzu eng zu. Vielen zu eng, sodass das bequeme eigene Auto sich als attraktive Alternative anbietet.
Immerhin: Die bayerische Staatsregierung hatte jüngst angekündigt, im Rahmen ihrer ElektromobilitätsStrategie in die Strecke zu investieren.