In einer Reihe mit Barlach, Kollwitz und Marcks
Das Edwin-Scharff-Museum in Neu-Ulm zeigt nach eineinhalb Jahren technischer Sanierung das Werk seines Namensgebers so anschaulich wie nie. Dazu kommt eine Sonderschau mit Plastiken von Emil Cimiotti
Sie sind wieder da: die raumhohe Marienthaler Kirchentür, die marmorne Hockende, die auf den großen Sprung zu warten scheint, und all die anderen Bronzen und Skulpturen von Edwin Scharff (1887 – 1955). Fast eineinhalb Jahre waren sie in externen Depots weggeschlossen – rund sechs Monate länger als geplant. Jetzt, nach der technischen Sanierung und Wiedereröffnung des Neu-Ulmer EdwinScharff-Museums, präsentiert sich das Haus am zentral gelegenen Petrusplatz nicht nur renoviert, sondern in vielfacher Hinsicht erneuert.
Das beginnt schon am Eingang: Der Besucher betritt das Museum durch ein neu geschaffenes, in Grautönen gehaltenes Café. Schon dieses ist eine Besonderheit, denn betrieben wird es von der Lebenshilfe: In dem inklusiven Lokal verkaufen Beschäftigte aus den Werkstätten Kaffee und Kuchen. Ein neuer Eingang war schon lange Wunsch des Freundeskreises des Museums und auch von Direktorin Helga Gutbrod: „Das Entree ist jetzt viel einladender. Man sieht schon von außen ein Haus.“Hat man den neuen Eingangsbereich durchschritten, hat sich auf den ersten Blick baulich zunächst wenig getan. Wichtig sind aber die Veränderungen für Besucher.
Erstmals gibt es für die Dauerausstellung einen Audioguide – auf Wunsch auch auf Englisch, in leichter Sprache oder für Menschen mit Seheinschränkungen. Für Gehörlose sind erklärende Videos in Gebärdensprache verfügbar. Gutbrod: „Bisher richtete sich unsere Ver- mittlungsarbeit vor allem an Menschen, die gut lesen und stehen können. Jetzt gehen wir auf unterschiedliche Bedürfnisse ein.“
Und statt Texttafeln sind nun Medienstationen mit Tablets im Kunstmuseum verteilt. So lässt sich beim Bildnis der Anni Mewes, von dem eine Fassung Teil des berühmten Berliner Skulpturenfunds von 2010 war, Genaueres über die Beziehung zwischen Scharff und der Schauspielerin nachlesen. Oder man kann auf einem historischen Bild segroßzügiges hen, wie eine Arbeit des Neu-Ulmers neben Gemälden von August Macke und Franz Marc im Berliner Kronprinzenpalais gezeigt wird. „Da muss ich mir als Museumsdirektorin nicht den Mund fusselig reden, wie bedeutend Scharff war“, sagt Gutbrod. Vor allem in den 1920er Jahren war er, ein Mittler zwischen Expressionismus und Kubismus, der nie den Sprung in die Abstraktion wagte, einer der erfolgreichsten Künstler Deutschlands. Scharff gehört in eine Reihe mit Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Gerhard Marcks – die ebenfalls in Neu-Ulm vertreten sind.
Der Namenspatron wird im umgestalteten Museum noch auf weitere Weise gewürdigt: Der Düsseldorfer Künstler Stefan Wissel zeigt in einem eigenen Raum als Kurator und Gestalter seine persönliche Auswahl aus dem Werk des Kollegen. Dicht an dicht gehängte Zeichnungen an einer gelb schraffierten Wand, kopflose Statuen und eine Reihe von plastischen Studien in einem Regal. Auch die anderen Bereiche des Museums wurden überarbeitet: So gibt es in der Ausstellung über den konkreten Maler Ernst Geitlinger (1895-1972), dessen Nachlass das Museum ebenfalls verwaltet, neue interaktive Stationen.
Wichtigster Publikumsmagnet ist jedoch das Kindermuseum: Auch dort ist wieder Leben eingekehrt. Bei der vor allem für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren konzipierten Mitmach-Schau „Hör mal, wer da guckt“(bis 15. September 2019) können Besucher viel über die menschlichen Sinne erfahren und sie beispielsweise mit einer Camera Obscura und einer Schreikabine auch testen.
Ruhiger ist die Sonderschau im Kunstmuseum, eine Retrospektive des Bildhauers Emil Cimiotti mit dem Titel „Denn was innen, das ist außen“(bis 21. Mai). Der mittlerweile 90-jährige Niedersachse, dessen Bronzeplastiken im weitesten Sinne dem deutschen Informel zuzuordnen sind, gehörte in den 50er und 60er Jahren zu den Kunst-Stars der jungen Bundesrepublik – und wird derzeit umfassend wiederentdeckt.