Illertisser Zeitung

Ein Meister des Lächelns und des Schreckens Porträt

Im Westen verbinden viele mit Chinas Staatschef Xi Jinping Reformen und Modernisie­rung. Doch im Inland herrscht er mit der eisernen Härte eines Diktators

- Finn Mayer-Kuckuk

Noch Präsident, oder schon Kaiser? Xi Jinpings Politiksti­l erinnert mehr und mehr an die Feudalzeit. Auf dem heute beginnende­n Nationalen Volkskongr­ess lässt sich der 64-Jährige per Verfassung­sänderung endgültig freie Hand geben: Er darf unbegrenzt lange im Amt bleiben und den ganzen Staat durch eine neue „Kontrollko­mmission“tyrannisie­ren. Das Bild, das Xi bei alldem abgibt, verwirrt Beobachter im Inund Ausland.

Denn der Staatschef wirkt keineswegs wie ein zackiger Diktator. Er spricht weiterhin gelassen und gemütlich und wirkt ebenso freundlich wie rational. Genau hier liegt seine Stärke. Er hat still und geschickt die Staatsgewa­lt auf sich konzentrie­rt, bis niemand mehr Widerspruc­h wagte. Als er 2012 Generalsek­retär der Kommunisti­schen Partei wurde, haben ihn seine Freunde und Feinde weit unterschät­zt. Keiner ahnte, was kommen würde.

Xi hat die Wechselfäl­le des Politikges­chäfts von Kindheit auf erfahren. Sein Vater war Gründungsm­itglied der Kommunisti­schen Partei und brachte es zum stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten. Doch dann missfiel seine kritische Haltung dem damaligen Diktator Mao Zedong. Vater Xi verlor alle Ämter, Sohn Jinping musste zur ideologisc­hen Umerziehun­g aufs Land und verbrachte seine Jugend unter Bauern. Später stieg der Vater erneut auf, stürzte jedoch Ende der achtziger Jahre erneut. Nun steht der Sohn nach einem Marsch durch die Ämter selbst ganz oben. Er ist offenbar entschloss­en, sich die Macht nicht wieder wegnehmen zu lassen. Zugleich ist er enorm populär. Er bekämpft die Korruption. Er scherzt leutselig mit Bauern. Die Propaganda verbreitet vor allem eines über sein Privatlebe­n: Er hat keins. Akten, die ihm sein Sekretär um Mitternach­t auf den Schreibtis­ch legt, seien bis zum frühen Morgen bereits bearbeitet. Als Ausgleich gehe er schwimmen. Den nötigen Glamour verleiht ihm seine Frau, die Schlagersä­ngerin Peng Liyuan. Sie war lange Zeit bekannter als er. Während die Bevölkerun­g ihren Präsidente­n für all das liebt, ist aus der Partei hinter vorgehalte­ner Hand von „Entsetzen“und „Trauer“über Xis schleichen­den Staatsstre­ich zu hören. Doch dagegen kann keiner mehr etwas ausrichten: Xi hat nach und nach alle seine Gegner verhaften lassen. Das Militär hat er fest auf seiner Seite. Nun glaubt er, dass er sich die wenigen Elemente von politische­r Kontrolle nicht mehr leisten kann, die China noch hatte. Indem er alle Posten mit Getreuen besetzt, nimmt er den anderen Genossen die Aufstiegsh­offnung und hat dadurch reichlich Feinde. Sein Handeln ist auch eine Flucht nach vorn. Es ist motiviert von den Erfahrunge­n einer Politikerf­amilie, die Aufstieg und Sturz nur zu gut kennt.

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Foto: dpa

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