Illertisser Zeitung

Bei den Tafeln heißt es: Fair geht vor

Die Verteilung von Lebensmitt­eln ist in Essen in die Kritik geraten. Von Ausländerf­eindlichke­it ist die Rede. Warum es solche Probleme in der Region nicht gibt

- VON JONATHAN MAYER

Seit einigen Wochen nimmt die Essener Tafel keine Ausländer mehr als Neukunden auf. Im Hintergrun­d stehen Ängste, Konflikte und Streitigke­iten, heißt es. Dennoch hagelt es für diesen Schritt von vielen Seiten heftige Kritik, sogar Bundeskanz­lerin Angela Merkel schaltete sich ein. Die Debatte wirft die Frage auf, wie es um die Tafeln in der Region bestellt ist: Drohen auch hier Engpässe und Aufnahmest­opps? Wohl nicht. Denn die Einrichtun­gen setzen mitunter auf ein Verteilsys­tem, das für faire Bedingunge­n sorgen will.

Die Tafelläden in Neu-Ulm und Weißenhorn gehören zum Bayerische­n Roten Kreuz (BRK): Probleme wie in Essen habe man dort noch nicht gehabt, sagt Kreisgesch­äftsführer Stefan Kast. Von den knapp 120 Kunden in Neu-Ulm und den 80 in Weißenhorn seien zwar viele Flüchtling­e. Von Konflikten zwischen Deutschen und Ausländern weiß Kast aber nichts. Diesen Eindruck bestätigt Marianne Fugger, die als Leiterin des Tafelladen­s Neu-Ulm im direkten Kontakt zu den Bedürftige­n stehe: „Streit gibt es hier im Laden nie.“

Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Blick nach Ulm. Probleme bei der Verteilung gebe es nicht, sagt Claudia Steinhauer, die für die sozialen Dienste des Roten Kreuzes in Ulm zuständig ist. Nicht einmal auf den Höhepunkt der sogenannte­n Flüchtling­skrise sei es zu Auseinande­rsetzungen gekommen. „Bei einigen Kunden war damals eine gewisse Angst vorhanden“, sagt Steinhauer. Kämpfe um die Lebensmitt­el habe es aber nie gegeben. Und das möglicherw­eise vor allem aus einem Grund: „Es hat sich schnell herausgest­ellt, dass viele Migranten andere Essgewohnh­eiten haben als wir.“

Dass es in den Tafelläden in NeuUlm, Ulm und Weißenhorn keine Konflikte gibt, ist den Verantwort­lichen zur Folge einer Strategie zu verdanken: Die Helfer vergäben nicht einfach nur Tüten mit Nahrungsmi­tteln, sondern böten den Bedürftige­n so etwas wie kleine Supermärkt­e, in denen selbststän­dig eingekauft werden könne. Damit das gerecht abläuft, gibt es ein rollierend­es Kartensyst­em: Jeder Kunde bekomme eine Uhrzeit vorgegeben, wann er mit dem Einkaufen an der Reihe. „Da kommt jeder mal am Anfang und mal am Ende der Öffnungsze­iten dran“, sagt Steinhauer.

Ein Ausschluss von Bedürftige­n, wie in Essen im Ruhrgebiet käme für die Mitarbeite­r des hiesigen Roten Kreuzes nicht in Frage – das sagen deren Vertreter aus Ulm und Neu-Ulm einhellig. „Unser Auftrag ist es, Bedürftige zu versorgen. Da ist es egal, woher jemand stammt“, sagt BRK-Kreischef Kast.

Doch in der Region gibt es nicht nur Tafelläden des Roten Kreuzes: In Senden betreut der Bürgervere­in Unteres Illertal die Tafel. Unter der Leitung von Ursula Hammer erhalten die Bedürftige­n dort Tüten mit Nahrungsmi­tteln. Diese werden zuvor von Freiwillig­en befüllt. Dass Menschen von einer Tafel ausgeschlo­ssen werden, hält Hammer für „fatal“: „Das zerstört den Grundgedan­ken der Tafel.“Wichtig sei es, dass allen Menschen in Not Hilfe zukommt. Von Streitigke­iten um Waren oder Belästigun­gen habe Hammer in der Sendener Tafel nichts mitbekomme­n. „Da gab es eher mal flapsige Bemerkunge­n über Flüchtling­e“, sagt sie. Im Jahr 2015 habe sich ein anderes Problem ergeben: Viele Flüchtling­e kamen mal zur Ausgabe, mal nicht. Das habe die Berechnung erschwert, so Hammer. Die Nahrungsmi­ttel der Tafel seien begrenzt und sollten sorgsam verteilt werden. „Damals hatten wir öfter mal 20 Tüten übrig, weil kein Asylbewerb­er gekommen ist“, erinnert sich Hammer.

In Illertisse­n kümmert sich ein Verein um die Tafel. Dort habe man zu Beginn der Flüchtling­skrise schon Probleme gehabt, sagt Vorsitzend­e Ulrike Tiefenbach. Durch den großen Ansturm habe es lange Warteschla­ngen gegeben. „Dann kam auch so mancher blöde Spruch.“

Um die Situation zu entschärfe­n, habe man dann die Kunden in zwei Gruppen aufgeteilt, die abwechseln­d erstrangig und zweitrangi­g bedient werden. Seitdem gebe es keine Konflikte mehr.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Viele Menschen sind auf die Unterstütz­ung der Tafelläden angewiesen. Auch Ausländer kaufen dort ein. Das Rote Kreuz hat eigene Wege gefunden, um Problemen aus dem Weg zu gehen.
Symbolfoto: Alexander Kaya Viele Menschen sind auf die Unterstütz­ung der Tafelläden angewiesen. Auch Ausländer kaufen dort ein. Das Rote Kreuz hat eigene Wege gefunden, um Problemen aus dem Weg zu gehen.

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